Antideutsche an einen Tisch!

Zwar soll das Hermannsdenkmal geschleift werden, wer das aber mißversteht, hat die Rechnung ohne die Feinde des Vaterlandes gemacht: Die Antideutschen ziehen in eine Konferenz
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Bis zum 24. März schien die Welt der Antideutschen in Ordnung. Jahrelang hatten sie unter Parolen wie "Nie wieder Deutschland!" (1990) oder "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland" (1991) gegen den deutschen Anspruch auf Normalität demonstriert, hatten darauf bestanden, daß der deutsche Sonderweg nach 1945 nicht aufgegeben worden sei, und zu Recht gefordert, die Linke müsse sich zuallererst gegen die Neuformierung der deutschen Nation stellen.

Die Bomber der Nato aber, unter ihnen vierzehn Tornados der Bundeswehr, haben auch die antideutschen Truppen nicht verschont. So hielt Matthias Küntzel im Frühjahr fest, daß der Krieg, der auch für ihn zuallererst ein deutscher Krieg war, mehr noch als der Fall der Mauer eine Zäsur darstelle, die "auch der antinationalen Linken ein 'Weiter wie bisher' nicht erlaubt, sondern sie mit neuen analytischen und politischen Herausforderungen konfrontiert". (Jungle World, Nr. 16/99)

Zu laut aber durfte während des Krieges nicht nachgedacht werden, und damit die Heimatfront nicht zusammenbrach, begann eine Propaganda-Offensive, mit der der gesamten deutschen Linken einschließlich dieser Zeitung vorgeworfen wurde, sie hätten sich gegen den Jugoslawien-Krieg nicht oder nicht konsequent verhalten und unter dem Strich die Geschäfte der rot-grünen Regierung betrieben (so Jürgen Elsässer beispielsweise in der Jungle World, Nr. 29/99).

Um die theoretischen Kriegsschäden zu beheben, haben nun die Redaktion der Zeitschrift Bahamas, die Initiative sozialistisches Forum (ISF) und das Detmolder Antinationale Plenum für den 1. und 2. Oktober zu einem Sammeln in Berlin geblasen. Wie gewohnt, ist der Kreis der Referenten enggezogen. Wer sich sein antideutsches Verwundetenabzeichen nicht verdient hat, den wird man auf dem Podium nicht finden. Der Titel der Konferenz, "Zehn Jahre später: Eine antideutsche Bilanz", scheint angemessen: So feiern sich Veteranen, um sich gegenseitig zu versichern, man habe eigentlich immer recht gehabt und deshalb auch einen Grund zum Jubiläum.

Wer jedoch frühere Äußerungen

der Antideutschen mit Aufruf und Programmankündigung der Konferenz vergleicht, wird zumindest kleine Änderungen in Strategie und Taktik bemerken. So schreiben die neue (Berliner) Bahamas-Redaktion und die Freiburger ISF im Aufruf: "Nur verläuft nicht alles so spektakulär wie die pathetische Formel vom 'Meister aus Deutschland' es nahelegt. Kein neuer Faschismus bricht sich Bahn, noch nicht einmal ein krasser Bruch mit den Bonner Zuständen von vor 1989 ist zu verzeichnen, sondern die scheinbar unauffällige Transformation der formierten und doch nicht weniger pluralen Gesellschaft. Die scheinbare Harmlosigkeit und 'Normalität' der großdeutschen Verhältnisse nehmen Linke zunehmend und in gewohnter Skrupellosigkeit zum Anlaß, die Rolle der konstruktiven Opposition zu besetzen."

Damit aber niemand von der Fahne geht, besinnt sich der Konferenz-Aufruf noch rechtzeitig: Die Linke (also alle außer den Antideutschen) "vollzieht nach, was der Mainstream seit Jahren vormacht, und läßt Auschwitz in einem Jahrhundert der Barbarei, wo alle Deutschen grau sind, untergehen".

Welche Linken? Ein Feind war schnell ausgemacht, und so hieß es "Feuer frei": "Ein beliebiges Beispiel: Im August-Heft der renommierten internationalistischen Zeitschrift iz3w wird ganz zeitgeisttypisch über das 'Jahrhundert der Lager' schwadroniert. Man hat sein 'Schwarzbuch des Kommunismus' intus und man hat überdies seinen Antinationalismus so gut gelernt wie früher die Worte des großen Steuermanns. Daß die zur Gegnerschaft zum Nationalismus verwässerte Kritik der Nation unter Linken nun derart beliebt ist, ist Abbild einer veränderten Weltsituation."

Ein Blindgänger? Die blätter des informationszentrums 3. welt (iz3w) jedenfalls schossen mit einem Offenen Brief zurück: "Wer unser Heft 'Jahrhundert der Lager' gelesen hat, wird feststellen, daß es uns gerade nicht darum geht, Auschwitz in einem Jahrhundert der Barbarei (...) untergehen zu lassen. (...) Uns in die Tradition (...) der Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen zu stellen, ist nicht mehr Polemik, sondern bloße Denunziation (...)."

So ist also alles auf Krieg eingestimmt, und damit geht es am Abend des 1. Oktober auch gleich los: "Deutschland ist kriegstauglich - die Linke auch?" Unter der Moderation von Justus Wertmüller sitzt mit Matthias Küntzel, Thomas Becker, Joachim Bruhn, Jürgen Elsässer, Heiner Möller und Uli Krug die Prominenz der Antideutschen an einem Tisch und diskutiert "Antideutsche Positionen zum Menschenrechtskrieg". Das könnte spannend werden, wenn die vorab in konkret, Jungle World und Bahamas veröffentlichten Positionen der Referenten noch tapferer verteidigt werden. (TU, Mathe-Gebäude, 18 Uhr)

Auf dem eigentlichen Kongreß am

2. Oktober in der Humboldt-Universität soll auf drei Podien und in fünf Arbeitsgruppen ein umfängliches Programm abgearbeitet werden. Schwerpunkt ist dabei "Antinationalismus und Antideutsche Kritik", dabei diskutieren Clemens Nachtmann und Gerd Kuhnen ein Problem für Fortgeschrittene: "Ist antideutsche Kritik nur eine Spielart des Antinationalismus oder handelt es sich um zwei grundsätzlich verschiedene Vorhaben?" (Hauptgebäude, Raum 2002, 10 Uhr)

Ab 13 Uhr laufen parallel fünf Arbeitsgruppen: " Deutsche Vergangenheitspolitik", "Menschenrecht bricht Staatsrecht", "Rassismus und Antirassismus in der 'wehrhaften Demokratie'", "Arbeit als Gemeinschaftsdienst" und "Poststrukturalismus - auf der Höhe von Sein und Zeit". Um 16 Uhr stellen sich Heiner Möller, Uli Krug und Klaus Wehmeier auf dem Podium im Raum 2002 die überraschende Frage: "Deutschlands Menschenrechtskrieg gegen Jugoslawien - ethisch getarntes Interesse oder 'Stimme des Gewissens'?"

Für das Abschlußpodium zu "Postfaschistischer Normalität und antideutscher Kritik" werden Stephan Grigat, Ulrich Enderwitz und Justus Wertmüller die Tauglichkeit der Waffen prüfen: "Auch die linksradikale Kritik droht zum symbolischen Kapital im kulturindustriellen Verdrängungswettbewerb zu degenerieren. Gerade die sogenannte Kritische Theorie, die sich aufgrund der abgeschnittenen revolutionären Praxis gezwungenermaßen auf den Begriff zurückzog, scheint leider zu diesem Zwecke besonders begehrt." (Raum 2002, 19 Uhr)

Wer jedoch meint, daß die Aktion "Sprengt das Hermannsdenkmal" auf dem abschließenden Bunten Abend "für Feinde des Vaterlandes" im Kreuzberger SO 36 wirklich ernsthaft gemeint sein sollte, wird auf jeden Fall enttäuscht werden. Trotzdem finden wir diese Anspielung ausgesprochen hübsch.