Tel Avivo

Sex, Drugs, Hapoël
Von

Der italienische Fußballverein aus Livorno hat eine sehr linke Fan-­Szene. Als ich dort vor zwei Jahren im Ultra-Block ein Spiel verfolgte, wurde ich von Menschen mit Stalin-T-Shirts und Palästina-Fahnen genötigt, zwei Stunden lang die Internationale, »Bella Ciao« und »Bandiera Rossa« zu singen; wer nicht mitsang, wurde zumindest sehr grimmig angeguckt. Und weil die Livorno-Fans vor dem Spiel bereits mit den ausgehebelten Klotüren des Stadions erfolgreich die Polizei hinausgeprügelt hatten, wollte ich mich nicht mit denen anlegen.

Ich war also auf einiges gefasst, als ich Mitte voriger Woche zum Uefa-Cup-Spiel von Hapoël Tel Aviv gegen die Glasgow Rangers im Bloomfield-Stadion im Süden Tel Avivs ging. Denn auch der alte Arbeiterverein Hapoël hat eine sehr linke Ultra-Szene, so sagte man mir, und wer nicht in der Vereinsfarbe Rot auflaufe, gelte schon als verdächtig.

Die Atmosphäre war dann aber sehr entspannt und fröhlich. Unter einer riesigen Hammer-und-Sichel-Fahne reichte es völlig aus, dass ich eine Hapoël-Mütze aufsetzte. Aber in der Tat, die anderen waren alle in Rot. Rote Shirts, Schals, Mützen, Fahnen, und der halbnackte Ober-Einheizer hatte auf seinem Rücken groß die Aufschrift »Red or Dead« tätowiert. Palästina-Fahnen gab es jedoch nicht, und auch keine Stalin-Porträts. Dafür Che Guevara und ein riesiges Trans­parent mit der Aufschrift »Hasta la victoria siempre«. Statt der Internationale haben die Hapoël-Fans für jeden Spieler ihrer Mannschaft eine eigene Hymne, die sie vor dem Anpfiff allesamt durchsangen. In der zweiten Hälfte des Spiels ließ die Performance allerdings deutlich nach.

Zwar hatte das Spiel kaum Bundesliga-Niveau, doch die Hapoël-Fans können es mit den Fans jedes deutschen Vereins aufnehmen, die Schotten waren im Grun­de kaum wahrnehmbar. Das lag natürlich daran, dass nur ein paar hundert von ihnen angereist waren. Für eine eigene Kurve reichte es nicht, sie bekamen ein Stück der Tribüne. Aber für israelische Verhältnisse ist das schon nicht schlecht. Denn dass die Uefa überhaupt Spiele in Israel ausrichten lässt, ist ja eher die Ausnahme. Meistens müssen die Israelis ihr Heimspiel im Ausland austragen. Dass sich auswärtige Fans nach Israel trauen, scheint nach wie vor die Ausnahme zu sein.

Das 1:0 war ein Freistoßtreffer der Tel Aviver kurz vor der Pause. Das 1:1 nach dem Wiederanpfiff verdankten die Schotten dem Umstand, dass die Abwehr und der Torwart der Israelis physisch und gedanklich gerade komplett abwesend waren. Das 2:1 konnte ich nicht richtig sehen, weil ein Transparent mit der Aufschrift »Sex – Drugs – Hapoël Tel Aviv« mir die Sicht versperrte. Gut jedenfalls, dass ich nicht mein gelbes T-Shirt mit der Aufschrift von Maccabi Tel Aviv angezogen hatte. Denn Maccabi und alles, was gelb ist, ist bei den Hapoël-Fans wesentlich unbeliebter, als es die Glasgow Rangers sind. Es gab im Stadion Schals mit der Aufschrift »100 Prozent Anti-Maccabi« zu erwerben, und am Ende grölten die Fans »Maccabi Nazi«.

Das Spiel endete mit dem 2:1, und das verdient. Das lag nicht gerade an der Stär­ke der Israelis, denn von einer solchen konnte kaum die Rede sein, aber die Schotten waren einfach noch schlech­ter. Vielleicht gehe ich nächste Woche doch mal zu Maccabi.

ivo bozic