Wie tickt die Mitte?

Am vorigen Mittwoch war es wieder so weit. Das Team um Oliver Decker und Elmar Brähler von der Universität Leipzig präsentierte in Berlin die neueste Ausgabe ihrer sozialpsychologischen »Mitte-Studien« mit dem Titel: »Die stabilisierte Mitte – Rechtsextreme Einstellung in Deutschland 2014«. Seit 2002 untersuchen sie die Verbreitung rechtsextremen Denkens in der »Mitte der Gesellschaft«. Es wird nicht auf vermeintliche Ränder geguckt, sondern mittels Empirie die Gesamtheit der deutschen Bevölkerung untersucht. Theoretischer Bezugsrahmen sind neben den Studien des Frankfurter Instituts für Sozialforschung die faschismusthereotischen Überlegungen des Soziologen Theodor Geiger, der den Faschismus am Ende der Weimarer Republik als »Extremismus der Mitte« definierte. Die ersten zehn Seiten der Studie liefern einen kurzen Ritt durch diese Spielart der Faschismustheorie. Anschließend wird mit dem »Sekundären Autoritarismus« Neuland betreten. Waren beim traditionellen Autoritarismus schlagende Väter oder patriarchale Führerfiguren zentral, bedarf es solcher in der heutigen Leistungsgesellschaft nicht mehr, um die eigene Angst vor dem Versagen auf jene abzuleiten, die als anders wahrgenommen werden. Geht es um die nackten empirischen Befunde, scheint ein Aufatmen möglich. So nimmt die Zahl der Personen mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild ab. Dagegen nimmt jedoch das othering und Abwerten von Flüchtlingen, Muslimen oder Sinti und Roma zu. Das vergessen Antirassismusaktivisten oft, deren vornehmlicher Kampf darin besteht, auf Solipartys gegen cultural canibalism vorzugehen. 84,7 Prozent der Befragten in den neuen und 73,5 Prozent in den alten Bundesländern lehnen die Forderung, der Staat soll bei der Prüfung von Asylanträgen großzügig vorgehen, ab. Hier scheint mehr antirassistisches Engagement angebracht als das Verbot von Iros und Tunnelohrschmuck.