Schröder ist Barschel

Leo Kirch macht seinem Männerfreund Helmut Kohl einen Fernsehfilm zum Wahlkampfgeschenk

Was rufen die da? "Schröder! Schröder!" rufen die? Nein, doch nicht, "Sommer! Sommer!" soll das wohl heißen, aber der Sommer ist in einer Woche schon vorbei. Hinter dem roten Vorhang herrscht ewiger Frühherbst, und dort werden wir Zeuge, wie ein älterer Herr im grauen Anzug (Vorsicht: Dietmar Schönherr) einem jüngeren Herren im grauen Anzug (Peter Sattmann) die machterprobte Pranke auf die schmale Schulter fallen läßt und altersweise prophezeit: "Wir haben's fast geschafft, Peter. In 14 Tagen bist du Regierungschef."

13. September plus 14, da fängt es zur Prime Time im Sat.1-Zuschauer zu rechnen an. Mensch: Wählen gehen! Aber noch ist die Welt nicht verloren. In 14 Tagen kann noch viel passieren. Im Fernsehen bahnt sich das Unheil für Schröder/Sommer schon an: Schwarze Handschuhe werden übergestreift, Gurte mit Patronen, Kaliber 20 mm, umgehängt, mordsmäßige Wummen durchgeladen.

Und während die Menschenmasse weiter "Schröder! Schröder!" oder so schreit, tritt einer, der aussieht wie Uwe Barschel, ans Rednerpult und formuliert, was sich ein Drehbuchschreiber in den Diensten von Leo Kirch wohl so unter einer sozialdemokratischen Wahlkampfrede vorstellt: "Wissen Sie, was Politik im ursprünglichen Sinne des Wortes bedeutet? Es ist die Lehre, der Allgemeinheit Gutes zu tun." Drollige Hybris.

Dann geht es alles ganz schnell. Im Konvoi saust Familie Sommer durch blühende Landschaften, und just, als das Rücksitz-Familienidyll zum Klimax kommt, kracht's: Motor aus. Bei allen drei Autos gleichzeitig. Ferngesteuert senken sich Türknöpfchen, Nebelgranaten nebeln, finstere Gestalten nähern sich, Laserstrahlen tasten über Franziska Sommers (Katja Riemann) Bluse, Tochter Katja (Louisa Herfert) schreit wie am Spieß und Papa wird brutal entführt: Ein paar Einstellungen weiter sehen wir ihn im Keller mit undurchsichtiger Brille; kahle Wände, Handtuch, Seife, Chemieklo bilden das öde Ambiente.

Im Hause Sommer herrscht unterdessen natürlich schlechte Stimmung. Richard Moll, so heißt der väterliche Freund aus der ersten Einstellung, ist auch ein Freund der Familie und will überall mitmischen. Die ganze Villa ist voll mit Polizisten und deren ganzer High-Tech-Ausrüstung: "Alles klar, die Verbindung zum Zentralrechner steht." Boah. Die erste Nachricht der Entführer landet natürlich - unbemerkt von der Polizei - auf dem Computer von Tochter Katja: Sie wollen viel Geld, und Moll soll es bringen.

"Fahren Sie auf die A 7 Richtung Hannover", befiehlt ihm eine verzerrte Handy-Stimme. Doch die Übergabe scheitert, Sommer soll dafür mit einem Ohr büßen. Aber er hat etwas Besseres für die Entführer: Brandheiße Informationen direkt aus dem Herzen der Partei: "Richard Moll hat die Geldübergabe absichtlich scheitern lassen! Und er wird weiterhin dafür sorgen, daß ich hier verrecke." Hier sind sie also, die menschlichen Abgründe.

Richard Moll, das kriegen wir so nach und nach heraus, ist ein einziger Abgrund: Nicht nur hat er den Termin mit den Entführern platzen lassen, um an Stelle des dann ermordeten Peter Sommer Spitzenkandidat zu werden. Er hatte auch noch einen besonders fiesen Grund dafür. Denn als Sozius eines Waffenhändlers hat er sich die Hände mit ruandischem Blut befleckt. Der Schieber residiert übrigens im französischen Ausland und heißt mit Vornamen Oskar und mit Nachnamen Kollmann.

Sommer wußte von dieser Schweinerei - er hatte einen Detektiv auf Parteifreund Moll angesetzt. Doch anstatt ihn hochgehen zu lassen, zog er es vor, sich bis zum Spitzenkandidaten der Partei empor zu erpressen. Abgründe also auch im Hause Sommer.

It's a men's, men's world. Die Gelackmeierten sind natürlich Franziska Sommer und die kleine Tochter, die bis zuletzt an die Ideale des Familienoberhaupts glaubten und von dessen krummen Touren nie was ahnten. "Wie naiv bist du eigentlich", rückt Schwiegermama Sommer (Nicole Heesters) resolut ein paar antiquierte Weltbilder zurecht: "Macht ist kein Spielzeug, Macht ist eine Waffe. Und derjenige, der die Fähigkeit besitzt, sie zu benützen, der sollte danach greifen."

Am Ende kommt Sommer natürlich frei, allerdings nicht, ohne daß die Leichen des sympathischen jungen "Sicherheitschefs der Familie Sommer", des Privatdetektivs sowie dreier Entführer schallgedämmt in den Bildvordergrund geballert worden wären. Soviel Engagement, meint Kollmann, dessen Kreatur Dino (Patrick Lorenz) cool die Kidnapper entleibt hat, sollte doch ausreichen, um einen neuen Klienten zu gewinnen.

Da hat Kollmann aber nicht mit den Sommers gerechnet: "Ich mußte während meiner Gefangenschaft erst an den Rand des Abgrunds geraten, um zu begreifen, wie weit ich mich von meinen Idealen entfernt habe", klagt der Kandidat der Pressekonferenz und tritt zurück. Und Sie, Herr Schröder? Noch sind 14 Tage Zeit.