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Unverkrampft singen

Die deutsche Superhymne. Sie betreiben ein »freies Kunstprojekt, emanzipiert von so Banalitäten wie Politik und Ideologie«. Sie wollen »Tränen, Poesie und Liebe«. Nun ja, Tränen lachen könnte man schon angesichts des Unterfangens »Deutschland sucht die Super­hymne«.

Den Machern des Projekts ist unangenehm aufgefallen, dass die Deutschen ihre Nationalhymne nicht wirklich beherzt aus voller Brust singen. Und sie wissen auch, warum: Die Hymne wurde »in der Nazizeit mit üblen Assoziationen aufgeladen«. Das finden die Künstler schade. Während der Fußballweltmeisterschaft lief doch alles so schön unverkrampft.

Deshalb haben sie einen Wettbewerb ausgerufen, in dem die beste »Superhymne« für Deutschland gekürt werden soll. Bis zum vorigen Sonntag konnte das Publikum die Finalisten wählen. Die Endausscheidung findet im Juli statt. Ein Kandidat singt Bertolt Brechts »Kinderhymne«. Die Prunx singen von »Anarchie«. Einer hat ein Lied in halb spanischem Kauderwelsch gedichtet. Eine Musikerin fragt: »Warum gibt es Krieg?«

Bei dem Wettbewerb geht es so kunterbunt zu wie auf dem Berliner Karneval der Kulturen oder auf einer Friedensdemonstration. Man muss den Organisatoren zustimmen. All das hat mit Politik oder Ideologie nichts zu tun. Aus der »Superhymne«, egal welche gewinnen wird, plärrt einen die Verblendung höchsten Grades an. (mst)

Crash Test Dummies

Chinesische Limousine. Die Chinesen, so wird allenthalben gewarnt, seien im Kommen. Und allzu häufig erschallt der patriotische Appell, doch in die Hände zu spucken für die deutsche Wirtschaft, den Aufschwung und das Bruttosozialprodukt, um der gelben Gefahr Herr zu werden.

In der deutschen Automobilindustrie dürfte man eine Meldung in der vergangenen Woche mit großer Genugtuung vernommen haben. Die Limousine Brilliance BS6, ein chinesisches Produkt, das für den europäischen Markt vorgesehen ist, hat in den Crashtests einen Totalschaden davongetragen. Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC), ein glänzendes Beispiel des deutschen Vereinswesens, hat den Wagen Zusammenstößen sowohl von der Seite als auch von vorn unterzogen. Insassen hätten wirkliche Unfälle in dem Auto entweder nicht überlebt oder wären auf äußerst unannehmliche Art eingeklemmt worden.

Da müssen sich die chinesischen Hersteller wohl noch ein Beispiel an den Limousinen von Mercedes-Benz nehmen. Sie zertrümmern bei einem Zusammenstoß zwar ohne weiteres andere Fahrzeuge, in ihrem Innern genießt man aber ein hohes Maß an Sicherheit. Fast so wie in deutschen Panzern. (mst)

Reconquista im Kino

Spanischquote. Nicht nur Wolfgang Thierse (SPD) und Antje Vollmer (Grüne) treibt die »Allmacht des amerikanischen Kulturimperialismus« um. Auch die sozialdemokratischen Genossen in Spanien sehen sich anscheinend von US-amerikanischem Schund überflutet.

Bereits die vorangegangene, konservative Regierung des Landes hatte ein Gesetz erlassen, das die Kinobetreiber dazu verpflichtete, mindestens ein Viertel des Programms mit spanischen Filmen zu bestreiten. Die derzeitige sozialdemokratische Regierung hat die Regelung in der vergangenen Woche erneuert. Nur so könne das spanische Kino angesichts der Vorherrschaft der US-Produktionen gefördert werden, sagte die Kulturministerin Carmen Calvo.

Tausende Kinos im ganzen Land haben aus Protest gegen das Gesetz und seine Neuauflage in der vergangenen Woche gestreikt. Nach Angaben des Verbands der spanischen Kinobetreiber hat das Gesetz in den vergangenen Jahren zu einem Verlust von einer Milliarde Euro geführt. Nur etwa fünf Prozent der Zuschauer interessierten sich für spanische Filme. Das kann man verstehen. Von Pedro Almodóvar oder Carlos Saura hat man irgendwann einfach genug. (mst)

Nicht mit der Gema!

Pech für Youtube. Wer schon einmal mit der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) zu schaffen hatte, weiß: Sie ist unerbittlich. Mag eine Veranstaltung auch noch so klein sein und an einem noch so entlegenen Ort stattfinden, der Gema entgeht sie nicht. Sie wird den Veranstalter aufspüren, ihm die berüchtigten Formulare zusenden und die anstehende urheberrechtliche Abgabe abnötigen.

Doch auch so genannte Big Players haben arge Nöte mit der Gesellschaft. Das Videoportal Youtube hat in der vergangenen Woche in Brasilien, Frankreich, Irland, Italien, Japan, den Niederlanden, Polen, Spanien und Großbritannien regionale Internetangebote in der jeweiligen Landessprache eingeführt. Der deutsche Markt bleibt dem Unternehmen in dieser Hinsicht verschlossen. Die Gema hat das Angebot von Youtube abgelehnt, die anfallenden Gebühren mit einer Pauschalzahlung zu begleichen und so die Nutzer des Portals, die urheberrechtlich geschütztes Material verwenden, von Forderungen frei zu halten. Tja, meine Herren aus Übersee, die Gema ist eben eine wahrhaft deutsche Institution. So eine lässt es nicht einfach zu, dass sich ein US-amerikanischer Großkonzern auf dem deutschen Markt breit macht. (mst)

Diagnose Tod

Professor Brinkmann. In den Achtzigern blickten Millionen Deutsche auf den Schwarzwald. Denn im Glottertal kurierte Klausjürgen Wussow in der Rolle des Professor Brinkmann kranke Herzpatienten und Krankenschwestern mit Herzeleid in der »Schwarzwaldklinik«. Wer sich ein Bild der Regierungszeit Helmut Kohls und der Achtziger machen möchte, riskiere noch einmal einige Blicke in die Folgen der Serie. Provinziell und urgemütlich geht es zu. Immer mittendrin: Klausjürgen Wussow als erhabene, aber dennoch überaus menschelnde Respektsperson Professor Brinkmann.

In der vergangenen Woche starb der Schauspieler im Alter von 78 Jahren. Die Arztfigur war die Rolle seines Lebens. Vielleicht wird am Grab die Titelmelodie der »Schwarzwaldklinik« gespielt, »Professor Brinkmann« in den Grabstein gemeißelt. Dann müsste Wussow einem wirklich leid tun. (mst)