Der Kuckuck und der Arbeitnehmer

Die SPD hat 2008 zum »Jahr der Arbeitnehmer« ernannt. Kommentar von regina stötzel

Über den Kuckuck, den Vogel des Jahres 2008, schreibt der Naturschutzbund Deutschland, er sei »vielerorts verschwunden, weil sein Lebensraum verloren geht«. Der Bestand des populären Zugvogels sei um 20 bis 30 Prozent gesunken.

Dass die Fraktion der SPD im Bundestag das Jahr 2008 zum »Jahr der Arbeitnehmer« erklärt hat, dürfte weniger mit der Gefahr des Aussterbens jener Spezies zu tun haben. Über 40 Millionen Exemplare wurden kürzlich gezählt, so viele wie »noch nie zuvor in der Geschichte unseres Landes«, schwärmte der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt.

Die Population muss sich aus anderen Gründen in einem sehr bedauernswerten Zustand befinden, wie sich aus der auffälligen Häufung von Mitleidsbekundungen schließen lässt. So plädierte Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) dafür, den Lohnabhängigen ein paar Körner hinzuwerfen: »Die Arbeitnehmer haben es verdient, dass sie 2008 mit deutlichen Lohnerhöhungen ihren fairen Anteil am Aufschwung erhalten.« Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Peter Struck, kündigte an, den »Kampf um den Mindestlohn« fortzusetzen«.

Den Lohnabhängigen geht es deshalb nicht so gut, weil ihre natürlichen Feinde leben wie die Maden im Speck. Obwohl sich Unternehmer bekanntlich am liebsten selbst unter Naturschutz stellen würden, musste sogar Hundt zugeben, »die Wirtschaft« befinde sich in einer »robusten Verfassung«. Manager aus mehreren Ländern platzierten Deutschland bei einem Ranking um die internationale »Wettbewerbsfähigkeit« auf Platz 2, gleich hinter China. Bert Rürup, der oberste »Wirtschaftsweise«, lobte in diesem Zusammenhang die »moderaten und flexiblen Tarifabschlüsse«, welche die Unternehmen jahrelang gemeinsam mit den Gewerkschaften ausgehandelt hätten, und »moderat und flexibel« bedeutet »total niedrig und je nach Bedarf der Unternehmer noch niedriger«. Wäre der Wert der Arbeit gestiegen, weil die Arbeitslosenzahl gesunken ist, würden Politiker und Unternehmer wohl kaum so viele Worte über einzuführende Mindestlöhne und notwendige Lohnerhöhungen verlieren.

Im Wahlkampf diejenigen ein wenig verschaukeln, die faktisch jedes Jahr weniger Geld im Portemonnaie haben, ist eine Sache. Die wachsende Sorge um den Aufschwung, das zarte Pflänzchen, die andere, wurden doch die ersten Konjunkturprognosen bereits nach unten korrigiert. »Wir brauchen deutlichere Lohnerhöhungen, damit der private Verbrauch in diesem Jahr eine Stütze des Wachstums werden kann«, sagte Rürups Kollege aus dem Sachverständigenrat, Peter Bofinger, der als Keynesianer gilt, und schlug Lohnerhöhungen von sage und schreibe 3,5 Prozent vor. Zu diesem Wert kam er, weil er die Inflationsrate und die Steigerung der Produktivität zusammenrechnete.

Bislang wurde noch nicht gemeldet, dass es Turmfalke, Kleiber, Uhu oder anderen Piepmätzen, denen einmal ein Jahr gewidmet wurde, deswegen besser ginge. Umso wahrscheinlicher, dass in Zukunft regelmäßig mehr oder weniger angesehene Bevölkerungsgruppen geehrt werden könnten. Wie wär’s mit einem Jahr der redlichen Fabrikanten, der leicht erziehbaren Jugendlichen oder der Hausmeister?