Iris-Scan für alle

Der biometrische Reisepass kommt

Antonio Vitorino steht unter Druck. Nach der großen Reisezeit will der EU-Kommissar für Justiz und Inneres eine neue Ära der Reisedokumente in der EU einläuten. Als erstes kommen die Visa dran, die ab Herbst sowohl mit Fingerabdrücken als auch mit einem eingescannten Passbild versehen werden müssen. Doch die aufgemotzten Visa sind nur ein erster Schritt auf dem Weg zum Ziel, dem biometrischen Pass für alle EU-BürgerInnen. Wenn sich die Innenminister am 12. September in Rom treffen, wird das Thema ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

Wichtiger Stichtag in der Angelegenheit ist der 26. Oktober 2004. Dieses Datum haben die USA vorgegeben: Wollen EuropäerInnen weiterhin visafrei in die USA einreisen, können sie dies nur mit einem biometrischen Reisepass tun. Gibt es diesen bis dahin nicht, wird die Visa-Pflicht wieder eingeführt, so die Drohung der USA.

Dem Fortschritt in Sachen High-Tech-Pass stehen aber bislang technische Probleme im Weg. Unklar ist, welche Methode weltweit am reibungslosesten funktionieren kann. Die Frage, welche persönlichen Merkmale im neuen Reisedokument verzeichnet sein müssen, ist dabei zentral: Ob Iris-Scan, Fingerabdruck oder elektronische Erfassung von Gesichtsmerkmalen – die Verhandlungen unter den zuständigen Behörden laufen auf Hochtouren. Das sicherste Identitätsmerkmal scheint die Iris zu sein. Jedes Irisbild ist nämlich einzigartig, nicht einmal die Iriden eineiiger Zwillinge sind gleich. Die Sache hat allerdings aus Sicht der EU einen Haken: Noch bis 2006 hat die US-amerikanische Firma Iridian das Patentrecht auf Iris-Scannen.

Deshalb hat die EU-Kommission bei der Wahl der biometrischen Visa-Merkmale auch eine wirtschaftliche Entscheidung getroffen. Das Geschäft der elektronischen Gesichtserkennung wird derzeit von deutschen Firmen angeführt, den Markt für die Technik der Erfassung von Fingerabdrücken kontrolliert eine französische Firma. Darüber, wie leistungsfähig biometrische Sicherheitssysteme derzeit sind, diskutierte die Fachwelt vor kurzem beim Fraunhofer-Institut für graphische Datenverarbeitung in Darmstadt. In dem Workshop »Bio-metrics and Electronic Signatures« berichteten unter anderem Experten vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik über diverse Pilotprojekte, die die deutsche Bundesregierung in die Wege geleitet hat. In der deutschen Botschaft in Lagos (Nigeria) etwa werden Visa-AntragstellerInnen Fingerabdrücke abgenommen und mit der Wiesbadener Datenbank AFIS abgeglichen. Dabei kam heraus, dass bis 70 mal am Tag bereits abgewiesene Antragsteller falsche Angaben machten, um ein Visum zu bekommen.

In der Praxis wird auch der Iris-Scan seit Mitte Juli an der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan getestet. Alle über Sechsjährigen, die nach Pakistan einreisen wollen, werden vom UNHCR gezwungen, ihre Iris biometrisch erfassen zu lassen. Als Grundlage für solche Tests dienen die seit Anfang Juni geltenden neuen UN-Standards für Reisedokumente. Bedenken äußern lediglich einige Menschenrechtsorganisationen, die eine öffentliche Debatte zum Thema fordern. Frank Fitzsimmons, Leiter der Firma Iridian, weiß, wie er diese Menschen überzeugen kann. »Das Ganze ist von einer James-Bond-Aura umgeben«, sagte er der New York Times. »Aber mal ehrlich, es ist nichts weiter als das Fotografieren Ihres Auges.«

danièle weber