Wenigstens zu Hause gesiegt

Präsident Bushs Außenpolitik wird auch von engen Verbündeten kritisiert. Doch in den USA selbst konnten die Republikaner nach dem 11. September 2001 ihre Macht festigen. von william hiscott

Die Leute, die diese Gebäude zerstörten, werden bald von uns allen hören.« Als Präsident George W. Bush am 14. September 2001 am noch rauchenden »Ground Zero« des World Trade Center nach Vergeltung rief, war eines klar: nämlich, dass die damals nocht recht neue US-amerikanische Regierung auf diesen beispiellosen Terroranschlag alles andere als verhalten reagieren würde.

Bald wurde auch deutlich, dass sich der war on terror nicht allein gegen al-Qaida richten würde. Von regime change war die Rede, Bush stellte angebliche und tatsächliche staatliche Helfer der islamistischen Terrorgruppe als die eigentliche Gefahr dar, und seine Regierung erarbeitete Pläne zur Umgestaltung des Nahen und Mittleren Ostens. Ein schneller Sieg des US-Militärs im Irak mit einer Strategie, die als shock and awe (»Schock und Schrecken«) bezeichnet wurde, sollte die Demokratisierung der Region einleiten und den USA freundlich gesinnte Regierungen an die Macht bringen.

Diese außenpolitische Doktrin ist weiterhin gültig. Unklar blieb von Anfang an, wie mit jenen Regimes verfahren werden soll, die proamerikanisch, aber nicht demokratisch sind. Fünf Jahre später kann von einem Erreichen der Ziele nicht die Rede sein, die Kriege im Irak und in Afghanistan sind noch nicht beendet. Selbst engste Unterstützer Bushs wie William F. Buckley Jr., der Nestor des US-Konservatismus, betrachten die Außenpolitik im Nahen und Mittleren Osten als so gut wie gescheitert. Der Präsident behilft sich mit Durchhalteparolen und Appellen an den Patriotismus, doch die Mehrheit der Bevölkerung glaubt nicht mehr an baldige Erfolge im Irak.

Bush ist dennoch kein gescheiterter Präsident, denn innenpolitisch war seine republikanische Regierung seit dem 11. September 2001 recht erfolgreich. Sie konnte den Trend zum Konservatismus nach den Anschlägen nutzen, gewann die Wahlen in den Jahren 2002 und 2004 und beherrscht beide Kammern des Parlaments. Diese Dominanz nutzten die Republikaner, um ihre Klientel zufrieden zu stellen.

Die wirtschaftliche Oligarchie, unter der auch die wichtigsten Geldgeber der Partei zu finden sind, wurde mit außergewöhnlichen Steuersenkungen beglückt. Die Deregulierung war so weitgehend, dass selbst Wirtschaftsliberale wie der ehemalige Präsident der Notenbank, Alan Greenspan, öffentlich ihre Beunruhigung äußerten. Ihnen bereitet es Sorgen, dass die Regierung auf Einnahmen von mehreren hundert Milliarden Dollar verzichtet, während sich das ohnehin gewaltige Staatsdefizit durch die wachsenden Militärausgaben weiter vergrößert. Sonderlich einflussreich sind die Fiskalkonservativen jedoch nicht, zu groß ist die Freude der Millionäre und Milliardäre über höhere Renditen.

Belohnt wurde auch die christliche Rechte. Viele Evangelikale hatten sich zwar mehr erhofft, die Ziele in dem von ihnen ausgerufenen »Kulturkrieg« gegen die säkulare Öffentlichkeit und die liberale Gesellschaft konnten sie nicht annähernd erreichen. Dennoch haben sie von der republikanischen Kontrolle über die Institutionen profitiert. Bush besetzte zwei frei gewordene Posten im Obersten Gericht, das darüber entscheidet, ob neue Gesetze verfassungsgemäß sind, mit christlich-konservativen Juristen. Im Kampf gegen die Homo-Ehe konnte die christliche Rechte seit dem 11. September enorme Erfolge verbuchen, der Präsident selbst befürwortet sexuelle Abstinenz als Maßnahme gegen Teenagerschwangerschaften und Aids.

Viele US-Amerikaner sehen eine Stärkung der christlichen Werte als richtige Antwort auf die Anschläge vom 11. September. Obwohl es nicht ganz der offiziellen Doktrin entspricht, betrachten ultrapatriotische Christen Bushs Außenpolitik als Beginn eines »Kriegs der Kulturen« gegen den Islam und fordern, nun auch den Iran anzugreifen.

Der Konservatismus, der in den USA eine nach Millionen zählende Massenbewegung ist, war für Bush sehr wichtig. Doch er vernachlässigte auch die kleine, aber einflussreiche Gruppe der Lobbyisten nicht. Prächtig lief bis zum Frühjahr dieses Jahres das klientelistische »K-Street Project« der Republikaner, benannt nach der Straße in Washington, an der die einflussreichsten Lobbyisten ihre Büros haben.

Das »K-Street Project« gab es bereits zuvor, doch nach dem Regierungsantritt von Bush konnten die Lobbyisten häufig selbst die Gesetzesvorlagen schreiben, da die Zustimmung des Präsidenten von vorneherein sicher war. Nach einer Reihe von Skandalen und Enthüllungen in den Medien musste Tom DeLay, der Koordinator der Kampagne, von seinem Posten als Mehrheitsführer im Abgeordnetenhaus zurücktreten. Zumindest bis zu den Kongresswahlen im November müssen die Lobbyisten nun zurückhaltend agieren, doch am politischen Stil der Republikaner dürfte das nichts ändern.

Das Ansehen der Regierung scheint durch die Skandale und die steuerliche Privilegierung der reichsten US-Bürger recht wenig gelitten zu haben, obwohl sich die soziale Lage für die Mehrheit der Bevölkerung verschlechtert hat. Die Mittelschicht schrumpft, die Reallöhne sinken, und immer weniger US-Amerikaner haben eine reguläre Kranken- und Rentenversicherung. Die Lebenshaltungskosten sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen, auch für Benzin und Heizöl müssen mittlerweile »europäische« Preise bezahlt werden.

Der war on terror ist immer wieder eine willkommene Rechtfertigung, nicht zuletzt für den Abbau von Bürgerrechten seit dem 11. September 2001, der von den meisten US-Bürgern grundsätzlich akzeptiert wird. Fast schon harmlos erscheint der noch im Jahr der Anschläge verabschiedete Patriot Act, verglichen mit den Überwachungsmaßnahmen der US-Geheimdienste im Telekommunikations- und Bankenwesen. Auch wenn einige Bestimmungen von Gerichten für illegal erklärt wurden, hält die Regierung an ihnen fest. Mit dem Department of Homeland Security (DHS) hat Bush einen gewaltigen bürokratischen Apparat geschaffen, der jedoch so ineffektiv ist, dass er die Bürgerrechte kaum bedroht. Die Umstrukturierung beim Aufbau des DHS führte allerdings dazu, dass einige Institutionen ihre Handlungs­fähigkeit weitgehend verloren. So war Fema, die Behörde für Katastrophenschutz, nicht dazu in der Lage, den vom Hurrikan Katrina Geschädigten schnell und effektiv zu helfen.

Auch das Versagen nach der Sturmkatastrophe hatte erstaunlich geringe Folgen für die Regierung. Der war on terror dominiert seit fünf Jahren die Politik des Landes. Dies ist vielleicht die schlimmste Entwicklung seit dem 11. September 2001, denn die Regierung sieht sich im Besitz eines Allzweckarguments gegen die Opposition und schreckt nicht davor zurück, selbst der wahrlich nicht radikalen oder pazifistischen Demokratischen Partei die Legitimität abzusprechen.

Wenn der stellvertretende Präsident Dick Cheney die Demokraten als »Weichlinge« und »eine Gefahr für die Nation« bezeichnet und die New York Times von der rechten Bestseller-Autorin Ann Coulter als »bin Ladens beste Unterstützerin« abgestempelt wird, kann keine rationale Diskussion stattfinden. Mit einer solchen Strategie wollen die Republikaner die Kongresswahlen im November gewinnen, und es ist möglich, dass die Kampagne shock and awe erfolgreich sein wird.