Ärzte aller Länder, kommt zu uns!

Während EU-Regeln für Arbeitsmigration noch auf sich warten lassen, versucht Schweden, sich als attraktives Einwanderungsland für qualifiziertes Personal zu profilieren. von bernd parusel, stockholm

Einer Ende Oktober veröffentlichten Umfrage zufolge sucht im weltweiten Durchschnitt fast jedes dritte Unternehmen nach qualifiziertem Personal, findet aber keines. Am deutlichsten ist der angebliche »Mangel an Talenten« in den USA sowie in Japan und anderen asiatischen Ländern. Aber auch in Europa sagen zwischen zwölf und 23 Prozent der befragten Arbeitgeber, sie hätten im zurückliegenden Halbjahr keine geeigneten Bewerber gefunden. In Großbritannien und Österreich liegt der Anteil bei 23 Prozent, in Deutschland und Schweden jeweils bei 16 Prozent. Erwünscht sind beispielsweise gut ausgebildete Computerfachleute, Ärzte und Ingenieure.

Die EU-Kommission hat bereits im Frühjahr 2005 ein »Grünbuch über ein EU-Konzept zur Verwaltung der Wirtschaftsmigration« herausgegeben. Damit wollte sie eine Debatte darüber eröffnen, ob sich Europa gegenüber Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten öffnen solle, welche Engpässe auf dem Arbeitsmarkt es jeweils zu beheben gelte und wie gemeinsame EU-Regeln zur Anwerbung von Arbeitsmigranten aus »Drittstaaten« aussehen könnten. Abgesehen von einigen neuen EU-Mitgliedern in Mittel- und Osteuropa zeigten sich die meisten Regierungen aufgeschlossen. Unklar ist jedoch unter anderem, ob die EU gemeinsam handeln oder ob jedes Land selbst entscheiden soll, welche Berufsgruppen unter welchen Bedingungen angeworben werden können.

Die neue konservativ-liberale Regierung in Schweden plant nun, unabhängig von den Entscheidungen in der EU tätig zu werden. Im Jahr 2007 soll ein Gesetz erarbeitet werden, das Wirtschaftsmigration aus Ländern außerhalb der EU ermöglicht. Ende Oktober präsentierte die ehemalige stellvertretende Ministerpräsidentin Lena Hjelm-Wallén, eine Sozialdemokratin, einen Bericht mit dem Titel »Arbeitskrafteinwanderung nach Schweden – Vorschlag und Konsequenzen«. Er sieht vor, dass Arbeitgeber, die Stellen zu besetzen haben, sich zunächst an schwedische Arbeitssuchende und EU-Bürger wenden. Wenn nach einer gewissen Frist kein geeigneter Kandidat gefunden ist, kann auch ein Bewerber aus einem Nicht-EU-Land angeworben werden. Er erhält dann ein Aufenthaltsrecht für 24 Monate, das bei Bedarf um weitere 24 Monate verlängert werden kann. Danach gibt es eine unbefristete Arbeitserlaubnis.

Um potenziellen Arbeitsmigranten den Umzug nach Schweden schmackhaft zu machen, sollen sie auch ihre Familie mitbringen dürfen. Dies könne Schweden einen »Konkurrenzvorteil« gegenüber restriktiveren Ländern geben, sagte Lena Hjelm-Wallén bei der Vorstellung des Berichts. Angesichts der nicht weit verbreiteten Landessprache und des Klimas könnte es Schweden ansonsten schwer fallen, diejenigen anzulocken, die am besten qualifiziert sind, befürchtet sie.

Die Chancen auf eine Realisierung der Vorschläge stehen gut. Die konservativen Regierungsparteien sind ebenso für eine gezielte Anwerbung von Arbeitskräften wie die Opposition. Die Gewerkschaften befürchten zwar, dass Unternehmen die Anwerbung im Ausland dazu missbrauchen könnten, das Lohnniveau zu drücken. Sollte dies jedoch ausgeschlossen werden und sollten für Migranten die gleichen Bedingungen gelten wie für Schweden, ist man verhandlungsbereit.

Eine mögliche Öffnung gegenüber Arbeitssuchenden aus Nicht-EU-Staaten bedeutet indes keine insgesamt liberalere Migrationspolitik. Flüchtlinge und Asylbewerber und deren möglicher Beitrag zur Ökonomie kommen in der Debatte nicht vor. Arme Schlucker, die ohne einen Arbeitsvertrag in der Tasche versuchen, nach Europa zu kommen, will man auch im Norden nicht haben. Es geht schließlich nicht um Menschenrechte, sondern darum, wen Unternehmer und Politiker für nützlich erachten und wen nicht.