Grün ist der Konsens

Grüner Premier in Lettland

Lettlands EU-Beitritt am 1. Mai beschert der Union ein Novum: einen grünen Premierminister. Seit dem 9. März führt Insuldis Emsis von der Union der Grünen und Landwirte (ZSS) die lettische Regierung an. Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit und andere deutsche Grüne schickten umgehend ihre Glückwünsche nach Riga.

Die ZSS ist eine Listenverbindung von Grünen und Agrariern, die sich vor den Wahlen 2002 zusammentaten, um ihre Chancen auf den Einzug ins Parlament zu erhöhen. Seitdem ist die Mitte-Rechts-Partei mit zwölf von hundert Abgeordneten im lettischen Parlament, dem Saeima, vertreten. Wie einst die deutschen Grünen verfügt die ZSS über drei gleichberechtigte Parteivorsitzende, einer von ihnen ist der Premier selbst. Der Biologe Emsis, der sich schon zu sowjetischen Zeiten als Umweltschützer hervorgetan hatte, bekleidete seit der Unabhängigkeit Lettlands in mehreren Kabinetten den Posten des Umweltministers. Jetzt leitet er außer dem lettischen Fahrradverband auch eine Minderheitsregierung von Parteien der rechten Mitte, geboren aus der Not einer wochenlangen Regierungskrise.

Die vorige lettische Regierungskoalition war Anfang Februar auseinander gebrochen. Der ehemalige Premier Einars Repse, der als Saubermann angetreten war und versprochen hatte, gegen die Korruption in Lettland zu Felde zu ziehen, hatte Immobilienkredite zu ausnehmend günstigen Konditionen in Anspruch genommen. Zuvor hatten die Privatisierung der lettischen Telekom und Repses autoritärer Regierungsstil im Kabinett Missmut erregt.

Staatspräsidentin Vaira Vike-Freiberga war entschlossen, das politische Vakuum umgehend wieder zu füllen, um so kurz vor dem EU-Beitritt Neuwahlen zu verhindern. Obwohl die ZSS beim letzten Urnengang kaum zehn Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, beauftragte Freiberga den Grünen Emsis mit der Regierungsbildung. Er gilt im Unterschied zu seinem Amtsvorgänger als erfahrener und kompromissbereiter Politiker. Man traut ihm zu, den kurzen Weg zum lettischen EU-Beitritt erfolgreich zu beschreiten.

Kompromissbereitschaft ist eine Tugend, die Emsis nun öfter wird einsetzen müssen. Denn das Regierungsbündnis aus Christdemokraten, der konservativen Volkspartei und dem kleinsten Koalitionspartner, seiner eigenen Partei, verfügt nur über 43 von hundert Parlamentssitzen. Einzelne Abgeordnete von Sozialdemokraten, Sozialisten und eingebürgerten Vertretern der russischen Minderheit verschafften dem Grünen die nötige Mehrheit. Sie verhinderten damit, dass die nationalistischen Hardliner der Partei »Für Vaterland und Freiheit« und Repses »Neue Ära« an die Macht zurückkehrten.

Emsis trug der wackligen Basis seiner Regierung Rechnung und verkündete Konsensfähiges. Bessere Lebensverhältnisse wolle man schaffen, und hierzu die von der EU bereitgestellten Finanzmittel wirksam ausnutzen. In Richtung EU ging vergangene Woche Emsis’ Ankündigung, zukünftig Rechtssicherheit und Gewaltenteilung verstärkt durchzusetzen. Auch drängte der neue Premier darauf, die Kontrollen an den lettischen, und damit künftigen EU- Grenzen, zügig auszubauen. In diesem Punkt sind sich der grüne Balte und der deutsche Grüne völlig grün.

ira elbrus