Die Pleite macht’s möglich

Der Fantasie des Berliner Senats, wo überall Ein-Euro-Jobs eingerichtet werden könnten, sind keine Grenzen gesetzt. von regina stötzel

Es ist die Zeit, in der Wünsche auf lange Listen geschrieben werden, in der Hoffnung, dass möglichst viele davon in Erfüllung gehen. Auch die Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen hat eine Liste gemacht. Um ein »Arbeitspapier« handele es sich, »keine Liste zum Veröffentlichen«, eine reine »Ideensammlung«, erklärt ihre Sprecherin Brigitte Schmidt. Wie die Aufzählung möglicher Einsatzbereiche der künftigen Ein-Euro-JobberInnen vorige Woche in die Berliner Zeitung gelangen konnte, sei ihr ein Rätsel.

Auch ein Brainstorming vermag aufschlussreich zu sein. Unter den knapp 100 Tätigkeiten ist kaum eine, die nicht erstens bislang Zivildienstleistende ausgeübt hätten oder die GelegenheitsjobberInnen zur Sicherung des Lebensunterhaltes diente, so etwa »Fahr- und Begleitdienste für Behinderte«, »Ergänzende pflegerische Hilfen in Alten- und Pflegeheimen«, »Digitalisierung von Schriftgut« etc. Eine zweite Kategorie umfasst gering geschätzte (»Frauen«-) Tätigkeiten, die zum Teil ehrenamtlich geleistet werden (»Betreuung für Kinder von allein erziehenden Müttern und Vätern«, »Organisation von Nachbarschaftshilfen und Begegnungen« etc.). Erstaunlich auch, drittens, wie viele Bereiche wenigstens eine Ausbildung voraussetzen: »Sozialarbeit in sozialen Brennpunkten«, »Herstellung von Anschauungsmaterial zur Umwelterziehung«, »Aufbereitung von Schulbüchern«. Die vierte Kategorie gibt sich »innovativ«, geht es doch um Tätigkeiten, deren Notwendigkeit erst in jüngster Vergangenheit entdeckt wurde (»integrative Gruppenarbeit mit Senioren und Seniorinnen unterschied-licher Nationalität«, »pädagogische Betreuung bei Computerspielen« etc.). Anderes schließlich zählt schlichtweg zur Kategorie Scheißjob (»Beseitigung wilder Müllablagerungen«).

Etwa gleichzeitig gab der Berliner Senat als erste Landesregierung eine Erklärung zur künftigen Handhabung der Ein-Euro-Jobs ab, gemeinsam mit der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, der Industrie- und Handelskammer, dem DGB und einigen Unternehmens- und Berufsverbänden. Darin steht ungefähr das, was man auch in Papieren der Bundesregierung lesen kann. Die »Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung« sollen »im öffentlichen Interesse« und »zusätzlich« sein sowie reguläre Jobs weder verdrängen noch verhindern.

Das Papier ergänzen einige Details, die nichts kosten, aber einen guten Eindruck machen, wie etwa der Vorsatz, die Qualifikation der EmpfängerInnen von ALG II zu berücksichtigen oder vorrangig andere Maßnahmen zu prüfen, die die Erwerbslosen wieder in Lohn und Brot zwingen sollen. Zu lesen ist auch folgende Bahn brechende Erkenntnis: »Erfahrungsgemäß erhöhen Freiwilligkeit und Wahlmöglichkeit die Motivation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.«

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Carola Freundl, empfiehlt derweil in einer aktuellen Presseerklärung, Ein-Euro-JobberInnen zum Beispiel an Stellen einzusetzen, die »aus den öffentlichen Haushalten ansonsten nicht finanziert werden können«.

Mit der Pleite Berlins wird sich also vermutlich jeder Ein-Euro-Job rechtfertigen lassen. Der Pressesprecher der PDS, Hendrik Thalheim, wird weiterhin klagen können, so lasse sich »nicht ernsthaft die Arbeitslosigkeit bekämpfen«, und der rot-rote Senat, bekannt für seinen ausgeprägten Pragmatismus, hätte auf Kosten der Erwerbslosen ein paar Probleme weniger. Man ist versucht, dem Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS), aus dessen Ressort die Liste mit den neuen Vorschlägen stammt, wissend zuzuzwinkern und anzudeuten, dass viele seiner »Ideen« bald verwirklicht werden könnten.