Schafft zwei, drei, viele UCK

Nach dem offiziellen Ende der Demilitarisierung fängt für die Ex-Befreiungsarmee der Kampf erst richtig an: Die UCK will zur Nationalgarde eines unabhängigen Kosovo werden

Juristisch betrachtet hatte der Aufmarsch von 3 000 Soldaten der Kosovo-Befreiungsarmee in Pristina am Sonntag nur einen kleinen Schönheitsfehler. Doch der ist bezeichnend für die Machtverhältnisse im Kosovo: Die von Zehntausenden Kosovo-Albanern besuchte Militärparade durch die Provinzhauptstadt - von der UCK-Führung vollmundig als Auflösungsfeier der eigenen Armee deklariert - hätte es gar nicht geben dürfen; sie war illegal. Denn in dem zwischen Nato und UCK geschlossenen Demilitarisierungsabkommen hatte der damalige Oberkommandierende der UCK, Hashim Thaqi, bereits im Juni zugesichert, daß seine Soldaten sich öffentlich nicht mehr in Uniformen zeigen würden.

Es blieb bei dem Versprechen - ohne daß die Kfor ihren Kurs gegen die Rest-UCK in den letzten Wochen ernsthaft verschärft hätte. Was auch erklären könnte, weshalb die bewaffneten Protektoren den UCK-Triumphmarsch durch die Hauptstadt der rechtlich weiterhin zu Jugoslawien gehörenden Provinz am Wochenende genehmigten: Nach drei Monaten augenzwinkender Kumpanei mit den Ex-Freischärlern konnten sie gar nicht mehr anders, als die Soldaten gewähren zu lassen. Das Vorgehen der Kfor-Führung hat System: Um den neuen Machtverhältnissen in der Provinz nach dem Abzug der serbischen Truppen Rechnung zu tragen, hat sie sich immer weiter von ihren Nachkriegsvereinbarungen entfernt. Daß sich die Ex-Rebellen zuletzt noch einmal öffentlich in Uniform zeigen durften, gehört noch zu den kleineren Verstößen gegen die K+90 genannte Vereinbarung, die die Entwaffnung und Demilitarisierung der Kosovo-Truppe in drei Stufen von jeweils 30 Tagen, d.h. bis zum vergangenen Sonntag vorsah.

"Die UCK wandelt sich, sie wird nicht mehr UCK heißen, aber sie wird eine Verteidigungsstreitmacht für die Bürger und das Territorium des Kosovo sein", widersprach denn auch der inzwischen zum politischen Chef der Armee avancierte Thaqi all den Kfor-Offiziellen, die in den Tagen zuvor optimistisch auf das bevorstehende Ende der UCK hingewiesen hatten. Das, versicherte auch Thaqis Nachfolger als Militärchef, Agim Ceku, bedeute das Ende der Demilitarisierung eben nicht: "Heute beenden wir den Marsch für die Freiheit, aber wir beginnen den Marsch für die Zukunft des unabhängigen Kosovo und seiner Armee."

Das hatte sich die Kfor-Führung anders vorgestellt. Noch am Tag vor dem offiziellen Ende der Demilitarisierung machte der designierte Nachfolger von Kfor-Chef Michael Jackson, der deutsche General Klaus Reinhardt, die Marschrichtung des Westens deutlich. "Die UCK soll in eine zivile Organisation überführt werden, die beim Wiederaufbau hilft und zur Unterstützung der Bevölkerung eingesetzt werden kann. Die UCK, die für das eigene Land gekämpft hat, kann eigentlich keine bessere Rolle einnehmen als sich nun mit friedlichen Mitteln für den Wiederaufbau einzusetzen". Häuslebauen statt Schießen? Reinhardt war sich sicher: "Es wird keine UCK mehr geben."

Zumindest keine dieses Namens. Doch selbst wenn ein Teil der UCK-Kämpfer tatsächlich Unterschlupf finden sollte in dem von Kfor und Vereinten Nationen geplanten Kosovo-Korps - einer Art Technischem Hilfswerk für das Amselfeld, inklusive schneller Eingreiftruppe - hat für Thaqi und den Rest der UCK-Führung der Kampf um eine eigene militärische Formation erst begonnen. Nicht umsonst haben die Ex-Rebellen seit dem Einmarsch von 43 000 Nato-Soldaten in die Provinz ihren Einfluß systematisch ausgebaut - und die von der internationalen Protektoratsverwaltung eingerichteten Institutionen mit ihren Leuten besetzt. Drei Monate nach Abzug der jugoslawischen Einheiten ist der Großteil der serbischen Bevölkerung aus dem Kosovo vertrieben, für Roma und Juden ist in der Provinz kein Platz mehr - "die schwerwiegendsten Fälle von Gewalt wurden von UCK-Mitgliedern ausgeführt", fand die US-Hilfsorganisation Human Rights Watch heraus.

Die Thaqi-Truppe ist zur alles bestimmenden Macht im Kosovo geworden - sowohl auf ziviler wie auf militärischer Ebene. Von der Übernahme Dutzender Bürgermeisterämter bis hin zur Majorisierung der internationalen, von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ausgebildeten Polizei: Das Kosovo bleibt - auch nach ihrer offiziellen Auflösung am Wochenende - in den Händen der UCK. Und die Unabhängigkeit ihr Ziel. Das Kosovo-Korps, in dem 5 000 Vollmitglieder und 2 000 Freiwillige unterkommen sollen, könnte sich zur Keimzelle einer Armee entwickeln - schließlich sollen immerhin 3 000 ihrer Männer unter schweren Waffen stehen. Kein Wunder also, daß der russische Außenminister Igor Iwanov kritisierte, hier werde eine "paramilitärische Organisation" geschaffen, die ein verdecktes Fortbestehen der UCK erlaube.

So könnte es gut sein, daß die Kfor sich in den letzten Wochen vor allem um das Altmetall der UCK-Soldaten bereichert hat: Zwar wurden Tausende von Waffen in den Nato-Depots abgeliefert. Doch in der Regel waren es halbvergammelte Kalaschnikows aus geplünderten Beständen der albanischen Armee, die die Kämpfer einreichten. "Sie übergeben ihre alten und unwichtigen Waffen", vermutete deshalb nicht nur Vladislav Jovanovic, jugoslawischer Botschafter bei den Vereinten Nationen. "Aber was modern und effizient ist, verstecken sie. Und jeder weiß das."

Als erste die Nato. Denn schließlich hatte General Jackson am 21. Juni Thaqi nicht nur das Versprechen abgenommen, daß sich dessen Leute nicht mehr in Uniform zeigen würden, sondern zugleich ein wichtiges Zugeständnis gemacht. Um zu verhindern, daß die arbeitslosen UCK-Kämpfer sich erneut zu einer aus dem Ruder laufenden Untergrundarmee formieren, hat die Nato vorgebaut. So sieht das Kfor-UCK-Abkommen für die am Sonntag eingeleitete neue Zeitrechnung vor, "die Bildung einer Armee im Kosovo entlang der Linien der US-Nationalgarde zu führen - als Teil eines politischen Prozesses, in dem der künftige Status des Kosovo bestimmt werden soll". Bis dahin können sich die UCK-Kämpfer munter einrichten in ihrer Provinz: als Polizisten, Minister und Nationalgardisten.