Nachrichten

Voodoo im ABB-Club

USA. Wenn George W. Bush in den kommenden Wochen ein unerklärliches Stechen spürt, könnte das an den ihm nachgebildeten Voodoo-Puppen liegen, die Betty Price auf der Antikriegsdemonstration in San Francisco verkaufte. Wie zahlreiche andere Demonstranten gehört auch sie zum ABB-Club. »›Anybody but Bush‹ ist nicht genug«, meint dagegen Cindy Schwartz, die den demokratischen Kriegsbefürworter John Kerry nicht wählen will. Viele Demonstranten »waren Unterstützer der US-Interventionen in den neunziger Jahren«, meint Christopher Pebble vom Cato Institute, der einen stärkeren Einfluss der Parteipolitik auf die Friedensbewegung befürchtet.

In 300 Städten der USA fanden am Samstag Demonstrationen und Veranstaltungen statt, beim größten Protestmarsch in New York zählte selbst die der Friedensbewegung nicht wohlgesonnene New York Post 100 000 Teilnehmer. Answer und United for Peace & Justice, zwei der wichtigsten Organisatoren, protestierten auch gegen die »koloniale Besatzung« in den palästinensischen Gebieten.

Genosse Boykott

Russland. Gut 70 Prozent der Wählerstimmen hat Wladimir Putin bei den Präsidentschaftswahlen am vorletzten Wochenende eingeheimst. Damit ist er als Präsident bestätigt worden. Die Wahlbeteiligung lag über 60 Prozent dank der Oppositionspolitiker von den Liberalen und den Kommunisten, die sich nicht zu einem Wahlboykott durchringen konnten, um das gesetzlich vorgeschriebene Quorum von 50 Prozent der Wahlberechtigten nicht zu gefährden. Einem Kommentar des russischen Linken Boris Kagarlitzky zufolge gibt es drei Wahlsieger: Putin, an dessen Sieg niemand zweifelte, Nikolai Charitonow von der KP, der den Nationalisten Sergeij Glazjev ausstach, und einen Dritten – den »Genossen Boykott«. Dessen Sieg allerdings sei ein »moralischer Sieg«, von dem Verlierer immer sprechen. Immerhin aber seien die Nichtwähler nun nicht »moralische Geiseln« des Regimes.

Gefälschte Beweise

Ruanda. War es Schlamperei oder eine gezielte Vertuschungsaktion? Der französische Ermittlungsrichter Jean-Louis Bruguière hat in seinem Bericht zum Abschuss des Flugzeuges des ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana am 6. April 1994 nicht nur Paul Kagame, den derzeitigen Präsidenten Ruandas, als Täter beschuldigt (Jungle World, 13/04), sondern auch der Uno vorgeworfen, die Untersuchungen behindert zu haben. Kurz darauf wurde der seit zehn Jahren verschwundene Flugschreiber, den die Uno damals aus Ruanda erhalten hatte, im New Yorker Hauptquartier wieder gefunden. Bei einer Untersuchung stellte sich in der vergangenen Woche jedoch heraus, dass er wahrscheinlich gar nicht aus der abgeschossenen Maschine stammt. Das könnte eine erste heiße Spur sein, denn wer der Uno gefälschtes Beweismaterial unterschob und den echten Flugschreiber verschwinden ließ, kann als Hauptverdächtiger gelten.

Hutu-Extremisten ermordeten nach dem Tod Habyarimanas etwa 800 000 Menschen. Kagame, dessen Guerillaorganisation RPF den Genozid beendete, reagierte auf die Beschuldigungen mit der Ankündigung neuer Enthüllungen, die eine direkte französische Beteiligung am Massenmord beweisen sollen. Frankreichs Außenminister Dominique de Villepin bevorzugt eine andere Interpretation. Er behauptet, die französische Intervention, die im Sommer 1994 den Rückzug der Hutu-Extremisten deckte, habe »hunderttausende Menschenleben gerettet«.

Wolken des Verdachts

Taiwan. Als »eine neue Ära von Solidarität und Harmonie und eine neue Ära für den Frieden in der Meerenge von Taiwan« bezeichnete Chen Shi Bian seinen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen am Samstag. Der Kandidat der Demokratischen Fortschrittspartei wurde mit einem knappen Vorsprung von 30 000 Stimmen wiedergewählt. Sein Sieg wird jedoch von seinem Gegner Lien Chan angezweifelt, auch Demonstranten forderten am Sonntag vor dem Präsidentensitz eine Neuauszählung der Stimmen. Chen Shi Bian war einen Tag vor den Wahlen mit der Vizepräsidentin bei einer Wahlveranstaltung beschossen und leicht verletzt worden. Lien Chan kommentierte, Chens schmaler Vorsprung sei »unter den Wolken des Verdachts« errungen worden. Das höchste Gericht ließ die Urnen versiegeln.

Chen gilt im Gegensatz zu Lien Chan als Befürworter einer stärkeren Eigenständigkeit Taiwans gegenüber China, das die Insel als abtrünnige Provinz betrachtet. Gleichzeitig mit den Wahlen fand ein von Chen unterstütztes Referendum zur Erhöhung des Verteidigungsbudgets und zur gleichzeitigen Aufnahme eines Friedensdialogs mit Peking statt, das aber wegen zu geringer Beteiligung scheiterte.

Oligarchie gegen Impfung

Nigeria. Selbst viele Fundamentalisten sind befremdet. Er sei »sehr erstaunt« über die Ablehnung der Polio-Impfung durch seine nigerianischen Kollegen, erklärte der ägyptische Rechtsgelehrte Sheikh Yusuf al-Qaradawi, denn die Sharia verpflichte sogar dazu, seine Kinder durch Impfungen zu schützen. Ungeachtet aller Proteste und wohlmeinenden Ratschläge bekräftigten die von einer reaktionären islamischen Oligarchie kontrollierten nigerianischen Bundesstaaten Kano und Zamfara in der vergangenen Woche ihre Weigerung, am WHO-Impfprogramm gegen die Kinderlähmung teilzunehmen, weil sie dahinter ein US-Komplott wittern, das muslimische Frauen unfruchtbar machen soll.

In Nordnigeria ist es zu zahlreichen Infektionen gekommen, und durch Reisen und Arbeitsmigration verbreitet sich die Krankheit über West- und Zentralafrika. Die Côte d’Ivoire verzeichnete Ende Februar den ersten Polio-Fall seit vier Jahren und ist das achte afrikanische Land, in dem die bereits ausgerottete Krankheit wieder ausgebrochen ist.