Heimspiel in Gera

Die NPD mobilisiert gegen eine Flüchtlings-Unterkunft in der thüringischen Kleinstadt.

Beflügelt von ihrer öffentlichkeitswirksamen Demonstration gegen das geplante Berliner Holocaust-Mahnmal, setzt die NPD weiterhin auf Aufmärsche, um ihre Skinhead-Sympathisanten bei Laune und die Basis auf Trab zu halten. Nächstes Ziel: die thüringische Stadt Gera.

Dort will die NPD am 12. Februar gegen ein »Asylantenheim in der Innenstadt« aufmarschieren. Für entsprechende Stimmung gegen die neu eröffnete Flüchtlings-Sammelunterkunft in der Nähe des Geraer Bahnhofs soll Holger Apfel sorgen. Das Parteivorstandsmitglied ist als Hauptredner eingeladen.

In den vergangenen Wochen hatte der NPD-Ortsverband mit einer Unterschriftenaktion die Atmosphäre angeheizt. Gezielt wurde in der Nachbarschaft der Unterkunft die Bevölkerung auf Flugblättern angesprochen: »Dieses Heim, im Herzen unserer Innenstadt, ist das sichere Ende aller Bemühungen, die Stadt Gera wirtschaftlich und kulturell aufzuwerten.«

Besondere Brisanz erhält die Mobilisierung, weil die Eröffnung einer Sammelunterkunft an anderen Standorten in der Stadt schon zwei Mal wegen Protesten aus der Bevölkerung gegen die ungeliebten neuen Nachbarn verschoben wurde.

Offensichtlich erhofft sich die NPD-Führungsspitze nun in Gera ein Heimspiel: Bei den Landtagswahlen in Thüringen hatte die Neonazi-Partei mit 0,9 Prozent der Stimmen im Vergleich zu ihrem Abschneiden in anderen Wahlkreisen einen der höchsten Anteile im Land erzielt. Gera gilt schon seit längerem als rechtsradikale Hochburg. Dort haben sich Neonazis aus den Freien Kameradschaften, den Strukturen der Blood & Honour-Skins und dem Thüringer Heimatschutz in der Jugendszene fest verankert.

Insbesondere die Zusammenarbeit zwischen der NPD und dem militanten Thüringer Heimatschutz sorgt für eine enge Anbindung des militanten Neonazi-Spektrums an die Nationaldemokraten. So kandidierten auf deren Landesliste führende Aktivisten des Thüringer Heimatschutzes, darunter die beiden Neonazi-Kader Jan Stöckel und Jörg Krautheim.

Der Mittzwanziger Krautheim macht aus seinem Werdegang in der Nazi-Szene keinen Hehl. In einem umstrittenen Film über Rechtsradikale in Thüringen von Reiner Fromm erklärte Krautheim, dass die heutigen Neonazi-Strukturen in der Region aus der Wiking-Jugend und der FAP entstanden seien. Nach deren Verboten hätte man sich der Sammlungsorganisation Die Nationalen um den jetzigen NPD-Bundesvorstandsbeisitzer Frank Schwerdt aus Berlin angeschlossen. Nach Auflösung dieser Organisation sei man dann zum Thüringer Heimatschutz und der NPD gewechselt. Die Ausdifferenzierung der Neonazi-Szene in der Region hat keineswegs zu deren Zersplitterung geführt, sondern allenfalls die Angebotspalette für rechte Jugendliche erweitert. So fanden 1998 rund zehn Neonazi-Konzerte in und bei Gera statt. Aus den Blood & Honour-Strukturen sind vier Bands in der Stadt aktiv.

In ihrem Aufruf zu einer Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch verweisen lokale Antifa-Aktivisten und Aktivistinnen darauf, dass in Gera im vergangenen Jahr mehrfach nicht-rechte Jugendliche sowie Flüchtlinge, Migranten und Migrantinnen Opfer von rassistischen und rechtsextremen Angriffen wurden. So überfielen am 15. Mai rund zwanzig Neonazis einen Jugendclub und verletzten acht Gäste.

Aufwind erhielt die örtliche Neonazi-Szene auch durch einen Aufmarsch der NPD im September vergangenen Jahres. Rund 350 thüringische Neonazis konnten damals - geschützt durch ein massives Polizeiaufgebot - ungehindert durch die Geraer Innenstadt marschieren. Eine von der PDS und dem DGB angemeldete Kundgebung war von der Polizei weitgehend abgeriegelt worden.

Inzwischen hat sich in Gera ein breites »Bündnis gegen Rechts« von autonomen Antifas, Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen, PDS sowie Grünen zusammengefunden. Die Gruppen wollen ein ähnliches Debakel wie im September vergangenen Jahres verhindern und den Neonazis die Vorherrschaft auf der Straße nehmen. Massive Kritik wird aber auch an den örtlichen Politikern und dem thüringischen Innenministerium geübt, da sie für Zwangsverlegungen von Flüchtlingen aus eigenen Wohnung in die Sammelunterkunft verantwortlich seien. »Wir solidarisieren uns mit den Flüchtlingen und fordern, dass sie in einzelnen Wohnungen untergebracht werden, damit sie menschenwürdig leben können«, so der Arbeitskreis Antifaschismus/Antirassismus beim DGB Thüringen.

Bei den politischen Verantwortlichen der Stadt stößt solches Engagement allerdings auf wenig Gegenliebe. Gegen einen Geraer Antifaschisten, der bei einer Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht am 9. November vergangenen Jahres in seinem Redebeitrag die Situation von Flüchtlingen in Deutschland kritisiert hatte, läuft jetzt ein Verfahren wegen »Volksverhetzung und Verleumdung«.