Ein »Tatort« für die Linken

Sozialgeschichte als Polit-Krimi

Paris im Frühjahr 1980. Tausende von illegalen türkischen Einwanderern beginnen einen Streik. Als Sans Papiers arbeiten sie in den Hinterhöfen der Stadt in unzähligen Schneiderwerkstätten unter erbärmlichen Bedingungen für den Glanz der Modebranche, müssen aber jederzeit mit Razzien und ihrer Abschiebung rechnen. Ihr Anführer ist der junge Türke Soleiman, der in seinem Herkunftsland wegen Mordes gesucht wird.

Während des beginnenden Streiks wird in einem Konfektionsatelier die Leiche einer jungen thailändischen Prostituierten entdeckt. Für Soleiman beginnen harte Tage: Denn er ist nicht nur Organisator des Arbeitskampfes, die französische Polizei hat ihn auch durch Erpressung dazu gebracht, als V-Mann in dem von türkischen Rechtsextremen betriebenen Drogen- und Frauenhandel zu spitzeln. Und damit nicht genug: Er ist auch noch der Geliebte von Kommissar Daquin, der zu ermitteln beginnt. Dennoch wirkt der bereits 1995 in Frankreich erschienene Krimi »Sombre Sentier« von Dominique Manotti nicht überladen, vielmehr gelingt es ihr, ein packendes Stimmungsbild der sozialen und politischen Verhältnisse der Mitterand-Ära zu zeichnen.

»Hartes Pflaster« lautet der Titel des zweiten Bands aus der Serie Noir, der vor wenigen Wochen im Verlag Assoziation A erschienen ist. In dieser Reihe erscheint eine in Frankreich weit verbreitete und erfolgreiche neue Form des Kriminalromans. Darin greifen die AutorInnen reale Kämpfe der Linken auf und wollen zumindest im Krimi daran erinnern, dass die Welt vor gar nicht so langer Zeit als veränderbar begriffen wurde. Seit 1995 hat Manotti 20 Kriminalromane veröffentlicht.

Die in ihrem bürgerlichen Leben als Dozentin für Wirtschaftsgeschichte lehrende Dominique Manotti erzählte bei ihrer Lesung in Berlin, dass die sich als roter Faden durch den Krimi ziehende Geschichte des Streiks der Sans Papiers genauso stattgefunden hat. Sogar Soleiman »gab es wirklich, auch wenn die reale Figur nicht schwul war« und nicht partiell mit den Bullen zusammengearbeitet habe. »Aber er hatte blaue Augen und einen hübschen Hintern«, erinnert sie sich.

Auf 300 Seiten zeichnet Manotti ihre Figuren samt ihren Ambivalenzen sehr genau. »Die Helden sollen keine Identifikationsflächen bieten«, betont sie. Obwohl sie sich beim Schreiben bemühe, die Personen auf Distanz zu halten, »kommen sie einem mit der Zeit immer näher und werden deshalb sympathischer«. Zum Beispiel die Figur des ermittelnden Kommissars Daquin. Auch die Nebenfiguren werden plastisch geschildert, und am Ende staunt der Leser nicht schlecht, welche Figur sich auf welche Seite geschlagen hat.

Der Krimi greift viele der damals aktuellen Themen auf: europaweit agierende Drogen- und Zuhälterringe, erbitterte Kämpfe unter türkischen Rechts- und Linksradikalen im Exil, internationale Waffenhändler und die Geheimnisse der französischen Diplomatie im Nahen und Mittleren Osten. Wenn die Autorin allerdings gegen Ende des Romans auch noch die Geschichte des aus rechtsextremen Kreisen stammenden Papst-Attentäters Ali Agca einführt, dreht sie doch eine Runde zu viel.

christoph villinger

Dominique Manotti: Hartes Pflaster. Verlag Assoziation A, Berlin 2004, 16 Euro