Alles Gute für die Zukunft!

Selbst absagen ist besser fürs Ego als eine Absage erhalten. Die Berliner Absageagentur rät, sich auf dem Arbeitsmarkt nicht unter Wert zu verkaufen. von jessica zeller

Haben Sie es satt, eine Jobabsage nach der anderen zu bekommen? Sich als der auszugeben, der dem »Anforderungsprofil« entspricht? Jung, dynamisch und flexibel zu sein? Die Fragen im schicken Hochglanzflyer, mit denen die Berliner Absageagentur um ihre »Kundinnen« und »Kunden« wirbt, sind wohl eher rhetorisch zu verstehen. Denn das Ziel ist nicht die Suche nach einem Job um jeden Preis, unabhängig davon, ob er weit unter den eigenen Qualifikationen liegt und den eigenen Interessen zuwiderläuft. Stattdessen soll die alltägliche Praxis vieler Arbeitssuchender umgekehrt werden.

Unter dem Motto: »Verkaufen Sie sich nicht unter Wert – sagen Sie lieber gleich ab!« suchen sich Arbeitslose, aber auch Lohnabhängige, die mit ihrer Arbeit unzufrieden sind, ein Stellenangebot aus, das sie etwa wegen schlechter Bezahlung oder miserablen Arbeitsbedingungen nicht annehmen wollen. Anschließend schreiben sie eine persönliche Absage oder verwenden einen von der Agentur formulierten Text. Dort heißt es dann – in Anspielung auf die von den Unternehmen verwendeten Standardformulierungen: »Ich danke Ihnen für die Ausschreibung oben genannter Stelle. Nach sorgfältiger Prüfung Ihres Angebotes muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ich die angebotene Stelle nicht antreten werde. Ich bedauere, Ihnen keine günstigere Nachricht geben zu können und wünsche Ihnen und Ihrem Unternehmen für die Zukunft alles Gute.«

Thomas Klauck, der gemeinsam mit Katrin Lehnert das Projekt initiiert hat, sagt über seine Beweggründe: »Letztes Jahr war ich selbst in dieser Lage: Sozialhilfeempfänger und gezwungen, 20 Bewerbungen pro Monat zu verschicken. Die Antwort war eine standardisierte Absage oder manchmal auch gar nichts. Klar, die meisten Stellen waren mir egal, aber manche eben auch nicht. Dann nimmt man Absagen eben auch persönlich, ob man will oder nicht. Dem wollte ich etwas entgegensetzen.« Katrin Lehnert, derzeit noch Studentin, ergänzt: »Ich sehe das bei allen meinen Freunden, die gerade auf Arbeitssuche sind. Theoretisch ist ihnen bewusst, dass es nichts mit ihnen zu tun hat, wenn sie keinen Job finden. Aber trotzdem, je mehr Absagen sie auf ihre Bewerbungen bekommen, umso wertloser fühlen sie sich. Die Absageagentur soll sie aus der Defensive locken und sie dazu anregen, sich ihres eigenen Wertes wieder bewusst zu werden.«

Darüber hinaus geht es bei der Absageagentur um die Kritik an einer Gesellschaft, die den Wert eines Menschen nur über die Lohnarbeit definiert: »Momentan ist doch der Diskurs so: Alle müssen arbeiten, obwohl nicht genug Arbeit für alle da ist. Und wer sich richtig anstrengt, schafft es auch. Aber geht es denn darum? Wollen wir nicht eigentlich etwas ganz anderes? Leben und Arbeit vereinbaren oder vielleicht gar nicht arbeiten, jedenfalls nicht für Lohn arbeiten?« fragt sich Thomas Klauck.

Um diese Fragen zu diskutieren und einen Treffpunkt für alle »Absagerinnen« und »Absager« zu haben, öffnet das Projekt, das derzeit nur im Internet zu erreichen ist, am 1. April für sechs Wochen ein Büro in der Falckensteinstraße 31 in Berlin-Kreuzberg.

Hier kann man Zeitungen nach aktuellen Stellenanzeigen, sprich Absagemöglichkeiten, durchsuchen, sich »professionell« beraten lassen oder einfach nur mit Gleichgesinnten ein Bier trinken. Jeden Mittwochabend werden Filme zum Thema »Arbeit« bzw. »Nichtarbeit« gezeigt. Außerdem werden bereits verschickte Absagen und die Antworten der Unternehmen ausgestellt. Deren Reaktionen sind nämlich ähnlich originell wie die Absagen: »Es hat kein Angebot von unserer Seite vorgelegen. Wir bitten, dies zu überprüfen.«

www.absageagentur.de