Love Me Gender

... love me true: Gender-Filme der Berlinale -"The Brandon Teena Story" und "St. Pelagius, the Penitent"

Daß performatives Gendering noch lange keine aufregenden, lustvollen Geschlechterrollen bedeuten muß, führen zwei Filme der Berlinale vor, die sich mit Transsexualität, Testosteronspritzen und Gender-bender beschäftigen. Der Kurzfilm "St. Pelagius, the Penitent" von Jewels Barker nimmt sich die Figur des englischen Mönchs Pelagius zur Erzählgrundlage, Susan Muskas Dokumentarfilm "The Brandon Teena Story" rekonstruiert anhand eines Hate-crime in Nebraska die herrschende Realität von Transgender und transsexuellen Personen.

"St. Pelagius, the Penitent" wurde als Vorfilm zur "Brandon Teena Story" gezeigt und lief auch in der lesbischen Kurzfilmnacht, wo er die Funktion hatte, das Schreckliche, das folgte, durch das Auch-Lebbare erträglicher zu machen.

Jewels Barker dokumentiert seit Jahren das Leben und die Geschlechterkonstruktionen ihrer Freundinnen, die mit oder ohne - meist mit - Testosteroneinnahme zu einem größeren Gleichgewicht von Physis und Psyche gelangen oder auf die andere Seite kommen wollen. Diese fünf Porträts wechseln sich mit einer ultra-trashigen Performance-Sequenz ab, in der die Geschichte der lesbischen Heiligen, die als Mann zum Heiligen St. Pelagius wurde, nachgestellt wird. Ansonsten sieht man die fünf in ihrer Umgebung, zu Hause oder in irgendwelchen englischen Gärten abhängend. Sie erzählen über sich, ihr Gefühl zu ihrem Körper und die emotionalen und sozialen Verwirrungen. Eine von ihnen, die sich als Mann fühlt, aber dennoch mit ihrem weiblichen Körper konfrontiert ist, gibt den Ultra-Macker und berichtet über Penetrationsvorlieben. Eine andere setzt sich gerade die Spritze, die sie sich zum 40. Geburtstag selbst geschenkt hat, und erzählt, wie geil sie die Vorstellung findet, die nächsten 40 Jahre als Mann zu leben: "I quite fancy myself as an dirty old man with a grey beard." Alles in meinem Leben ist eine Phase, sagt sie.

Barker geht es mit den Porträts ihrer Freundinnen mehr um Re-telling-history denn um die Problematisierung des Versuchs, die binären Geschlechterrollenzuordnungen zu überwinden. Eine der Frauen, die sich als Hermaphrodit versteht, vergleicht ihr Geschlechterkonzept ganz selbstverständlich mit der Kaffeebohnenauswahl in einem guten Kaffeeladen: "Da suche ich mir auch von allem ein bißchen zusammen, hier die hellen, da die dunkel gerösteten, ein wenig von diesem Aroma, ein wenig aus jenem Anbaugebiet. Ich habe nie das Gefühl, mich zwischen zwei Geschlechtern entscheiden zu müssen oder das dritte Geschlecht zu sein. Ich bin von allem etwas und es gibt so viele Komponenten, aus denen ich zusammengesetzt bin."

Die Geschichten der fünf sind weder unreflektierte Mythen noch depressive Geworfenheitsdarstellungen aus der Welt dichotomer Zuordnungsvorschriften. Bei Jewels Barkers Freundinnenkreis scheint es sich um ziemlich bewußte Leute zu handeln, die sich so erfinden, wie sie sein wollen und die Power haben, danach zu leben.

In scharfem Kontrast dazu steht der Dokumentarfilm "The Brandon Teena Story". Brandon, als Mädchen unter dem Namen Tina in Lincoln/Nebraska geboren, entscheidet sich ziemlich früh dafür, als Junge zu leben, läßt sich die Brust wegoperieren, nimmt Hormone und stopft seine Unterhosen aus. Von all seinen Ex-Freundinnen wird er als der netteste, zärtlichste, umsichtigste Typ, der ihnen je begegnet ist, beschrieben: "Er wußte genau, wie er ein Mädchen anzufassen hatte, er wußte genau, was ich will. Er war sehr süß." Ein gefälschter Scheck ist schuld, daß Brandons Deckung auffliegt, und das klaustrophob-homophobe Nest tickt aus. Zwei Männer, aus dem Dunstkreis von Brandons Freundin, stellen die verletzte männliche Ehre und die Normalität wieder her, indem sie Brandon in die Rolle der Tina zwingen und vergewaltigen. Der zeigt sie an, was der diensthabende Polizist zum Anlaß für ein entwürdigendes Verhör nimmt: "Als sie dir die Hose runterzogen, und da war kein Schwanz, haben sie da nicht versucht, dir den Finger reinzustecken? Das ist doch normal, daß sie das versucht haben. Und dann, als Tom zu dir kam, hatte er da schon einen steifen Schwanz, oder hast du ihm geholfen? Nein, er hatte also schon einen und hat ihn dir reingesteckt. Das war dann das erste Mal, daß du Sex hattest ...?"

Die filmische Rekonstruktion zeigt eine Community, die sich von diesem Fall kaum berührt fühlt, immerhin habe Brandon sie ja betrogen, als er sich als Mann ausgegeben hatte. Daß die beiden Vergewaltiger drei Tage später Brandon und das Paar, bei dem er sich versteckt hielt, erschossen, war allerdings den nahen Verwandten in diesem inzestuösen Kaff ein bißchen zu viel. Das Entsetzliche dieses Films, für den Susan Muska und Greta Olafsdottir fast drei Jahre in Nebraska recherchierten, ist die passive Aggression, mit der - bis auf Brandons Ex-Freundin, die relativ unbeteiligt erzählt - alle versuchen, ihre Geschlechternormen aufrechtzuerhalten.

So beginnen die meisten ihre Erzählungen über Brandon, indem sie ihn in den höchsten Tönen loben, um dann, ab jener Phase, die sie als die Zeit nach der Entdeckung des "Betrugs" erinnern, dazu überzugehen, Brandon abschätzig als Tina, als Betrügerin, zu bezeichnen. Eine Ex-Freundin, die zu Brandons Heiratsantrag schon ja gesagt hatte, als sie davon hörte, Brandon sei eine Frau, forschte nach Strip-On-Befestigungen und erzählt, wie schrecklich es für sie ist, zu wissen, mit einer Frau zusammen gewesen zu sein. In der Scham, im nachhinein zu wissen, es nicht mit dem liebenswerten Brandon zu tun und mit ihm den besten Sex gehabt zu haben, sondern von einer fucking dyke, einer Lesbe, gefoppt worden zu sein, spiegelt sich die Absurdität der zwanghaften geschlechtsspezifischen Kategorisierung. Nein, niemand sagt vor der Kamera, daß der Mord berechtigt war. Dazu ist das Denken dieser Leute viel zu verschroben, denn selbst wenn sie den Mord an Brandon Teena für richtig hielten - wir befinden uns hier im Mittleren Westen, wo christlicher Fundamentalismus das eigene Gerechtigkeitsempfinden reguliert. Die Mutter von einem der beiden Mörder antwortet dann auch auf die Frage, ob sie glaube, daß ihr Sohn den Mord begangen habe: "Ich weiß es nicht, aber wenn, dann sollte ihn die gerechte Strafe treffen, dann hat er die Todesstrafe verdient." Es ist genau dieser Rigorismus der Selbstgerechten und ihre Bemühungen, eine intolerante, menschenverachtenden Ordnung zu legitimieren, die dieses Milieu so widerwärtig machen.