Die Herren der Steckdosen

Weil die Energieunternehmen immer mehr Profite machen, steigen die Strompreise. Um das zu ändern, müssen die Energienetze vergesellschaftet werden. von heiko balsmeyer

Freiheit« sollte die Liberalisierung des Strommarktes mit sich bringen, und niedrigere Preise. Stattdessen sind die Strompreise in den vergangenen fünf Jahren um etwa ein Drittel gestiegen, und von mehr »Freiheit« kann keine Rede sein. Die Dividende der Liberalisierung haben offenbar die Energiekonzerne eingestrichen. Das Murren und Klagen, insbesondere des industriellen Kapitals, wird lauter, und die Politik beginnt sich zu regen.

Den deutschen Strommarkt beherrscht ein Oligopol. Es besteht aus den vier großen Energieunternehmen Eon, RWE, Vattenfall und Energie Baden-Württemberg (EnBW). Vattenfall ist ein schwedischer Staatskonzern, EnBW ist teilweise im Besitz des französischen Atomkonzerns Electricité de France. Diese vier Stromkonzerne besitzen das Hochspannungsnetz, betreiben Kraftwerke – alle vier auch Atomkraftwerke – und sind an den Stadtwerken beteiligt, die für den Vertrieb ihres Stromes sorgen. Allein die beiden Konzerne Eon und RWE teilen sich zwei Drittel des Marktes, zusammen mit Vattenfall und EnBW sind es mehr als drei Viertel.

Die Liberalisierung der europäischen Energiemärkte seit den neunziger Jahren sollte die Preise für Strom und Gas senken. Mit geringeren Energiepreisen sollten wiederum die Standortbedingungen für Unternehmen verbessert werden, da für viele die Energie ein wichtiger Produktionsfaktor ist. Die bis dahin bestehenden Gebietsmonopole wurden abgeschafft mit dem Ziel, dass die Verbraucher ihre Anbieter frei wählen könnten. Doch die Stromkonzerne verstanden es, ihre Position auch unter den neuen Rahmenbedingungen zu stärken. Sie kauften im Inland Stadtwerke, in anderen Län­dern, vor allem in Osteuropa, ganze Energieunternehmen einschließlich der Energienetze. So versucht Eon derzeit mit allen Mitteln, den spanischen Stromversorger Endesa mit aktiver Hilfe der EU-Kommission gegen den Widerstand der spanischen Regierung zu übernehmen. Sollte dies gelingen, würde Eon zum weltweit größten Strom- und Gaslieferanten mit einem Jahresumsatz von 75 Milliarden Euro werden.

Zudem profitierten die großen Energie­un­ter­neh­men davon, dass politische Regu­lierungen seit 1998 aufgehoben wurden. So durften die Unternehmensverbände Be­dingungen und Preise für die Nutzung der Stromnetze selbst festlegen. Das Oligopol stellte Bedingungen für den Zugang zu sei­nem Netz und verhinderte auf diese Weise erfolgreich, dass andere Anbieter auf den Markt gelangen konnten. Als Reaktion darauf wurde in diesem Jahr, unter dem Druck der EU-Kommission, die Kontrolle der Netzpreise auf die Bundesnetzagentur übertragen. Diese soll für sinkende Preise bei der Netznutzung sorgen.

Die Stromkonzerne begründen die Notwendigkeit der Preiserhöhungen mit den Kosten des Emissionshandels, dem hohen Preis für Strom an der Leipziger Strombörse sowie dem Anstieg der Preise für Öl und Gas. Wie stichhaltig sind diese Begründungen?

Die Zertifikate für den Handel mit Klimazerstörungsrechten wurden an die Unternehmen kostenlos ausgegeben. Sie können ihnen daher keine Kosten verursachen. Wegen der üppigen Ausstattung der Unternehmen mit diesen Zertifikaten gibt es keinen Markt dafür (Jungle World, 15/04), und die entsprechenden Handelspreise können von den Konzernen beliebig manipuliert werden. Die Emissionzertifikate können die gestiegenen Preise daher nicht erklären.

Auch die Preise an der Leipziger Strombörse EEX haben mehr mit Manipulation und Finanzspielchen als mit der realen Stromversorgung zu tun. An der Börse werden nur etwa zehn Prozent des Stroms gehandelt, die Börsenpreise werden von den großen Energieunternehmen aber trotzdem als Preisindikator für die Gesamtmenge genommen. Das kritisiert auch Matthias Kurt, der Präsident der Bundesnetzagentur: »Wegen des großen Anteils langfristiger Verträge kann man nicht so tun, als würden die Einkaufspreise der Versorger allein über die kurzfristigen Bewegungen an der Börse diktiert.«

Die erhöhten Preise für Öl und Gas können allenfalls zu einem geringen Teil als Argument für die gestiegenen Strompreise herhalten. Öl wird in deutschen Kraft­werken nicht zur Stromerzeugung verbrannt. Jedoch ist der Gaspreis üblicherweise vertraglich an den Ölpreis gekoppelt. Hier besteht also ein gewisser Zusammenhang mit den gestiegenen Preisen. Der Energiekonzern Eon ist aber aufgrund der Beteiligung seines Tochterunternehmens Ruhrgas an der russischen Gazprom auch Lieferant des Brennstoffs. Höhere Profite des Gaslieferanten kommen somit anteilig Eon selbst zugute. So praktizieren das auch andere Energiekonzerne. Dies stellt einen ökonomischen Anreiz für die Konzerne dar, ins Gasgeschäft einzusteigen oder es weiter zu intensivieren. Eon hat sich beispielsweise im Juli einen Anteil von 25 Prozent am sibirischen Gasfeld Yushno Russkoje gesichert.

Die Argumente der Stromkonzerne dienen also lediglich zur Legitimation der überhöhten Preise, die sehr einfach mit der Steigerung ihrer Profite zu erklären sind. Das Unternehmen Eon konnte im ersten Halbjahr seinen Umsatz im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr um 31 Prozent auf 36,9 Milliarden Euro steigern und erzielte damit einen um 13 Prozent höheren Gewinn in Höhe von 4,8 Milliarden Euro. RWE kassierte im gleichen Zeitraum einen Nettogewinn von 1,66 Milliarden Euro, was einer Steigerung um 16 Prozent entspricht. Aribert Peters, der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher, glaubt, die Extraprofite genau beziffern zu können: »Die deutsche Stromwirtschaft belastet seit Jahren Wirtschaft und Verbraucher mit Strom- und Gaspreisen, die um 26 Milliarden Euro über einem angemessenen und fairen Niveau liegen.« Es ist allein die ökonomische und politische Macht der Stromkonzerne, die ihnen die stetige Erhöhung ihrer Profite ermöglicht.

Mittlerweile scheinen einige Politiker willens zu sein, an der derzeitigen Lage etwas zu ändern. In der vergangenen Woche forderte der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU): »Das Bundeskartellamt soll die Stromkonzerne zwingen können, einen Teil ihrer Kraftwerke an Dritte zu verkaufen. So könnte die Zahl der Stromproduzenten in Deutschland so weit steigen, dass wirksamer Wettbewerb und eine wettbewerbliche Preisbildung zu erwarten sind. Dies ist Voraussetzung für eine Entlastung der privaten und gewerblichen Stromverbraucher.« Seine Kritik geht jedoch am Kern des Problems vorbei.

Um die Macht der Energiekonzerne zu brechen, die Energiepreise zu senken und eine dezentrale Energieversorgung mit erneuerbaren Energien zu ermöglichen, wird es notwendig sein, die Energienetze zu vergesellschaften. Der energiepolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Hans-Kurt Hill, fordert immerhin eine Verstaatlichung der Netze. Damit wäre zwar die Eigentumsform geändert, aber die gesellschaftliche Kontrolle nicht gesichert. Warum sollte ein staatliches Netz nicht weiterhin den Monopolinteressen folgen? Notwendig ist die radikale Demokratisierung der Netze, um den unterschiedlichen Zielen ihres Umbaus gerecht werden zu können. Eine kostenlose Grundversorgung, die Verfügung über Technologien erneuerbarer Energien oder die Planung des dezentralen Umbaus des Netzes erfordern eine Institution der Gesellschaft – nicht des Kapitals, nicht des Staats.