Ein trotzkistisches Netzwerk in der Linkspartei will den Marxismus-Islamismus

Mit Allah gegen die AfD

Auf dem Kongress »Marx is’ Muss« will »Marx 21«, ein Netzwerk innerhalb der Linkspartei, den Islam als Bündnispartner gegen den Rechtspopulismus präsentieren.

Ein langjähriges FDP-Mitglied und ­religiöser Lobbyist auf einem marxistischen Kongress? Alles ist möglich. Nachdem Aiman Mazyek im Mai 2016 bereits auf dem Bundesparteitag der Linkspartei sprach, wird der Vorsitzender des »Zentralrats der Muslime in Deutschland« (ZMD) im Mai voraussichtlich auf dem diesjährigen Kongress »Marx is̕ Muss« der Gruppe »Marx 21« auftreten, die aus der trotzkistischen Organisation »Linksruck« hervorgegangen ist.
Mazyeks Thema: »Wie stoppen wir die AfD?« Für Marx 21 – wie schon zuvor für die Partei »Die Linke«, zu der die Gruppe gehört – ist dieser Auftritt der Notwendigkeit geschuldet, ein großes Bündnis gegen den anhaltenden Aufschwung der Rechten zu schaffen. Da es sich um eine der am stärksten betroffenen Opfergruppen dieses Rechtsrucks handele, gelte es, ohne Gesinnungstests den bedrohten Muslimen in ganz Europa zur Seite zu stehen. Der Faschismus mache keinen Unterschied zwischen konservativen und fortschrittlichen Muslimen, verlautbarten die Organisatoren von »Marx is Muss« auf ihrer Facebook-Seite.
Und so steht Marx 21 auch an der Seite des ZMD. Dieser »Zentralrat« beansprucht für sich, anders etwa als die unter Kontrolle des türkischen Staats stehende Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), alle Muslime in Deutschland zu repräsentieren – trotz vergleichsweise geringer Mitgliederzahlen. Der im Organisationsnamen ausgedrückte Anspruch leitet sich daraus ab, dass im ZMD Verbände für Muslime unterschiedlicher Herkunft vertreten sind, von türkischen über arabische bis hin zu togolesischen Muslimen. Ein Mitgliedsverband ist die Union der türkisch-islamischen Kulturvereine in Europa (Atib). Wie die Ditib beschäftigt auch sie in ihren Moscheevereinen zahlreiche Imame, die dem türkischen Präsidialamt für Religionsangelegenheiten unterstellt sind. Ein Vorstandsmitglied der Atib, Mehmet Alparslan Çelebi, fungiert auch als Stellvertreter Mazyeks im ZMD. Atib sieht sich seit der Gründung dem Vorwurf ausgesetzt, den türkischen Faschisten der »Grauen Wölfe« nahezustehen – ein Vorwurf, den die Atib vehement zurückweist. Dass die Union klare ideologische Übereinstimmungen mit den Grauen Wölfen aufweist, haben etliche Untersuchungen, etwa des bayerischen Landtags und des Pädagogikportals ufuq.de, wiederholt zu Tage gefördert. Wichtig ist dabei das Konzept der Ülkücüler-Bewegung, die einen religiös vermittelten alltäglichen Kulturkampf für die türkische Nation fordert. Die Idee des auf einer nationalen Identität basierenden »Europäischen Türkentums« ist ebenfalls bedeutsam. Dokumentiert ist zudem, wie Atib-Mitglieder auf öffentlichen Veranstaltungen den »Wolfsgruß« der türkischen Faschisten entrichten. Das ZDF nennt die Atib in einer Dokumentation schlicht eine »Organisation der Grauen Wölfe«. Angesichts der Ideologie der Atib wäre anzunehmen, linke Organisationen mieden den Verein und ihm nahestehende Gruppen. Marx 21 sieht dies offensichtlich anders.
Es gibt mindestens einen weiteren Mitgliedsverband des ZMD, der die Kooperation mit Mazyek für Linke unmöglich machen sollte. Es handelt sich um die Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD). Es gibt sie bereits seit 1958, sie ist Gründungsmitglied des ZMD. Der bayerische Verfassungsschutz bezeichnete die Gemeinschaft 2011 als »deutsche Zentrale des ägyptischen Zweigs der Muslimbruderschaft«. 2014 veröffentlichte das Kabinett der Vereinigten Arabischen Emirate eine Liste mit 83 Organisationen, die es dem islamistischen Terrorismus zurechnete. Die einzige Gruppe aus Deutschland, die erwähnt wurde, war die IGD.
»Es gibt Schnittmengen zwischen linker Politik und islamischer Religion«, hatte Oskar Lafontaine bereits vor Jahren festgestellt. Der Linkspartei und Marx 21 mag derzeit eine Strategie ­gegen die AfD vorschweben, in der die Linke sich für Bündnisse mit Organi­sationen wie dem ZMD öffnet. Dabei hoffen sie womöglich auf eine antirassistische Hegemonie im politischen Diskurs. Dass linke Ziele wie etwa die Durchsetzung des Säkularismus gegen die als »Religionsfreiheit« getarnten kirchlichen Privilegien dabei auf der Strecke bleiben, ist die eine Sache. Dass Islamisten wie die IGD und religiös verbrämte Faschisten wie die Atib nicht als Kooperationspartner taugen, sondern als politische Gegner bekämpft werden müssten, die andere.
Eine dritte Sache wäre es, einen vermeintlich verbürgerlichten Muslim wie Mazyek, der Islamisten und Faschisten einen Platz in seiner Organisation bietet, dafür öffentlich nach Kräften zu kritisieren. Im Konkurrenzkampf um die Vertretung muslimischer Interessen ist er bereit, die Atib und die IGD salonfähig zu machen. Die Linkspartei und Marx 21 versuchen, die Anschuldigungen gegen solche Verbände mit sehr allgemein gehaltenen antirassistischen Verlautbarungen zu bannen. Das führt vielleicht tatsächlich irgendwann zur erwünschten Einheitsfront gegen die AfD. Ob in der ersten Reihe Linke, Islamisten oder Graue Wölfe laufen dürfen, müsste aber wahrscheinlich erst ausgefochten werden.