»Reha-Treff«

Daß es inhaltliche Unterschiede zwischen verschiedenen Alufolien gibt, lernt man in der Fernsehwerbung. Auch an tiefgefrorene Spiegeleier für die Mikrowelle wird man sich bald gewöhnt haben, Fertigbratkartoffeln gehören ja bereits zum Alltag. Dennoch gibt es Bereiche, in denen man sich klassische Vermarktungsmaßnahmen noch kaum vorstellen kann. Etwa im Nachttopfhandel.

Seit allerdings auch das Gesundheitswesen dem ungezügelten Markt geöffnet worden ist, müssen sich nicht nur Arzneimittelhersteller an den Wettbewerb gewöhnen. Auch Reha-Shops versuchen tapfer, sich gegen ihre Konkurrenten ein paar Straßen weiter zu behaupten, denn rund um Krankenhäuser und Altenzentren bilden sich riesige Apotheken-, Drogerie- und Reha-Shop-Ballungsräume. Hilfsmittel werden zu Lifestyle.

Die Marketingmethoden sind je nach Gemüt der Ladenbetreiber verschieden. So stellt ein Berliner Geschäft seine Urineimer, Stützstrümpfe und Holzhände nicht einfach nach Raumgesetzen geordnet ins Schaufenster, nein, es werden dazu künstliche Spinnennetze aufgespannt und synthetischer Schnee gestreut, angereichert durch Ensembles leuchtend blauer Steine, die ein wenig an Toilettensteine erinnern. In der Mitte wacht ein riesiger Papp-Pinguin über besonders saugstarke Erwachsenenwindeln. Hübsch, zweifelsohne, doch was mag es bedeuten? Schnee ist, und Einsamkeit herrscht? Der Herbst des Lebens geht über in einen strengen Winter? Das Pflegepersonal sollte nicht so kalt sein?

Ein konkurrierendes Geschäft hält mit und macht die Ware selbst zum Kunstwerk. So stellt es einen Rollstuhl aus Edelholz aus, der, so wird versichert, aparter sei als jeder Rolli, den man Großmutter je untergeschoben hätte. Und tatsächlich: Das Holz ist sorgsam lasiert, das Sitz und Lehne bespannende Leinen ist natürlich grob, aber sauber. Man sieht bereits das anthroposophisch orientierte Internistenpärchen in seinem Kiefernholzloft den Opa in die Ecke drapieren - Kranker und Vehikel: ein Bildnis aus uralter Zeit. Praktisch ist hier, daß die Fußstütze viel zu klein und zu eng bemessen ist und die Räder für Bewegungswillige recht schwer errreichbar sind. Kurz: "Vater" kann damit keinen Scheiß bauen. Sehr apart.

Ein renommierter Laden in Kreuzberg arbeitet dagegen weniger mit schnödem Dekor oder frappierendem Luxus, sondern mit einem extrem angenehmen Verkaufsumfeld. Was genau da seit Jahr und Tag als "Reha-Treff" firmiert, weiß man nicht, ganz offenbar aber will es mehr als nur ein Geschäft sein. Kommunikationszentrum heißt hier das Zauberwort. Zum Dekubituskissen wird höchstwahrscheinlich Kaffee und Gebäck gereicht, die neue Wechselkammermatratze gar mit Sekt kräftig begossen.

Der Trend zur Zweitprothese hält an.