Mehr Bier für Kleppe

Aus den norwegischen Kommunalwahlen ist vor allem die rechtsextreme Fremskritts-Parti erfolgreich hervorgegangen

Die skandinavischen Nachbarn müssen sich über die Norweger regelmäßig wundern. Ist das kleine Land mit ungefähr 4,5 Millionen Einwohnern doch das nach dem Pro-Kopf-Bruttoeinkommen hinter der Schweiz zweitreichste der Welt - gleichzeitig aber nicht besonders willig, die Ölmilliarden zu teilen. Vor allem nicht mit Zugewanderten: Regelmäßig erreicht die rechtsextreme Fremskritts-Parti (Fortschritts-Partei) mit ihrem populistischen Mischmasch aus Rassismus und Vorschlägen zur Bierpreis-Senkung knapp zehn Prozent der Wählerstimmen.

Während des norwegischen Kommunalwahlkampfs in den vergangenen Wochen waren die Schlagzeilen für die Fremskritts-Parti wie gewöhnlich negativ. Denn entgegen der offiziellen Stellungnahme eines ihrer obersten Repäsentanten, Vidar Kleppe, nach der in der Partei "keine Rassisten, sondern Realisten" versammelt seien, nahm der Kampf der Fremskritts-Politiker um die Stimmen der "Dorfdeppen und Dauernörgler", die die norwegische Tageszeitung Dagbladet als deren Wähler ausgemacht hat, immer groteskere Formen an.

Sogar Parteichef Carl I. Hagen war zunehmend damit beschäftigt, aus seiner Partei erhobene Forderungen wie die nach Lagern für Asylbewerber zu relativieren. Hinzu kam ein politischer Skandal: Während die Fremskritts-Parti offiziell vehement gegen die Aufnahme kosovo-albanischer Flüchtlinge war, verdiente einer ihrer Storting-Abgeordneten gleichzeitig an ihnen.

Per Roar Bredvold vermietet Immobilien als Unterkünfte für Asylbewerber, rund 250 000 Mark im Jahr erhält er vom norwegischen Staat für einige Immobilien in der kleinen Stadt Flisa, in denen unter anderem Kosovo-Albaner untergebracht wurden. Bredvold verdiente gleich doppelt: Die Asylbewerber nutzte er nicht nur als Mieter, sondern auch als billige Arbeitskräfte. Für 15 Kronen pro Stunde, umgerechnet weniger als vier Mark, ließ er die notwendigen Renovierungsmaßnahmen in seinen Immobilien von den Kosovo-Albanern ausführen.

Immerhin blieb es nicht bei Negativ-Schlagzeilen, es entwickelte sich ein neuer norwegischer Sommersport, der darin bestand, den Parteifunktionär Vidar Kleppe, dessen Lieblingsszenario ist, daß in weniger als 90 Jahren ein Viertel der in Norwegen Lebenden nichteuropäischer Herkunft sein werde, und daß dieses Viertel dem Land "eine moslemische Lebensweise" aufzwingen werde, mit Bier zu überschütten.

Den Anfang machte ein Redakteur der Zeitschrift Journalisten, der in einem beliebten Club einen halben Liter über Kleppe ausgoß. Obwohl solcherart Antifaschismus in Norwegen kein billiges Vergnügen ist - 0,5 Liter Bier kosten umgerechnet zehn Mark - fand er rasch Nachahmer, vor allem, als bekannt wurde, daß der Weintrinker Kleppe Bier verabscheut.

Die Fremskritts-Parti sah darin einen erneuten Beleg für die systematische Hetze gegen sich. Der Lächerlichkeit preisgegeben und von der norwegischen Presse angeblich grundsätzlich außen vor gelassen oder falsch zitiert, posierte sie als Opfer durchweg gemeiner Machenschaften.

Was ihre Wähler wohl genauso sahen: Bei den Kommunalwahlen am 14. September konnten die Rechtsradikalen mit rund acht Prozent der Stimmen "endlich den Durchbruch auch auf der kommunalen Ebene feiern", wie sich Carl I. Hagen freute. Mit 985 lokalen Repräsentanten insgesamt stellt man nun 290 mehr als noch vor vier Jahren.

Dabei profitierte die Fremskritts-Parti wohl einerseits von der mit knapp 59 Prozent schlechtesten Wahlbeteiligung seit über 50 Jahren und andererseits von der Schwäche der Regierung Bondevik. Der Christdemokrat Kjell Magne Bondevik steht der kleinsten Minderheitenregierung Europas vor, gemeinsam mit der Zentrumspartei (SP) und der liberalen Venstre verfügt er über 27,6 Prozent der Wählerstimmen und ist auf wechselnde Mehrheiten angewiesen.

Nicht nur deswegen hatte Bondevik bei der Kommunalwahl ein Fiasko befürchtet. Die Regierungskoalition hatte es in diesem Jahr immer wieder geschafft, die Wähler zu verärgern. Die im Sommer angekündigte Erhöhung der Mineralölsteuer von umgerechnet 2,50 Mark pro Liter Benzin um eine Mark empörte besonders die Landbevölkerung - in Norwegen, das einmal umgeklappt bis nach Italien reichen würde, gilt das Auto als unverzichtbares Transportmittel.

Und auch die Gewerbetreibenden, besonders im norwegisch-schwedischen Grenzgebiet, waren sauer: Ihnen laufen die Kunden weg. Denn in Schweden entstehen an den Grenzen immer mehr riesige Supermärkte, deren Angebot speziell auf die norwegische Kundschaft ausgerichtet ist. Um ein Drittel bis zur Hälfte billiger kann man dort einkaufen, die Anreise lohnt sich sogar für diejenigen, die mehrere Hundert Kilometer entfernt wohnen. Die Supermärkte bieten diesen Kunden sogar gegen eine Leihgebühr einen transportablen Tiefkühlautomaten an, in dem die Waren, ohne aufzutauen, durchs halbe Land gefahren werden können.

Erst kurz vor den Kommunalwahlen kündigte die norwegische Regierung an, die Preise für Grundnahrungsmittel deutlich zu senken, was zunächst beifällig kommentiert wurde. Den "Schwedenhandel" wird dies allerdings nicht unbedingt verringern, denn auch die deutlich niedrigeren Alkoholpreise im EU-Nachbarland locken viele Norweger, die in den schwedischen "Systembolagets" stundenlange Wartezeiten verursachen und Schwedens Trinker verärgern.

Diese Zugeständnisse verhinderten wohl eine Wahlkatastrophe für die Regierungsparteien. Die Christdemokraten verloren zwar deutlich an Stimmen, der Regierungspartner SP gehörte allerdings zu den Wahlgewinnern, so daß Bondevik sein Bündnis als "aus den Wahlen gefestigt hervorgegangen" feiern konnte.

Das ist wohl weniger sein Verdienst, als Beleg für die derzeitige Schwäche der Opposition, die mit ihrer Rolle nicht besonders gut zurechtzukommen scheint. Die sozialdemokratische Arbeider-Parti (AP), die über Jahre hinweg traditionell Norwegen regierte, verlor insgesamt 284 Sitze. Dabei konnten andere linke Parteien, wie Sosialistik Venstre (SV) und die R¿d Valg Allians (RV) gewinnen - 47 Sitze hat nun die SV mehr, die kleine RV konnte sich um fünf verbessern.

Trotz des "elendigen Wahlergebnisses" (Dagbladet) für die Sozialdemokraten, die mit rund 30 Prozent der Stimmen ihr schlechtestes Resultat seit vielen Jahrzehnten erzielten, erklärte AP-Parteichef Thorbj¿rn Jagland: "Wir sind in keiner besonders tiefen Krise." Dabei kommt die Kritik vor allem aus den Reihen der AP. Schon während des Wahlkampfes war er von Parteimitgliedern wegen seines mangelnden Führungsvermögens und seiner angeblichen Unfähigkeit, mit der Parteibasis zu kommunizieren, angegriffen worden. Jagland steht in dem für Norwegen unüblichen Ruf, seine Gegner hart zu bekämpfen.