Facebook

Weil ja jetzt wieder von FAZ etc. sehr viel Wirres und Empörtes geschrieben wird und wieder mal keiner außer mir den Durchblick hat, hier bitte dieses: Selbstverständlich sind Attacken auf Facebook antisemitisch. Es ist gar nicht so sehr der Name Zuckerberg, der das Ressentiment gegen die »Datenkrake« grundiert, schon eher das Wort Datenkrake selbst, samt der damit verbundenen Neurosen. Entgrenzung, Auflösung der mühsam errichteten Identität im Säuretiegel einer unheimlichen Moderne, die Freiheit der Diskussion und der Debatte, die auch das rechtsradikale Argument zugunsten des linksradikalen in Kauf nimmt; nicht zuletzt der Angriff auf die sexuelle Identität, den Facebook mit seinen Dutzenden Geschlechtsoptionen leistet, ja sogar auf das Prinzip der Identität selbst, die halt bei Facebook tausendmal glaubhafter dekonstruiert wird als im poststrukturalistischen Seminar – all diese Prozesse, die dem digital gewordenen Kapital immanent sind, der Verschwörung ein paar böser Einzelner zuzuschreiben, einen leibhaftig Schuldigen am eigenen, unschuldig-selbstverschuldeten Elend zu finden und mit alldem autoritär und am besten mit viel Kristallklirren Schluss zu machen – all das ist halt einwandfrei antisemitisch. Wer sich einredet, dass die Hornochsen, die Facebook am Wochenende die Scheiben einwerfen, das tun, weil sie sich eine gerechtere Besteuerung oder besseren Datenschutz wünschen, sollte sich fragen, warum dieselben Hornochsen gut erreichbare Deutsche-Bank-Filialen oder Einwohnermeldeämter regelmäßig schonen. Wenigstens hat Facebook mehr zu revolutionären Lagen und einem fortschrittlicheren Leben in aller Welt beigetragen, als es besagte Hornochsen je tun werden, die mit Scheibeneinwerfen und Boykott beim Juden zwanghaft die Protestformen ihrer Großeltern kopieren.