Ekinci soll singen

Multikulti beim Thüringer Verfassungsschutz: Wer nicht freiwillig spitzelt, könnte abgeschoben werden.

Steffen Dittes ist sauer. »Dieser Spitzeldienst gehört abgeschafft«, fordert der innenpolitische Sprecher der thüringischen PDS-Landtagsfraktion. Der Grund für die Aufregung des PDS-Mannes: Der Verfassungsschutz des Bundeslandes soll versucht haben, kurdische Flüchtlinge mit Drohungen und Versprechungen zur Denunziation politischer Freundinnen und Freunde zu bewegen.

Drei Kurden wurden in den letzten Monaten in Erfurt und Gera von Personen angesprochen, die sich als Vertreter des Geheimdienstes zu erkennen gaben. Öcalan sei »doch auch ein Verräter«, so die launige Ansage der VS-Männer. Die entsprechenden Angebote wurden, so berichten die Angesprochenen, gleich nachgeschoben: Die Geheimen könnten etwa dafür sorgen, dass die Flüchtlinge politisches Asyl in Deutschland erhielten. Auch Autos, Arbeitsplatz oder Geld seien drin. Wer jedoch die Zusammenarbeit verweigere, müsse mit Abschiebung oder anderem Ärger rechnen.

Schon seit Monaten sei er massiv bespitzelt worden, erzählt Naim Tas. »Ich bin mir sicher, dass ich häufig verfolgt wurde, z.B. mit einem Auto, wenn ich unterwegs gewesen bin.« Die Verfassungsschützer hätten keinen Zweifel daran gelassen, dass sie über Tas und seine Lebensgewohnheiten bestens informiert gewesen seien. Im Oktober war er in einer Erfurter Straße von mehreren Männern angesprochen worden, die sich als Vertreter der Behörde vorstellten und ihn zu einem Treffen einluden. Tas lehnte ab.

Ähnlich erging es Bebrettin Ekinci Anfang Januar. Nach einem Besuch bei seinem Sohn im Erfurter Krankenhaus begrüßten ihn drei Männer. »Herr Ekinci, wie geht es Ihrem Sohn? Wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten.« Weil er sie zunächst für Mitarbeiter des Jugendamtes hielt, ließ sich der Kurde auf ein Gespräch ein.

Das Interesse am Sohn von Ekinci war jedoch nur vorgetäuscht. Umso mehr interessierten sich die unbekannten Herren für den kurdischen Verein in Erfurt, für dessen Vorstand und die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen. Ob es denn Kontakte zur PKK gebe? Ob diese überhaupt in der Stadt aktiv sei? Was er über Erpressungen durch PKK-Mitglieder wisse? Einen Übersetzer, der fließend Türkisch sprach und als »Mustafa« vorgestellt wurde, hatten die Verfassungsschützer gleich mitgebracht.

Ekinci wollte nicht mit den Beamten zusammenarbeiten. In der Folge hätten die VS-Männer ihn unter Druck gesetzt. »Wenn in Erfurt etwas passieren würde«, so erinnert sich Ekinci in einem Gedächtnisprotokoll, würden sie »mich und meine Familie kaputt machen«. Trotz der Absage ließen die Geheimdienstler nicht locker. Schon wenige Tage nach dieser Begegnung wollten sie sich wieder mit Ekinci treffen.

Dieser informierte seinen Freund Tas, und zusammen mit einem weiteren Bekannten gingen sie zum Treffpunkt ins Erfurter Hotel »Carat«. »Wir haben sie überall gesucht, aber nicht gefunden. Sie haben uns wahrscheinlich zu dritt gesehen und sich versteckt«, vermutet Ekinci. Verlassen stand das bekannte Auto der VS-Männer auf dem Hotelparkplatz. Ein schwarzer Tag für den Verfassungsschutz: Auch Abdullah Tif aus Gera, den sie zeitgleich angesprochen hatten, gab klar zu verstehen, dass er nicht mit dem Geheimdienst zusammenarbeiten wolle. Seitdem wurden die Kurden nicht mehr weiter mit Anfragen belästigt.

Tas ist dennoch skeptisch. Möglicherweise seien ihm durch seine Weigerung zur Kooperation Nachteile erwachsen. So habe es nach seiner Eheschließung plötzlich Probleme mit der unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung gegeben, obwohl ihm diese schon Monate vorher vom zuständigen Amt zugesagt worden sei.

Um eine größere Öffentlichkeit zu informieren und die Familien zu schützen, wandten sich Ekinci, Tas und Tif Ende Januar an die Thüringer PDS-Landtagsfraktion. Daraufhin sah sich auch der thüringische VS-Präsident Helmut Roewer vergangene Woche zu einer Stellungnahme genötigt. Natürlich sei es der politische Auftrag seiner Behörde, die PKK mit geheimdienstlichen Mitteln zu überwachen, meinte der VS-Chef. Dazu gehöre eben auch, Kurden zur Informationsbeschaffung heranzuziehen.

Tatsächlich dürfen die VS-Behörden so genannte Vertrauenspersonen anwerben, um im Vorfeld »ungesetzliche Bestrebungen« auszuspähen und politisch Aktive unter Beobachtung zu stellen. Nach einer Genehmigung für existenzbedrohende Erpressungen, die sich den rechtlich unsicheren Status im Asylverfahren zu Nutze machen, sucht man in den Gesetzesbüchern natürlich vergeblich.

Die Versuche seiner Untergebenen, die Angesprochenen mit Drohungen zur Spitzelei zu bewegen, wollte Roewer daher nicht bestätigen. Auch Bernd Edelmann, Pressesprecher des thüringischen Innenministeriums, bestritt die ungesetzliche Verfahrensweise. Wahr sei lediglich, dass die drei Kurden vom Verfassungsschutz angesprochen wurden.

In anderen Bundesländern nimmt der Verfassungsschutz seinen politischen Auftrag ebenfalls ziemlich ernst: Die Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland (YEK-KOM) berichtet von zwei Fällen, in denen im September vergangenen Jahres in Herne und Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) jeweils versucht wurde, einen Kurden als V-Mann anzuwerben. Auch hier sollen die Beamten erheblichen Druck auf die Männer ausgeübt haben.

Natürlich werden auch in Thüringen nicht nur Flüchtlinge zu Spitzeldiensten herangezogen, wie Steffen Dittes weiß. Nach Worten des PDS-Politikers ist Ende des vergangenen Jahres bekannt geworden, dass die dortige Polizei regelmäßig versucht, Jugendliche über die Antifa-Strukturen auszuquetschen. Anlass genug für die Thüringer PDS, die »Förderung des Denunziantentums« zu brandmarken und - ganz die Ostpartei - die Abschaffung des »bundesrepublikanischen Geheimdienstes« zu fordern.