Die Berlinale, »Fuck AfD« und »Free Palestine«

Homestory #08/24

Die Berlinale ist mal wieder hochpolitisch: Faschismus, Palästina, Claudia Roth. Doch der Besuch dort gezeigter Filme scheitert zuweilen an profanen Problemen.
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Politik auf dem roten Teppich: Noch bevor überhaupt ein einziger Film über die Leinwand geflackert war, hat die 74. Berlinale bereits Schlagzeilen gemacht. Der Grund: Die AfD war bei der Eröffnungs­gala nicht erwünscht. Gerade nach den jüngsten »Enthüllungen« wolle man »Stellung beziehen für eine offene Demokratie«, begründete die Festivalleitung ihre Entscheidung und bekam prompt Rückendeckung von zahlreichen Schauspielern. Die organisierten zum Auftakt eine Protestaktion unter dem Motto »Defend Democracy«, zu der sie mutig ihre leuchtenden Handys in die Luft hielten und, wie man so sagt, ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzten. Die AfD hingegen wertete das ganze Brimborium als »Schlag gegen die Demokratie«.

»Dass der Platz vor dem angeblichen Berlinale-Palast tatsächlich Marlene-Dietrich-Platz heißt, halte ich für einen riesigen Skandal«, sagte ein Mitglied des »Jungle World«-Kollektivs.

»Die haben da allen Ernstes ein Lied von Die Ärzte gespielt«, erzählt ein Redaktionsmitglied etwas irritiert. Es war zum ersten Mal auf dem Filmfestival. Seit geraumer Zeit bereits fungiert das Lied »Deine Schuld« der beliebten deutschen Band wegen seines parolenhaften Textes als eine Art Soundtrack für die Anti-AfD-Proteste: »Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es ist nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.« Dementsprechend war in den Lau­dationes immer wieder die Rede von »Verantwortung«. Zudem sei die grüne Kulturstaatsministerin Claudia Roth ausgebuht worden, fügt das Mitglied an.

»Dass der Platz vor dem angeblichen Berlinale-Palast tatsächlich Marlene-Dietrich-Platz heißt, halte ich für einen riesigen Skandal«, so ein anderes Kollektivmitglied. »Dieser Ort ist einfach grauenhaft.« Er selbst sei mal als Fotograf bei der Berlinale gewesen und habe sogar etwas gewonnen. Als Fotograf habe er danach jedoch nicht mehr arbeiten wollen. »Die Pressefotografen waren wie Zombies«, die die ganze Zeit nur geraucht, Kaffee getrunken und sich dazu einen Schluck aus ihrem Flachmann gegönnt hätten.

Marlene Dietrich »Deutschland? Nie wieder!«

Marlene statt Berlinale

Bild:
Archiv 2. Juni

Ein weiteres Mitglied ihrer Lieblingszeitung ist leider bereits an der ersten Hürde gescheitert. Sie habe sich den Film über die Widerstandsgruppe Rote Kapelle anschauen wollen. »Aber die Vorführungen waren bisher alle innerhalb von zehn Sekunden ausverkauft.« Wie man so etwas vermeidet, hätte sie von einer Kollegin erfahren können. Die habe ihre Karte nämlich quasi »auf der Straße« gekauft, um im Saal dann festzustellen, dass sie »in derselben Reihe wie die Schauspieler sitzt«. Der Produzent des Films habe dann aber »höflich gebeten«, sie umsetzen zu lassen.

Eine andere wiederum hätte es fast sogar als Statistin auf die Leinwand geschafft. »Wir sollten Techno-Girls in der Berghain-Schlange darstellen.« Ganze vier Stunden habe sie dafür vor einem Club angestanden, in den sie schließlich nicht reingekommen sei. Und auch mit der Filmkarriere sieht es schlecht aus: »Am Ende musste die Szene wegen eines sehr kleinen Fehlers komplett neu gedreht werden. Vielleicht sind wir noch auf der Tonspur vertreten.«

Ein Kollektivmitglied jedoch ignoriert die Berlinale grundsätzlich: »Solche Establishment-Veranstaltungen sind nicht meine Welt.« Immerhin konnte er sich dadurch die »Free Palestine«-Rufe bei der Premiere des Dokumentarfilms »No Other Land« ersparen. Bei der Vorführung stellte sich das Filmemacherkollektiv gegen die Haltung der Berlinale-Intendanz zum Israel-Gaza-Krieg und bezeichnete ­Israel als Apartheidstaat. Diese Behauptung begründete man nicht weiter. Warum auch? Das Leitungsduo der Berlinale hatte vor dem Festival ja auch lediglich mitgeteilt, dass ihr Mitgefühl allen Opfern gelte.