French Correction

Ermittlungen gegen Ruandas Präsidenten von jörn schulz

Er ermittelte gegen die linken Stadtguerilleros der Action Directe, gegen den Söldner arabischer Geheimdienste »Carlos, den Schakal«, gegen militante algerische Islamisten und die iranischen Volksmujahedin. Jean-Louis Bruguière tritt immer dann in Aktion, wenn die französische Regierung die »nationale Sicherheit« in Gefahr wähnt. Nach sechsjährigen Untersuchungen hat der Ermittlungsrichter ein Dossier zum Abschuss des Flugzeuges des ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana am 6. April 1994 vorgelegt.

Der auf den 30. Januar datierte Bericht wurde in der vergangenen Woche der Tageszeitung Le Monde zugespielt. Bruguière lässt keinen Zweifel daran, wer der Terrorist ist: Paul Kagame, der Präsident Ruandas. Er führte 1994 die Ruandische Patriotische Front, die Bruguière für den Abschuss des Flugzeuges verantwortlich macht.

Die Enthüllung erfolgte termingerecht. Am 7. April werden weltweit Gedenkveranstaltungen zum zehnten Jahrestag des Genozids in Ruanda stattfinden. Hutu-Extremisten ermordeten nach dem Tod Habyarimanas 800 000 Menschen, überwiegend Angehörige der Tutsi-Minderheit, aber auch gemäßigte Hutu. Ausgebildet und bewaffnet wurden sie von Frankreich, das zudem durch eine Militärintervention ihren Rückzug deckte, nachdem die Tutsi-Guerillaorganisation RPF eine erfolgreiche Gegenoffensive begonnen hatte.

Bis heute wertet das französische Establishment den Genozid allenfalls als bedauerlichen Kollateralschaden. Bruguières Dossier reiht sich ein in die seit 1994 anhaltenden Bestrebungen, die RPF zu delegitimieren und den organisierten Massenmord als »Stammeskonflikt« oder verständliche Racheaktion erscheinen zu lassen. Die Beweise bleiben auch diesmal dürftig, Bruguière stützt sich vor allem auf die Aussagen von RPF-Dissidenten und ignoriert entlastendes Beweismaterial.

Die Attentäter mussten darüber informiert gewesen sein, dass Habyarimana nach den Friedensverhandlungen im tansanischen Arusha überraschend seinen Flugplan geändert hatte, und sie waren in der Lage, sich in der Hauptstadt Kigali frei zu bewegen. Die RPF wurde von Habyarimana sicher nicht exklusiv informiert, und sie verfügte im Rahmen des 1993 geschlossenen Friedensabkommens in Kigali nur über ein streng überwachtes symbolisches Militärkontingent. Zudem hatte Habyarimana sich zu einer Teilung der Macht bereit gefunden, und die RPF konnte nicht damit rechnen, von einer militärischen Provokation gegen das von Frankreich gestützte Regime zu profitieren.

Die Hutu-Extremisten dagegen fürchteten, Habyarimana werde ihre Privilegien opfern, um seine Macht zu erhalten. Ihn auf eine Weise zu beseitigen, die auf »die Tutsi« als Täter hindeutete, war zugleich eine willkommene Legitimation für den Genozid. Schon eine Stunde nach dem Tod Habyarimanas errichteten die Hutu-Extremisten Straßensperren und begannen mit der Jagd auf ihre Opfer. Die wahrscheinlichste Version ist, dass sie den Anschlag durchführten oder bei Söldnern in Auftrag gaben. Der französische Experte Gérard Prunier entdeckte zudem Indizien für die Beteiligung französischer Offiziere und Geheimdienstler.

Insofern könnte es die französische Regierung noch bereuen, die schon fast vergessene Angelegenheit wieder aufgerührt zu haben, denn nun dürften weitere Untersuchungen und Enthüllungen folgen. Ohnehin war der Tod Habyarimanas nur der austauschbare Anlass für den seit 1992 geplanten Massenmord. Selbst wenn die RPF tatsächlich für den Anschlag verantwortlich war, würde das an der Bewertung des Genozids und der Rolle Frankreichs nichts ändern.