Die putinnahe und LGBT-feindliche Regierungskoalition in der Slowakei steht

Slowakei: Russland als Freund und Vorbild

In der Slowakei hat sich ein Regierungsbündnis aus einer populistischen, einer sozialdemokratischen und einer rechtsextremen Partei unter Führung von Ministerpräsident Robert Fico gebildet. Der hatte bereits angekündigt, LGBT-Rechte einzuschränken.

Er ist zurück an der Regierungsspitze: Robert Fico wird erneut Ministerprä­sident der Slowakei, nachdem die von ihm geführte populistische Partei Smer – sociálna demokracia (Richtung – Sozialdemokratie) die Parlamentswahl am 30. September gewonnen hatte. Fico bekleidete das Amt bereits von 2006 bis 2010 und erneut von 2012 bis 2018, als er aufgrund von Massenprotesten nach dem Auftragsmord an einem Journalisten zurücktreten musste, der über Verbindungen von Ficos korrupten Regierungskreisen zur italienischen Mafia recherchiert hatte.

Zehntausende Menschen gingen damals auf die Straße und skandierten: »Genug von Fico!« Doch er blieb Parlamentsmitglied, was ihm, obwohl er mehrerer Verbrechen bezichtigt wurde, Immunität vor Strafverfolgung gewährte.

Die Partei Smer ist dem Namen nach zwar sozialdemokratisch, verfolgt aber einen populistischen und nationalkonservativen Kurs. Im Wahlkampf ging sie wie viele andere konservative und rechte Parteien mit Aussagen gegen die LGBT-Community und Migran­t:in­nen erfolgreich auf Stimmenfang – und vor allem mit prorussischer Rhetorik. Fico hatte mehrfach gesagt, nicht Russland, sondern »ukrainische Nazis« hätten den Krieg im Nachbarland der Slowakei angezettelt. »Keine einzige Patrone«, schwor er seiner Wählerschaft, solle die Ukraine mehr von der Slowakei an Militärhilfe erhalten.

Fico kündigte bei einer Pressekonferenz an, dass zukünftig von ausländischen Geldern finanzierte NGOs als »ausländische Agenten« gebrandmarkt werden, um deren »Herrschaft in der Slowakei« zu beenden – ein Gesetzesvorhaben nach russischem Vorbild.

Die Sozialdemokratische Partei Europas, der 1992 gegründete Verband europäischer sozialdemokratischer und so­zialistischer Parteien, hat am 12. Oktober entschieden, die Mitgliedschaft sowohl von Smer als auch Hlas (Stimme) – die 2020 als gemäßigtere Abspaltung von Smer entstand – zu suspendieren. Der Grund war, dass beide Parteien ihre Absicht verkündet hatten, ein Regierungsbündnis mit der rechtsextremen Slovenská národná strana (SNS, Slowakische Nationalpartei) einzugehen.

Am 16. Oktober wurde der Koalitionsvertrag zwischen Smer, Hlas und SNS unterzeichnet. Das Bündnis wird über 79 von 150 Sitzen im Parlament verfügen und damit der Regierung unter Fico eine Mehrheit verschaffen. Die genauen Inhalte des Vertrags sind der Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich, doch Fico kündigte bei einer Pressekonferenz an, dass zukünftig von ausländischen Geldern finanzierte NGOs als »ausländische Agenten« gebrandmarkt werden, um deren »Herrschaft in der Slowakei« zu beenden – ein Gesetzesvorhaben nach russischem Vorbild.

Am 17. Oktober erhielt die Staatspräsidentin Zuzana Čaputová eine Kan­di­da­t:innenliste für die Besetzung der Ministerien. Zwei Tage später wurde bekannt, dass das Umweltministerium an den SNS-Politiker und Klimawandelleugner Rudolf Huliak gehen sollte. Čaputová, eine ehemalige Anwältin von Umweltinitiativen, widersprach diesem Vorschlag mit der Begründung, dass Huliak den wissenschaftlichen Konsens über den Klimawandel nicht anerkenne und daher das ordnungsgemäße Funktionieren des Ministeriums nicht gewährleisten könne.

Der wie Fico als prorussisch geltende SNS-Vorsitzende Andrej Danko hatte im Februar 2022 kurz vor der russischen Invasion der Ukraine einen offenen und im Ton recht pathetischen Brief an den russischen Außenminister Sergej Lawrow verfasst, in dem er diesen als »mein guter Freund« anredet und sich für seine vermeintliche Friedensarbeit bedankt. Auch andere zukünftige SNS-Abgeordnete haben Verbindungen zu Russland und zum Milieu der Verschwörungstheoretiker: Martina Šimkovičová und Peter Kotlár gründeten und moderieren den prorussischen Online-Desinformationssender TV Slovan. Die Menschenrechts-NGO Inštitút ľudských práv hat Šimkovičová 2015 für den Negativpreis »Homophob des Jahres« nominiert. Sie ist bereits als neue Kultusministerin im ­Gespräch.

»Der künftige Ministerpräsident erklärte bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags, dass der Kampf gegen die ›Gender-Ideologie‹ eine Priorität seiner Regierung sein werde.« Martin Macko, Geschäftsführer der Initiative Inakosť (Andersartigkeit)

In Anbetracht der Politiker:innen, die zukünftig Regierungsverantwortung übernehmen werden, sind Angehörige von Minderheiten besorgt ­darüber, was auf sie zukommt. Es ist nur knapp über ein Jahr her, dass der 19jährige Rechtsextremist Juraj Krajčík in einer queeren Bar in der Hauptstadt Bratislava zwei Menschen erschoss, ­Juraj Vankulič und Matúš Horváth, und sich danach selbst tötete – ein Ereignis, das die queere Community erschütterte.

Martin Macko, der Geschäftsführer der Initiative Inakosť (Andersartigkeit), die sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen von LGBT-Personen in der Slowakei einsetzt, sagte der Jungle World: »Der künftige Ministerpräsident erklärte bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags, dass der Kampf gegen die ›Gender-Ideologie‹ eine Priorität seiner Regierung sein werde.« Zunächst bedeute dies ein Verbot der Behandlung von LGBT-Themen in den Schulen, die Streichung von öffentlichen Geldern für kulturelle, ­soziale und bildungsbezogene Projekte und Dienstleistungen für LGBT-Per­sonen sowie ein Verbot von Geschlecht­sanpassungen. »Wir werden sehen, ­inwieweit die slowakische Gesellschaft, die EU und die internationale Gemeinschaft dies zulassen werden.«

Auch das Slowakische Nationale Zentrum für Menschenrechte (SNSĽP) zeigt sich besorgt darüber, wie es Minderheiten im Land zukünftig ergehen werde: »Zum jetzigen Zeitpunkt ist es verfrüht, umfassende Urteile zu fällen.« Wenn man jedoch die Wahlkampagne als Anhaltspunkt nehme, »werden wir viel zu tun haben, insbesondere wenn es um die Überwachung von Hassrede gegen die queere Community, Geflüchtete, Migranten und der Roma-Bevölkerung beziehungsweise um deren Stigmatisierung geht.«