Die Atomverhandlungen mit dem Iran

Die Stunde der Experten

Kurz vor dem Abschluss der Atomverhandlungen gewinnen im Iran die Hardliner an Einfluss.

Mitglied des iranischen Expertenrats zu sein, ist ein geruhsamer Job, der auch Kleriker im fortgeschrittenen Alter nicht überfordert. Nur zweimal im Jahr tritt das Gremium zusammen, um die Tätigkeit des religiösen Führers zu überprüfen, und niemand erwartet, dass die Geistlichen dann so respektlos sind, Kritik zu äußern. Doch der Expertenrat wählt den religiösen Führer, das Staatsoberhaupt, wenn der Amtsinhaber stirbt oder zu krank ist, um zu regieren.
Das könnte bald der Fall sein, denn Ali Khameneis Gesundheitszustand ist zwar ein Staatgeheimnis, aber zweifellos schlecht. Am Dienstag voriger Woche wurde der Hardliner Ayatollah Mohammed Yazdi mit 47 zu 24 Stimmen zum Vorsitzenden des Expertenrats gewählt. Wenngleich Yazdi zunächst nur für eine Übergangszeit amtiert, hat damit die extremste Fraktion im iranischen Staatsapparat an Einfluss gewonnen – zur Überraschung auch von Insidern, die die Wahl eines »Gemäßigten« erwartet hatten.
Immerhin gehört Yazdis Gegenkandidat Hashemi Rafsanjani zu den erfahrensten Politikern des Iran. Dessen Sohn Mehdi Hashemi wurde jüngst von einem Revolutionstribunal verurteilt. Da dieses Gericht geheim tagt, sind die genauen Vorwürfe nicht bekannt, für die kolportierte Haftstrafe von 15 Jahren gibt es keine offizielle Be­stätigung. Doch zweifellos handelt es sich um eine Warnung an alle sogenannten Reformer.
Darunter sind im Iran nicht Politiker zu verstehen, die das islamistische System graduell überwinden wollen. Sie glauben vielmehr, dass eine allzu aggressive Politik dessen Bestand gefährdet. Kurz vor dem geplanten Abschluss der Atomverhandlungen sind die Wahl Yazdis und die Intrigen gegen die Reformer deutliche Zeichen dafür, dass die Mehrheit der Machthaber nicht glaubt, außenpolitische Rücksicht nehmen zu müssen. Konzilianz und Entgegenkommen stärken nicht die »Gemäßigten«, sondern ermutigen das Regime zu offensiverem Vorgehen.
Das iranische Regime profitiert aber auch von Fehlentscheidungen und mangelnder Professionalität auf Seiten jener, die eine härtere Iran-Politik befürworten. Es mag angesichts der verheerenden Nahost-Politik von Präsident Barack Obama logisch erscheinen, dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu auf die Republikaner setzt. Doch der von 47 republikanischen Senatoren unterzeichnete offene Brief war nur vorgeblich »an die Führer der Islamischen Republik Iran« gerichtet, tatsächlich sollte er der republikanischen Basis zeigen, dass man Obama wieder eins ausgewischt hat – eine Clownerie, die dem Ernst der Lage nicht angemessen ist und die Chance, mit Hilfe demokratischer Kritiker die Iran-Politik zu ändern, vermindert hat. Auch verständigere Republikaner wie John McCain formulieren keine Alternative zu Obamas Kurs, die etwa eine Unterstützung der Demokratisierungsbewegungen gegen die Konfessionalisierung der Konflikte im Nahen Osten beinhalten müsste.
Diese Konfessionalisierung betreiben die Ayatollahs derzeit im Irak, im Jemen und in Syrien, iranische Truppen standen bereits an der Grenze zu Israel. Der Besitz von Atomwaffen würde es dem Regime ermöglichen, mit noch größerer Aggressivität vorzugehen. Vorsichtigere Politiker wie Rafsanjani werden marginalisiert.