Mein Freund, der Schlepper

Weswegen sind Sie eigentlich vorbestraft? Machen Sie doch mal eine verräterische Handbewegung! Ich für mein Teil hätte wenig Hoffnung auf ein volles Schweinderl, denn zu mehr als einer ganz profanen Körperverletzung wollte es bisher nicht reichen. Eines Abends, als ich mich wohl gerade wieder über irgendwas sehr ärgern mußte, redeten mich zwei Bundeswehrsoldaten von der Seite an. Ein Wort gab das andere, und am Ende liefen zwei weinende Krieger zur Polizei: Der Onkel habe sie gehauen.

Dreißig Tagessätze.

Weit origineller ist da schon eine Vorstrafe wegen "bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern". Doch, solch ein Delikt gibt es. Erst neulich wurde in Karlsruhe ein türkischer Geschäftsmann zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er sich der "Beihilfe zur unerlaubten Einreise" schuldig gemacht hatte. Das Fernsehmagazin "Report" würdigte den Erfolg der Behörden: Der "berüchtigte Kopf eines Menschenhändlerrings" sei nun endlich zur Strecke gebracht. "Mit dem Leid Tausender verdiente er Millionen."

Über das Treiben "krimineller Schlepperbanden" und "skrupelloser Menschenhändler" möge sich der Zuschauer doch bitte gebührend aufregen, und er möge diese Leute beträchtlich verabscheuen, fast so sehr, wie er in der letzten Saison Kinderpornographen verabscheute. Denn "für sie ist jeder Flüchtling bares Geld. Für sie ist der Mensch eine Ware". Schrecklich!

Nun schätzt aber jeder Ladenbesitzer an seiner Kundschaft vor allem das Geld, das sie zurückläßt. Und wer Touristen an ein Ziel befördert, das sie selbst gewählt haben, heißt nicht Menschenhändler, sondern Reisebürokauffrau oder Neckermann. Allein die Kategorie der Kunden macht den Unterschied zwischen TUI und einer sogenannten Schlepperbande: Die einen haben es sich verdient und fliegen in der ersten Klasse, die anderen haben es sich nicht verdient und bekommen deshalb kein Visum. Letzterer Umstand verteuert die Reise in der zweiten Klasse erheblich: Weite Umwege müssen eingeschlagen, Dokumente gefälscht und Beamte bestochen werden. Außerdem nimmt natürlich jeder gern, was der Markt hergibt.

Ein "Report"-Reporter wußte ein Lied von der "Geldgier türkischer Schlepper" zu singen. Istanbul nämlich sei eine "Brutstätte der international organisierten Schlepperkriminalität ... Hunderte von Reisebüros tarnen das Geschäft." Und da auch in Istanbul die Reisebüros nicht nach Tausenden zählen, ist wohl die ganze Branche kriminell.

"Wer dem Problem illegaler Einreise Herr werden will, muß die Schlepperbosse vor Ort dingfest machen. Schärfere Grenzkontrollen allein reichen nicht aus", kommentierte Ulrich Craemer, dem Südwestfunk sein Redakteur für haltloses Geschwätz. Vermutlich will auch er nicht die Bundeswehr nach Istanbul schicken, um deutsche Grenzen in türkischen Reisebüros zu verteidigen. Er will nur ein wenig Stimmung machen.

Die Flüchtlinge sind unerwünscht, man kann sie aber, solange man sich noch von gewöhnlichen Nazis unterscheiden möchte, nicht recht von Herzen hassen. Als arme Opfer böser Gangster darf man sie sogar bedauern. Und sich auf der Seite der Moral wähnen, wenn man mit dem Schlepperunwesen das Flüchtlingsproblem gleich miterledigt.

Ich habe nichts gegen Schlepper; einige meiner besten Freunde sind Schlepper. Wer keinen Streit mit einem vorbestraften Schläger sucht, mache also meinen Kumpel nicht an.