Wie spricht die Linke?

Falsch/richtig, richtig/falsch

Bei einem Podium über "Linke Perspektiven in Südosteuropa", das Teil einer linken Veranstaltungsreihe über "Positionen und Hintergründe zum Krieg" im Kosovo ist, kann es zu Mißverständnissen kommen. Vor allem dann, wenn Aktivisten aus den verschiedenen Teilen Jugoslawiens versuchen darzulegen, was es in anderen regionalen Kontexten heißen mag, gegen die "Politik", das Regime und dessen Machtlogik anzutreten. So war es zumindest Anfang September in der Roten Fabrik in Zürich bei der "BalkanAgenda".

Schwierigkeiten taten sich schon auf, als versucht wurde, das westliche Konzept linker politischer Opposition auf jugoslawische Verhältnisse anzuwenden. Keine der Kennzeichnungen wie "links", "Politik", "Opposition" wird dort von Leuten, die mit ihrer Dissidenz emanzipative, antinationalistische, antirassistische, antipatriarchale Ziele verfolgen, benutzt. Mit welchen Worten will man sich verständigen?

In Jugoslawien wird unter "Politik" ein System von staatlicher Korruption, Unterdrückung und Täuschung verstanden. Das Buch von Dubravka Ugresic etwa, "Die Kultur der Lüge", eines der lesenswertesten Bücher über die Kriege in Jugoslawien, trägt in der südslawischen Originalfassung den Untertitel "Antipolitische Aufsätze". In der deutschsprachigen Ausgabe fehlt er.

Die Vorstellung einer außerparlamentarischen Opposition ist nicht geläufig. Schon eher spricht von Dissidenz, wer Kämpfe gegen Unterdrückung benennen will. "Opposition" ist Teil der korrupten Staatsstrukturen und nimmt am nationalistischen Diskurs teil. Sie paktiert mit der Regierung, wenn sie sich daraus Vorteile erhofft, und erhebt den moralischen Zeigefinger, wenn es ihr opportun erscheint.

"Die Linke" bedeutet in Jugoslawien im allgemeinen das Regime. Die Jugoslawische Vereinigte Linke ist die Partei, die von Mira Markovic, Ehefrau des Slobodan Milosevic, angeführt wird. Zwar erinnern sich Leute älterer Generationen, wie der am Podium teilnehmende Filmemacher aus Novi Sad, Zelimir Zilnik, noch an Versuche, vor 1989 ein (echtes) linkes Projekt gegen die (falsche) "Linke" an der Macht durchzusetzen. Und aus einer anderen Tradition heraus, nämlich einem Bezug auf anarchistische Positionen, die vor 1989 diskutiert wurden, mögen sich auch jüngere AktivistInnen wie Sarah und Marko, die aus Zagreb angereist waren, positiv auf "linke" Ideen beziehen.

Am schwierigsten in hiesige politische Diskussionen einzureihen, erschien das Votum von Jeta Xharra, Mitinitiatorin eines Frauen-Medienprojektes in Pristina. Das Jugoslawien, auf das in westlichen Diskussionen immer wieder verwiesen werde, habe sie nie gekannt. In den achtziger und neunziger Jahren sei das Kosovo bereits gründlich "ethnisiert", die "Ethnisierung" durch die Gewalt der Regierung und die Diskriminierung in die Körper der Leute eingeschrieben gewesen.

Xharra verurteilte die Vertreibungen nach dem Ende der Nato-Bombardierungen. Letztere seien jedoch notwendig gewesen, um den Angriffen der jugoslawischen Regierung auf AlbanerInnen im Kosovo ein Ende zu setzen. Da mußte der eine oder andere Besucher schlucken. Zu unterschiedlich waren die begrifflichen Systeme und zu sehr war dem Publikum daran gelegen, zunächst die verschiedenen Positionen zu kontextualisieren, um zu einer ernsthaften Auseinandersetzung zu kommen.