Die neue Dreieinigkeit

Die ägyptisch-israelischen Verhandlungen über den Gazastreifen von jörn schulz

Für Nationalisten kann das Vaterland eigentlich gar nicht groß genug sein. Doch es gibt Gebiete, die sie nicht einmal geschenkt haben möchten.

»Sie können Gaza haben, gleich jetzt«, bot der israelische Ministerpräsident Menachem Begin dem ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat 1978 bei den Verhandlungen in Camp David an. Der aber lehnte dankend ab. Israel behielt den Gazastreifen, und die im Rahmen des israelisch-ägyptischen Friedensvertrages vereinbarten Verhandlungen über eine Autonomielösung scheiterten.

Mehr als ein Vierteljahrhundert später ist das ägyptische Interesse an der ungeliebten Küstenenklave wieder erwacht. Präsident Hosni Mubarak will nach dem israelischen Abzug 200 »Sicherheitsexperten« in den Gazastreifen schicken, um die Polizei der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) auszubilden. Die ägyptische Regierung hat Yassir Arafat aufgefordert, die in zwölf Fraktionen zersplitterten Sicherheitsdienste zu reorganisieren und seinem Kabinett mehr Befugnisse zuzugestehen. Der israelische Außenminister Silvan Shalom bezeichnete Mubaraks Vorhaben als »eine strategische Entscheidung«.

Die Stationierung ägyptischer Offiziere im Gazastreifen bedeutet eine Internationalisierung des Konflikts, die Israel bislang zu verhindern versucht hat. Sie reduziert jedoch die Gefahr, dass Islamisten und nationalistische Extremisten nach dem israelischen Abzug die Macht übernehmen. Dies wäre für Ägypten kaum weniger gefährlich als für Israel, und auch die PA dürfte sich über die Unterstützung durch Mubaraks Militär freuen.

Es wäre ohnehin ein großes Risiko, sich bewaffnet gegen einen Plan zu stellen, der Erleichterungen für die kriegsmüde Bevölkerung im Gazastreifen bringen würde. Da die ägyptische Intervention faktisch eine Verpflichtung ist, die PA notfalls zu verteidigen und Terroranschläge zu unterbinden, wächst auch das militärische Risiko für die palästinensischen Extremisten.

Wie zahlreiche frühere Initiativen kann auch diese scheitern. Doch erstmals hat sich ein arabischer Staat bereit erklärt, in Zusammenarbeit mit Israel Verantwortung für die Sicherheit in einem palästinensischen Gebiet zu übernehmen. Und anders als 1978 in Camp David sind diesmal mit ägyptischer Vermittlung Palästinenser an den Verhandlungen beteiligt.

Es ist vor allem die Sorge vor der Ausbreitung des islamistischen Terrors und der Warlordisierung, die Ägypten, Israel und die PA zu Zugeständnissen bewegen könnte. Das Ergebnis wäre ein autoritäres nationalreligiöses Regime im Gazastreifen, möglicherweise sogar mit Beteiligung der Hamas, die bereits entsprechende Forderungen gestellt hat. Das ist nicht gerade eine ideale Lösung. Doch die Deeskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt könnte im Gazastreifen beginnen, wenn Arafat, Sharon und Mubarak sich zu den notwendigen Kompromissen bereit finden, um einen von ihnen allen gefürchteten Unruheherd zu befrieden.

Auch in Camp David verhandelten 1978 keine Pazifisten. Der ehemalige Islamist und Hitler-Verehrer Sadat blieb zeitlebens ein Antisemit, dennoch bequemte er sich zu einem Friedensvertrag mit Israel. Und Begin verkündete noch während der Verhandlungen: »Meine rechte Hand wird abfallen, bevor ich der Auflösung einer einzigen jüdischen Siedlung zustimme.« Bald darauf erzwang er die Evakuierung der Siedlungen im Sinai.

Unerwartete Unterstützung für diese umstrittene Maßnahme erhielt Begin von einem bereits damals als Hardliner bekannten Politiker namens Ariel Sharon.