»Aufbau« wird kein »Max«

Ein Gespräch mit Chaja Koren, die den in New York erscheinenden Aufbau gekauft hat

Über das Ende des Aufbau wurde schon seit längerem gemutmaßt. Und kaum wird ein konkreter Termin für das Ende der Zeitung genannt, da tauchen Sie plötzlich als Retterin auf?

Ich betreibe in Frankfurt einen Verlag und lebe sowohl in Frankfurt wie in Miami. Außerdem gebe ich einen Kalender heraus,"Jüdische Frauen im Spiegel der Geschichte". Der Aufbau hatte eine sehr schöne Rezension darüber geschrieben. Ich habe mich bei der Redaktion bedankt und bin so mit ihnen in Kontakt gekommen. Dadurch habe ich von Schwierigkeiten der Zeitung gehört, aber das eigentlich wieder vergessen. Zur Unterstützung wollte ich den Aufbau abonnieren ...

... und dann haben Sie statt dessen den Aufbau gekauft.

So ungefähr. Ich war schockiert, als der SOS-Rundbrief der Herausgeber bei mir eintrat, in dem das Ende des Aufbau zum 19. Februar angekündigt wurde. Ich fand, das darf nicht passieren, schon gar nicht im 65. Jahr des Erscheinens. Daraufhin habe ich mich mit Fritz Weinschenk in Verbindung gesetzt, dem stellvertretenden Herausgeber, der gleichzeitig auch der Anwalt des Aufbau ist. Wir hatten sofort einen sehr guten Draht zueinander.

Das hört sich sehr nach einer spontanenen Entscheidung an und nicht nach kaufmännischem Kalkül.

Ich sehe im Aufbau eine Zukunft. Darin haben mich auch die unzähligen Briefe bestärkt, die nach dem Hilferuf in der New Yorker Redaktion eintrafen. Der Tenor war fast immer gleich: "Laßt den Aufbau nicht sterben. Das ist ein Stück Heimat für uns. Meine Eltern haben bereits den Aufbau gelesen und ich lese ihn weiter." Wenn sie auch klein ist, bei einer derzeitigen Auflage von 5 000, die Leserschaft steht hinter der Zeitung. Ein solches Prestigeobjekt darf nicht untergehen. Damit verbindet sich jüdische Tradition und Exilgeschichte. Literaten wie Thomas Mann haben hier Artikel veröffentlicht. Deshalb meine Entscheidung, den Aufbau zu retten.

Ich betreibe ja in Frankfurt den Orgler Verlag. Wir bringen jüdische, hebräische und israelische Literatur nach Deutschland mit dem Ziel, eine Brücke zu bauen zwischen Juden und Nichtjuden - zu jungen Deutschen, die sich für das Judentum heute interessieren. Und dieses Interesse eint uns mit der Philosophie der Aufbau-Redaktion.

Eines der großen Probleme des Aufbau ist, daß die treuen Leser, die aus Deutschland geflohenen jüdischen Frauen und Männer, sterben, die Kinder und Enkelkinder sich zwar zur Tradition ihrer Eltern bekennen, aber kaum noch der deutschen Sprache mächtig sind. Wie wollen Sie das etwas antiquierte Konzept, sich nach wie vor am jüdischen Exil zu orientieren, aufbrechen?

Das wird ein Spagat. Wir müssen weiterhin noch in Deutsch schreiben, denn es gibt ja noch sehr viele Emigranten, die sich in dieser Zeitung wiederfinden und sich darin wohlfühlen. Allerdings gibt es bereits jetzt eine vierseitige englische Beilage. Vielleicht werden wir sie erweitern und dann irgendwann ganz auf Englisch umstellen.

Wie wird der neue Aufbau aussehen?

Der Holocaust bleibt ein Thema. Aber in den Vordergrund der Berichterstattung werden Kunst und Kultur aus den Vereinigten Staaten treten. Wir werden Eventjournalismus betreiben, das jüdische Leben in Amerika und das jüdische Milieu in New York beleuchten, über jüdische Feste und Rituale berichten. Das ist auch interessant für Nichtjuden.

Wir wollen darüber hinaus unseren Lesern in den USA das jüdische Leben in Deutschland näher bringen, sie informieren, was beispielsweise in Berlin los ist. Darüber erfahren sie wenig. Korrespondenten in Israel sollten verstärkt von dort berichten. Und natürlich muß das Layout modernisiert werden. Meine Idee ist es, den Aufbau als Monatsmagazin herauszugeben.

Werden die Änderungen Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Redaktion haben?

Nein, die Redaktion wird auch weiterhin aus drei festangestellten RedakteurInnen bestehen. Dazu kommen noch drei PraktikantInnen.

Die meisten, die beim Aufbau ein Praktikum machen, sind nicht-jüdischer Herkunft. Gibt es da überhaupt eine Sensibilität für jüdische Themen? Die PraktikantInnen aus Deutschland arbeiten doch eher die deutsche Vergangenheit auf.

Es sind junge Deutsche, die zum Teil in Bibliotheken den Aufbau gelesen haben. Sie fanden die jüdische Thematik spannend, weil sie "noch nie einen Juden gesehen haben" und wissen wollen, wie Juden heute leben. Drei Monate beim Aufbau geben ihnen einen Eindruck von der Vielfältigkeit jüdischen Lebens.

Das mag ja ein schönes Emanzipationsprogramm für angehende JournalistInnen sein, aber reicht das?

Es sind doch nicht nur die PraktikantInnen, die schreiben. Wir haben ein Korrespondentennetz. Der Aufbau ist ja nicht gerade eben erst entstanden. Aber die PraktikantInnen gehen raus in die Stadt und berichten darüber in zum Teil sehr guten Artikeln, die uns auch einen anderen Blickwinkel verschaffen. Die Zeitung muß jünger werden, moderner.

Wollen Sie etwa das ehemalige eher bieder wirkende Flaggschiff der jüdischen Migration zu einem jüdischen Zeitgeistmagazin ummodeln?

Der Aufbau wird nicht bunt und peppig, das wird kein Max werden. Das geht schon von der Thematik her nicht. Er wird aber ein intellektuelles Blatt sein, das sich an ein jüngeres jüdisches Publikum richtet, auch in Deutschland. Längerfristig werden wir ein Büro in Frankfurt oder Berlin eröffnen.

In Deutschland erscheint zweiwöchentlich die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung. Besteht nicht die Gefahr, daß sich beide Zeitungen gegenseitig das Wasser abgraben?

Wir wollen keine Konkurrenz zur Allgemeinen oder zur vierteljährlich erscheinenden Tribüne sein. Wir werden von New York aus in Deutsch über jüdisches Leben in aller Welt berichten, aus den jüdischen Gemeinschaften in Argentinien und Mexiko ebenso wie aus Israel oder Berlin. Dies wird weder von der Allgemeinen noch von der Tribüne so gemacht.

Wieviel werden Sie in die Sanierung und den Ausbau des Aufbau investieren?

Zuerst einmal investiere ich woman power. Die Verträge werden zur Zeit ausgearbeitet, sie sind noch nicht unterschrieben. Und dann schaue ich mir noch die konkreten Zahlen an. Wieviel mich das kosten wird, darüber kann ich Ihnen noch keine Auskunft geben.

Haben Sie sich einen zeitlichen Rahmen für die Sanierung und Konsolidierung des Aufbau gegeben?

Wir werden die anstehenden Aufgaben nach und nach lösen. Aber erstmal eine Sonderausgabe zum 65. Erscheinungsjahr des Aufbau herausbringen und dieses Jubliäum groß feiern. Schließlich ist die Zeitung ein Mythos. Und der Mythos Aufbau darf nicht sterben, auf gar keinen Fall.