Wo bitte ist der Körper?
Nimmt man einen der in den vergangenen Jahren in großer Zahl erschienenen Sex-Ratgeber zur Hand – sei es für die richtige Sexualerziehung der Kinder oder für die Optimierung partnerschaftlicher Sexualität zwischen Erwachsenen –, kann man sich kaum retten vor den Aufforderungen, endlich und immerzu miteinander ins Gespräch zu kommen. Kaum eine zeitdiagnostische Behauptung über Sexualität ist derzeit häufiger anzutreffen als das mal nölend, mal unbeschwert, mal anklagend oder schuldbewusst formulierte: »Wir reden zu wenig!«
Die Intensität, mit der immerzu behauptet wird, Sexualität sei besprechbar und verhandelbar, deutet womöglich aber sehr viel stärker auf das Gegenteil hin: die Unmöglichkeit, Sexualität zu besprechen. Darauf verweist beispielsweise die Philosophin Alenka Zupančič, wenn sie mit Bezug auf die Freud’sche Sexualtheorie kenntlich macht, dass die Sexualität der Kinder unmöglich real sei: Sie ist auf aufwühlende Weise anwesend, aber ihre Existenz erscheint geradezu in Abwesendem, denn weder verfügen Kinder über zureichendes Verständnis der Bedeutungen sexuellen Geschehens, noch sind ihre Geschlechtsorgane voll funktionsfähig. Die infantile Sexualität zeugt also von einer symbolischen, imaginären und auch biologischen Lücke, die Raum für psychische Entwicklung und Phantasiebildung eröffnet.
Die Sexualität stellt Žižek zufolge keine Selbstfindung, erst recht keine heilsame Ganzheit dar, sondern ist im Gegenteil ein einziger Widerspruch, ein Antagonismus, der fortwährend zum Scheitern verurteilt.
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