Je te Pacs, Jacques!

Ob lesbisch, schwul oder hetero - die kleine Ehe, Pacs genannt, soll Frankreichs unverheirateten Paaren die ärgsten Diskriminierungen ersparen

Egalité - das galt bisher kaum für schwule und lesbische Paare. Dies soll anders werden, beschloß am 9. Dezember die französische Nationalversammlung, als sie den Gesetzentwurf über den Pacte civil de solidarité (Pacs), einen zivilen Solidaritätsvertrag für schwule, lesbische und heterosexuelle Paare verabschiedete. Diese Durchsetzung der Gleichstellungsregelung war ein schwieriges Unterfangen und bis zuletzt eine unsichere Sache. Debattiert wurde über den Entwurf immerhin seit 1990.

Eine Minderheit von sozialistischen Parlamentariern hatte es in dieser Legislaturperiode geschafft, die Angelegenheit auf die Tagesordnung zu setzen. War die Regierung Jospin zunächst wenig begeistert, sah sie es schließlich als notwendig an, die Geschlossenheit der Fraktion zu wahren und sich für den Gesetzesvorschlag zu engagieren.

Noch vor wenigen Wochen, am 9. Oktober, war der Vorschlag in der Nationalversammlung gescheitert, weil die Parlamentarier der Linken nicht zahlreich genug erschienen waren, um die Initiative durchzubringen. Konfrontiert mit einer Gegenkampagne katholischer Gruppierungen, die vor allem den Abgeordneten ländlicher Wahlkreise das Leben schwer machte, wollte eine Mehrheit der sozialistischen Fraktion gar nicht erst mit dem schwul-lesbischen Thema in Verbindung gebracht werden und zog es daher vor, der Sitzung fernzubleiben. 12 000 Bürgermeister (von insgesamt 36 000 in Frankreich) hatten zuvor eine Anti-Pacs-Petition unterschrieben, an deren Urfassung die brasilianische homophobe Fundamentalistensekte "Wahrheit und Leben" mitgewirkt hat. So hatten sich die Vertreter der Rechtsopposition in der Mehrheit befunden und auf Nichtbefassung plädiert, der Vorschlag sei verfassungswidrig. "Die Sozialisten schämen sich für den Pacs", betitelte Le Monde das Debakel.

Anfang November landete der Pacs-Vorschlag wieder im Parlament, doch eine systematische Obstruktionspolitik konservativer Parlamentarier sorgte dafür, daß die überfällige Debatte weiter hinausgezögert wurde. Mitte November verbreitete Le Monde die alsbald dementierte Information, seitens der Linksregierung habe man sich bereits damit abgefunden, daß der Gesetzestext nicht vor Ende 1999 verabschiedet wird, und dann ging plötzlich alles sehr schnell: Die Gleichstellungsregelung passierte noch in erster Lesung die Nationalversammlung.

Der Ultraliberale Alain Madelin enthielt sich der Stimme; eine gaullistische Abgeordnete, Roselyne Bachelot, stimmte sogar für den Pacs. Auf der Linken votierten - mit einer Enthaltung - die Koalitionsparteien geschlossen für den Pacs. Den Sozialisten mochten die Ankündigungen schwuler Organisationen, bei den Europa-Wahlen für die Grünen zu stimmen, auf die Sprünge geholfen haben, denn es waren vor allem die Alternativen innerhalb der "pluralen Linken", die sich für die Reform stark gemacht hatten.

Zwar ist der Rest reine Formsache; dennoch könnte das Procedere ein halbes Jahr in Anspruch nehmen - mindestens, denn das konservativ dominierte "Oberhaus", der Senat, wird alle Möglichkeiten nutzen, die Sache zu verzögern. Verhindern allerdings können auch die Hardliner diese Regelung nicht mehr.

49 Prozent der Franzosen äußerten in einer Umfrage, sie begrüßten den Pacs in der gegenwärtigen Form. Fast genau so viele, nämlich 48 Prozent, wollen sich nicht damit abfinden. Der sieht vor, daß zwei Personen desselben Geschlechts oder verschiedener Geschlechtszugehörigkeit versichern, sich "gegenseitige materielle Hilfe und Beistand" zu leisten. Ab dem dritten Jahr nach Abschluß eines Pacs werden sie gemeinsam besteuert, so wie verheiratete Paare ab dem Moment der Eheschließung. Leben beide in derselben Wohnung, hat nach dem Tod eines Partners der andere das Recht darauf, in den Mietvertrag einzusteigen.

Bisher wurden Homosexuelle in solchen Fällen regelmäßig auf die Straße gesetzt. Da ihrer Beziehung jegliche rechtliche Anerkennung fehlte - im Gegensatz zum concubinage, der wilden Ehe, die von den Richtern als faktische Tatsache anerkannt wird - , hatten schwule oder lesbische Mieter keinerlei Anspruch darauf, vom Eigentümer die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu fordern. Eine weitere Diskriminierung, die der Pacs beseitigen will, betrifft die Erbberechtigung. Da für die rechtlich nicht anerkannte Beziehung zwischen Homosexuellen keine Möglichkeit gemeinsamen Güterbesitzes bestand, fiel das Erbe des verstorbenen (kinderlosen) Partners automatisch dessen noch lebenden Eltern oder Geschwistern zu. Nunmehr wird nach Abschluß eines Pacs automatisch das gemeinsame Eigentum beider Partner an allen Gegenständen begründet, die sie nach Abschluß des zivilen Solidaritätspakts erwerben, es sei denn, sie treffen eine anderslautende Vereinbarung.

Auch gilt künftig der Pacs als Indiz dafür, daß der Partner oder die Partnerin, ist er oder sie ausländischer Nationalität, über "persönliche Bindungen" in Frankreich verfügt und in die Gesellschaft "integriert" ist. Zwar begründet dies noch keinen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis oder auf Einbürgerung, der Pacs muß jedoch von den Behörden berücksichtigt werden, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird. Auch in diesem Punkt sieht das neue Gesetz für das Pacs-Paar deutlich schlechtere Bedingungen vor als für die Normal-Ehe. So hat ein Ehepartner bereits nach einem Jahr einen Rechtsanspruch auf automatische Einbürgerung. Eine weitere Neuerung betrifft die Krankenversicherung; zukünftig wird ein Pacs-Genosse durch die Krankenversicherung seines Partners mit abgedeckt, sofern er über keine eigene verfügt.

Insgesamt behebt das Pacs-Gesetz die krassesten Formen der Diskriminierung, weiterhin jedoch werden unverheiratete Partnerschaften gegenüber der Ehe deutlich benachteiligt. Den Pacs-Gegnern allerdings gehen die Zugeständnisse bereits zu weit, es handele sich um eine "Homosexuellen-Ehe", mit der "Horrorvision", daß gleichgeschlechtliche Paare demnächst auch die Adoption von Kindern zugestanden werde.

Das Adoptionsrecht ist zwar vom derzeitigen Pacs-Text überhaupt nicht berührt, aber, so der Vorwurf, dies solle nur solange über die wahren Pläne der Gesetzesmacher hinwegtäuschen, bis der Pacs einmal durchs Parlament gekommen sei. "Pacs im November, Adoption im Dezember", lautete die Parole, die bei der Pariser Demonstration der Rechtskatholiken gegen den Pacs vom

7. November auf zahlreichen Transparenten zu lesen war. Wagen auch die wenigsten, öffentlich zu behaupten, Homosexualität sei "pervers", so beruft man sich doch darauf, daß Homosexualität "wiederum auch nicht zum Modell" werden solle. Der liberalkonservative Abgeordnete Dominique Paillé (UDF) erklärte im Figaro: "Es ist nicht Aufgabe des Gesetzes zu sagen, daß Homosexualität Rechte nach sich zieht. Das wäre eine furchtbare Botschaft an unsere Kirche."

Ein weiteres Argument von Pacs-Gegnern lautete, hier werde vertraglich eine "prekäre Beziehung" geschaffen, die im Gegensatz zur Ehe jederzeit kündbar sei, da beide Partner auf das Treuegelübde verzichten. "Echte Liebe pacst nicht", lautet der moralinsaure Slogan, der auf der Pariser Anti-Pacs-Demonstration propagiert wurde.

Dieses Argument wird besonders gepusht, da die katholischen Gruppen und Lebensschützervereinigungen, die die Anti-Pacs-Initiativen organisieren, sich darüber im klaren sind, daß dies gegenüber einem jüngeren Publikum besser ankommt als homophobe Propaganda.

Die Pacs-Gegner geben sich daher alle Mühe, den zivilen Solidaritätspakt als Ausdruck einer egoistischen und berechnenden Marktgesellschaft darzustellen, und im Gegenzug die Ehe als eine Institution, die das Individuum schütze, zu propagieren. Es ist offenkundig, daß diese Strategie insbesondere in einem katholisch sozialisierten Teil der Jugend verfängt. "Ich würde niemals einen Pacs eingehen, da ich jederzeit von meinem Partner verstoßen werden könnte" - so oder ähnlich argumentierten die jüngeren Teilnehmer der Anti-Pacs-Demo vor den Fernsehkameras.

Klar ist, daß die Anti-Pacs-Kampagne sich vor allem auf die schwulen- und lesbenfeindlichen Ressentiments stützen kann; immerhin würden 67 Prozent der Franzosen der Gesetzesregelung zustimmen, fände das Anti-Diskriminierungsgesetz lediglich auf heterosexuelle Paare Anwendung (in der gegenwärtigen Form stimmen nur 49 Prozent zu). 18 Prozent lehnen den Pacs also explizit ab, weil er Homosexuellen offensteht. Lesben und Schwule sind jedoch die Hauptzielgruppe der Neuregelung, von der zwar auch unverheiratete Heteros profitieren, diese aber besaßen bereits durch die rechtliche Anerkennung des concubinage einen gewissen Rechtsschutz.

Die Sozialisten hatten - unter dem Druck der Gegenkampagne - zeitweise versucht, diese eigentliche Idee des Pacs zurückzudrängen, indem sie in der Gesetzeskommission des Parlaments entschieden, auch Geschwisterpaare (gleichen oder ungleichen Geschlechts) einzubeziehen. Mit dieser Variante sollte der Solidaritätspakt "entsexualisiert" und von der sexuellen Beziehung abgekoppelt werden.

Damit allerdings lieferten die Sozialisten der Rechtsopposition ein neues Argument, das die "Willkür" des Pacs beklagte. Die Sozialistenfraktion hat insofern einen Rückzieher gemacht, als sie die Geschwister-Variante inzwischen wieder aus dem Pacs-Text herausgenommen hat, um dieser Gruppe weiterhin fast alle Rechtsmöglichkeiten des Pacs, mit Ausnahme des besonderen Erbrechtsstatus, offenzuhalten.

Technische Mängel sind ein weiteres Argument, das die bürgerlichen Oppositionsparteien gegen den Gesetzentwurf der Jospin-Regierung anführen. So wird festgestellt, die vom Pacs behandelten Probleme (Erbrecht, Steuerbegünstigungen) seien auch durch einige Änderungen am Steuergesetz und Zivilgesetzbuch zu regeln gewesen. Dafür sei es nicht notwendig gewesen, extra ein neues juristisches Statut "zwischen Ehe und concubinage" zu schafffen. Die Anhänger dieser Argumentation sprechen sich nicht prinzipiell dagegen aus, homosexuellen Paaren Rechte einzuräumen, wollen aber entweder die Schaffung eines neuen Statuts (wegen der Gefahr, dieses könne eine "Modellfunktion" ausüben) vermeiden oder stimmen aus parteipolitischen Gründen mit ihren katholisch-reaktionären Parteifreunden gegen den Pacs.