Hohn der Arbeit

Die linksradikale Internetzeitschrift com.une.farce hat ihre erste reguläre Ausgabe vorgelegt

Der Name paßt nicht. Eine Farce ist eine "lächerliche, aber als wichtig dargestellte Angelegenheit", erklärt beispielsweise Knaurs Fremdwörterbuch. Zwar gibt sich com.une.farce, eine seit Dezember regulär erscheinende linksradikale Internet-Zeitschrift, wichtig, vielleicht auch zu wichtig, doch lächerlich ist sie nicht.

Auch der Untertitel, "Zeitschrift für Kritik im Netz & Bewegung im Alltag", paßt nicht so recht, stehen dabei doch Netz und Bewegung im Mittelpunkt: "Es kann gut sein, daß wir den nochmal ändern", sagt Mitherausgeber Gottfried Oy im Gespräch mit Jungle World. Denn der Publikationsort Internet sei einem "pragmatischen Ansatz" geschuldet. Soll heißen: Es war einfach kein Geld da, um die Vertriebsstruktur einer überregional erscheinenden Zeitschrift zu organisieren. Zudem wolle com.une.farce nicht allein im Netz präsent sein, weil man dann alle ausschließt, die keinen Internet-Zugang haben.

Druckausgaben und Disketten sollen, wenn es nach der Redaktion geht, zumindest auch in Infoläden erhältlich sein. Kostenlos natürlich. Auch solle künftig "die Suche nach alltäglichen Politikfeldern", nach der "Verbindung von Privatem und Politischem" noch stärker betont werden, erklärt Oy.

Einen Ansatz dafür hatte die dezentral arbeitende com.une.farce-Redaktion bereits in der im August erschienenen Nullnummer vorzulegen versucht. Doch wirkte das Interview zur Alltagssituation osteuropäischer Migrantinnen zwischen reichlich Selbstreflexion (wer sind wir, was machen wir hier und wen interessiert das überhaupt?) und noch mehr Netz-, Ideologie- und Fußballkritik ziemlich verloren. "Die Macher mußten erst mal einiges theoretisch-ideologische Magendrücken hinter sich bringen", schrieb dazu die taz.

In der Dezember-Ausgabe werden die Themen der Null-Nummer zum Teil fortgesetzt, wobei wiederum der eigene Publikationsort Internet samt einer Kritik daran im Vordergrund steht. Doch will die Redaktion dies ebensowenig als Schwerpunkt verstanden wissen wie die weiteren Themen Arbeit und Kommunikation: com.une.farce verzichte "bewußt darauf, als Redaktion Schwerpunkte zu setzen", betont Oy. Vielmehr seien die publizierten Themen "Ausdruck dessen, womit sich die einzelnen Leute, die die Zeitschrift machen, so beschäftigen".

Die Redaktion, die sich als Kollektiv von "Gruppen und Personen aus dem Spektrum der autonomen und radikalen Linken" begreift, stammt mehrheitlich aus dem Main-Rhein-Neckar-Raum. Auf mehreren bundesweiten Städtetreffen, die quasi als "Nachschlag" zum bundesweiten Autonomie-Kongreß 1995 in Berlin stattgefunden haben, sei, so Oy, über eine eigene Zeitschrift diskutiert worden. Übriggeblieben seien aber nur einige Leute aus Frankfurt, Tübingen und Stuttgart.

Gemeinsame Redaktionssitzungen sind selten. Vielmehr kommunizieren die einzelnen Lokalredaktionen per E-Mail. Texte werden hin- und hergeschickt, kritisiert, korrigiert, bis sie unter www. copyriot.com/unefarce ins Netz gestellt werden. Oder auch nicht: Bei nur einer Gegenstimme aus der Redaktion könne "ein Text auch gekippt werden", sagt Oy. Dennoch seien die bisherigen Erfahrungen mit dem dezentralen Redaktionsprinzip gut. Die Fixierung auf einen Standort, der sich bei anderen linken Zeitungen und Zeitschriften oft auch im Blatt wiederfinde, werde so vermieden. Doch auch die Nachteile seien klar: "Vieles bleibt eben an einzelnen Leuten hängen, vor allem an denen, die sich mit der ganzen Technik auskennen."

Dies wird von der Redaktion auch als Hauptproblem für "neue Leute, die gerne mitmachen würden" gesehen. com.une. farce sei offen für andere, unklar sei aber bislang, wie der kleine Redaktionskreis erweitert werden könne. Zudem zeigt sich in der aktuellen Ausgabe, daß die dezentrale Struktur bislang nicht besonders gut ausgebildet ist: Ein "Interview zur Arbeitssituation von Arbeitsuchenden aus Osteuropa in der BRD" ist mit zwei polnischen Jobbern aus Frankfurt am Main geführt worden.

Jerzy und Piotr sprechen über ihren Alltag, den sie als Arbeitsuchende auf der Hanauer Landstraße im Speckgürtel der Mainmetropole verbringen: schlechte Arbeit, miserable Bezahlung, keine Sozialversicherung, Streß mit Polizei und Behörden. Ein Gespräch, das von einer Lokalredaktion in Frankfurt an der Oder oder sonstwo in den "national befreiten Zonen" zwischen Rostock und Dresden mit polnischen Jobbern geführt würde, fiele wohl anders aus: weniger Arbeit, noch schlechtere Bezahlung, dafür mehr Rassismus.

Überhaupt findet sich in den bislang publizierten Ausgaben wenig zum offenen und alltäglichen Rassismus in Deutschland. Dafür umso mehr zur (Kritik der) Arbeit. Und mit dem italienischen Ex-Autonomia-Aktivisten Franco "Bifo" Berardi wurde in der aktuellen Ausgabe nicht nur ein Interview geführt, sondern für Februar auch ein Referent für eigene Veranstaltungen zum Thema "Immaterielle Arbeit" gewonnen. "So wollen wir vermeiden, allein in der Zeitungsarbeit stecken zu bleiben", sagt Gottfried Oy.

Wer com.une.farce lesen will, braucht Zeit. Die Texte sind zum Teil umständlich geschrieben und akademisch bis trocken. Dazu paßt ganz gut, daß die nächste Ausgabe, die im April erscheinen soll, einen oder mehrere Texte zum Thema Existenzgeld, bzw. "der Entkoppelung von Arbeit und Einkommen", enthalten wird. Nach Knaurs Fremdwörterlexikon kann man Farce nicht nur als Posse lesen, sondern auch als Verhöhnung. Und wer die Arbeit verhöhnt, hat zumindest schon mal einen guten Anfang gemacht.