Anfragen und abräumen

Die DVU-Fraktion im Potsdamer Landtag versucht, ein Strausberger Jugendprojekt schließen zu lassen, das auch Brandenburgs Innenminister Schönbohm stört.

m brandenburgischen Landtag nimmt man sie kaum wahr: Die Fraktion der DVU im Potsdamer Parlament ist in den ersten Monaten nach ihrem Einzug bisher kaum durch politische Vorstöße aufgefallen. Das soll sich nun ändern, die Abgeordneten haben offenbar ihr Thema gefunden. Im Gleichschritt mit NPD und militanten Nazikadern widmen sie sich jetzt der Anti-Antifa-Arbeit.

Das erste Opfer für diesen Feldzug fand sich in unmittelbarer Nähe der Wohnorte des DVU-Spitzentrios Michael Claus sowie Liane und Axel Hesselbarth: Das seit fünf Jahren existierende alternative Jugendwohn- und Kulturprojekt 1260 Horte e.V. in Strausberg.

Das Ehepaar Hesselbarth - er ist DVU-Landesvorsitzender, sie Landtagsabgeordnete - betreibt in der 40 Kilometer von Berlin gelegenen Provinzstadt Strausberg unter anderem eine Schützenschule. Und der DVU-Fraktionsvorsitzende Michael Claus, der sich im Wahlkampf vor allem durch seine Forderung nach der »Errichtung von neuen Zuchthäusern für Schwerverbrecher« in Brandenburg profiliert hatte, wohnt im benachbarten Petershagen.

Dass die DVU-Spitze gegen das Projekt Horte e.V. mobil macht, ist nicht neu. Schließlich findet sich dort alles, was Rechtsextremisten verabscheuen: Horte e.V. ist ein Treffpunkt für Jugendliche aus der Stadt und der ländlichen Umgebung, die sich nicht dem rechten Mainstream in der Jugendsubkultur anpassen wollen; dort finden Konzerte mit bekannten und unbekannten Bands aus der unkommerziellen Musikszene ebenso wie Veranstaltungen zu Rassismus, Rechtsextremismus und internationalistischen Themen statt. Neben den Veranstaltungsräumen gibt es eine Werkstatt und eine Wohnetage.

Der Verein versucht, ein breites Spektrum von Jugendlichen anzusprechen und dabei auch an die Öffentlichkeit zu gehen. So wird beispielsweise die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Aktion Noteingang, mit der vor allem Jugendprojekte in Brandenburg Unterstützung für Opfer rassistischer Gewalt schaffen wollen, von Horte e.V. koordiniert. Und während des Landtagswahlkampfes im Sommer beteiligte sich das Projekt an antifaschistischen Initiativen gegen den Wahlkampf der rechtsextremen Parteien.

Wie andere bekannte alternative Jugendprojekte in Brandenburg auch war Horte e.V. mehrfach Ziel rechter Angriffe. Zuletzt drangen im Dezember 1998 fünfzehn mit Baseballschlägern bewaffnete Neonazis in die öffentlich zugängliche Kneipe des Projekts ein und versuchten, die anwesenden Gäste zu provozieren. Da, wo die rechten Schläger nicht zum Ziel kamen - den Verein und seine BesucherInnen einzuschüchtern und die Jugendarbeit zu behindern -, macht die DVU-Landtagsfraktion jetzt weiter.

Zunächst versuchte Michael Claus Ende November mit einer kleinen parlamentarischen Anfrage an die Landesregierung, die Aufmerksamkeit von Innenminister Jörg Schönbohm auf dessen Lieblingsgegner - die in Brandenburg nach dem jüngsten Verfassungsschutzbericht kaum existente »linksextreme Szene« - zu lenken. Mit der Frage, welche Maßnahmen die Landesregierung ergreifen wolle, um die von Horte e.V. ausgehende Gefahr »linksextremistischer Gewalttaten« zu minimieren, gab Claus die Richtung vor, die von Schönbohm in seiner Antwort vor dem Landtag dankbar aufgegriffen wurde.

So durfte der Innenminister über eingestellte und laufende Ermittlungsverfahren berichten und versichern, da auch in Zukunft Straftaten nicht ausgeschlossen werden könnten, werde die Polizei durch Aufklärung und Gefahrenabwehr alles tun, um drohende Gefahren abzuwenden. »Unsäglich« sei Schönbohms Antwort gewesen, kommentierte Kerstin Kaiser-Nicht, PDS-Landtagsabgeordnete aus Strausberg, das Vorgehen des Innenministers.

Doch die Kleine Anfrage ist offenbar nur der Auftakt der DVU-Kampagne: In einer parallel eingereichten Großen Anfrage der DVU-Fraktion, die die Landesregierung innerhalb von sechs Monaten beantworten muss und deren Antwort dann Gegenstand einer parlamentarischen Debatte sein wird, finden sich zu dem Projekt 21 Fragen, die sich wie ein Katalog von Denunziationen lesen.

So heißt es beispielsweise in Frage 20: »Wie viele der regelmäßig in den Räumlichkeiten des Alternativen Jugendprojektes 1 260 e.V. (Horte) verkehrenden Jugendlichen bzw. Erwachsenen sind an Aids, Hepatitis A, B oder C oder an anderen schweren Infektionskrankenheiten in den Jahren 1995 bis 1999 erkrankt?« Andere Fragen betreffen die BesucherInnenanzahl, vermeintlichen Drogenkonsum, vermeintliche Vorstrafen von BesucherInnen und ProjektmitarbeiterInnen sowie die Finanzierung des Projekts.

Für Kerstin Kaiser-Nicht stellt die Anfrage einen klaren Versuch dar, »Jugendliche, die sich gegen Rechts engagieren, zu kriminalisieren und auszugrenzen«. Sie fordert von der Landesregierung, die Anfrage unbeantwortet zu lassen. Ein Sprecher der Antifa Land Brandenburg wies darauf hin, dass die Anti-Antifa Arbeit der DVU möglicherweise mit einzelnen NPD-Kadern abgesprochen sei; schließlich sei auch der NPD-Landtagskandidat aus Strausberg, Matthias Obst, in der Vergangenheit durch seine regen Aktivitäten in diesem Bereich aufgefallen.

Im Projekt Horte e.V. will sich erst einmal niemand einschüchtern lassen. »Zum Glück bekommen wir sowieso keine Fördermittel aus dem Landeshaushalt«, heißt es leicht ironisch. In der Kommune Strausberg habe man sich durch eine kontinuierliche Jugendarbeit und als freier Träger einen guten Ruf erworben und den könne hoffentlich weder Innenminister Schönbohm noch die DVU beschädigen. Doch auch hier sieht man die Gefahr, dass es die in Brandenburg ohnehin marginalisierte nicht-rechte Jugendkulturarbeit unter Innenminister Schönbohm künftig schwerer haben wird.