Interviews als Geiselnahme

Nach einer Hausdurchsuchung bei dem Europasprecher der MRTA vermutet dessen Anwalt indirekte Amtshilfe für Perus Regierung

Durch behaarliches Klingeln an seiner Wohungstür wurde der Europasprecher der MRTA (Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru), Isaac Velazco, am Dienstagmorgen vergangener Woche geweckt. "Als ich die Tür öffnete, drängten mehrere seltsame Personen an mir vorbei in meine Wohnung. Ich dachte, da sie sich nicht auswiesen und nichts sagten, daß es Einbrecher wären. Erst gegenüber meiner Frau gaben sich die Männer als Polizisten zu erkennen", schildert er auf einer Pressekonferenz das Vorgehen der BKA-Beamten.

Gekommen waren die Herren, um die Wohnung des seit vier Jahren in Hamburg lebenden Repräsentanten der peruanischen Guerillaorganisation zu durchsuchen. Über neun Stunden ließen sie sich dazu Zeit. Zahlreiche Dokumente, Disketten und Videos wurden beschlagnahmt und die Festplatte des Computers kopiert. Die Bundesanwaltschaft (BAW) ist auf der Suche nach Beweisen, die ihren Verdacht erhärten könnten, Velazco sei an der Vorbereitung der Besetzung der japanischen Botschaftsresidenz in Lima im Dezember 1996 beteiligt gewesen. "Ich habe keinerlei Entscheidungsbefugnisse über das, was in Peru passiert. Ich tue hier nichts anderes als über Ereignisse in Peru zu berichten", weist Velazco die Vorwürfe der BAW zurück, die ihm Beteiligung an Geiselnahme und erpresserischem Menschenraubs vorwirft.

Die Sprecherin der BAW, Eva Schübel, begründete die Vorwürfe gegen Velazco mit dessen Tätigkeit als MRTA-Sprecher. Velazco hatte während der knapp viermonatigen Besetzung der Botschaftsresidenz in zahlreichen Interviews Öffentlichkeitsarbeit für seine Organisation gemacht. Er habe dadurch "Druck auf die peruanische Regierung" ausgeübt, sagte Schübel. Velazcos damaligen Angaben zu Folge, habe er direkten Kontakt zu den Guerilleros in der Botschaft gehabt und im Falle der Erstürmung der Botschaft mit dem Tode der Geiseln gedroht.

Heinz-Jürgen Schneider, Anwalt von Velazcos Frau Norma, sieht politische Motive hinter der Durchsuchung und den Vorwürfen der BAW. Immerhin lägen einige tausend Kilometer zwischen Lima und Hamburg. Daher stünde der Verdacht der "mittäterschaftlichen Beteiligung an der Botschaftsbesetzung auf juristisch sehr dünnen Beinen". Allem Anschein nach hat die BAW kaum etwas in der Hand und muß erst das beschlagnahmte Material sichten und übersetzen.

Hinter den Ermittlungen gegen den "Sprecher des peruanischen Volkes", wie sich Velazco am Mittwoch bezeichnete, vermutet er die peruanische Regierung, die Velazcos Auslieferung verlangt. Für Rechtsanwalt Schneider Grund genug für die Annahme, daß das politische Betätigungsverbot gegen Velazco, das allerdings noch nicht rechtskräftig ist, Peru offenbar nicht ausreicht. Deshalb soll nun wohl - in vorauseilendem Gehorsam gegenüber Peru - ein Strafverfahren folgen. Gespannt ist Schneider, ob sich bei Akteneinsicht Hinweise auf Amtshilfe von peruanischer Seite ergeben.