Finanzieren geht über Studieren

Die rot-grüne Bildungsreform hält, was sie verspricht: 13 Prozent aller Studierenden bekommen künftig 70 Mark mehr im Monat. Der Rest darf weiter jobben.
Von

Welcher Politiker sammelt derzeit bei den Studierenden die meisten Pluspunkte? Bundeskanzler Gerhard Schröder etwa, der auf dem SPD-Bildungskongress Ende Januar versichert hatte, dass Bildung »das Zukunftsthema seiner Regierung schlechthin« sei? Oder seine Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), die nach der gescheiterten Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Bafög) plötzlich das alte CDU-Modell als »echten Neuanfang« präsentiert? Oder vielleicht doch Matthias Berninger, Bildungspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, der - angelehnt an die Finanzwelt - so genannte Bildungskonten fordert, mit denen Studenten künftig für ihr Studium selbst aufkommen sollen?

Für wen auch immer sie sich entscheiden - den meisten Studierenden kann es ohnehin egal sein: Die staatliche Ausbildungsförderung in ihrer jetzigen Form betrifft nur noch 13 Prozent aller Hochschulbesucher. Und auch die drohenden paar Hundert Mark Studiengebühren im Monat sehen die Kinder reicher Mittelstandseltern nicht als wirkliche Bedrohung an: Von dem Drittel aller Schüler, die ein Studium beginnen, kommt nur noch jeder zehnte aus einem Arbeiterhaushalt, während 65 Prozent der Erstsemester sich von ihren Eltern finanzieren lassen.

Vielleicht ein Grund dafür, dass sich kaum Protest regte, als Schröder die groß angekündigte Bafög-Strukturreform Mitte Januar platzen ließ. Und das, obwohl sich im Herbst 1998 noch alles so schön angehört hatte: Von sozialer Chancengleichheit für alle Bildungswilligen war in der neuen rot-grünen Regierung auf einmal die Rede - die Abkehr vom Bildungsabbau der Regierung Kohl sollte deutlich ausfallen.

Die Folgen dieser sozial unausgeglichenen Studienförderung sind nicht übersehbar: Der Anteil von Studenten aus ärmeren Familien ging von 23 Prozent beim Antritt der schwarz-gelben Regierung 1982 auf 14 Prozent 1997 zurück; die Zahl der Bafög-Berechtigten sank allein seit 1993 um die Hälfte. Immer wieder hatten die SPD, das Deutsche Studentenwerk (DSW) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) das konservativ-liberale Regierungslager kritisiert: Mit Bildungsinvestitionen habe deren Förderungssystem nichts zu tun, dieses sei allein an Sparmaßnahmen ausgerichtet gewesen. Noch während des Wahlkampfes kündigten die Bildungspolitiker der SPD eine »Revolution der Bildungsgesellschaft« an und übernahmen vom DSW das so genannte Drei-Körbe-Modell.

Und in der Tat versprach dieses Reformmodell mehr Chancengleichheit. Kernstück war ein fester Sockelbetrag von mindestens 350 Mark, der unabhängig vom Einkommen der Eltern an alle Studierenden ausgezahlt werden sollte. Eine bescheidene Summe, die aber immerhin die halbe Miete für eine Studentenbude in einer Stadt wie Frankfurt am Main ausgemacht hätte. Auf diesem Grundstock aufbauend, sollte eine vom Eltern-Einkommen abhängige Förderung einbezogen werden, deren Höchstsatz an die realen Lebenshaltungskosten der Immatrikulierten angepasst werden sollte. Selbst an die so genannten Langzeit-Studenten wurde gedacht: Ihnen sollte die Möglichkeiten eingeräumt werden, ein Darlehen zu beantragen - das allerdings zurückgezahlt werden müsste.

Ein Jahr lang warteten 1,7 Millionen Studierende, bis sie wieder etwas von den Wahlversprechen hörten. Vergebens: Anfang Januar hatte Bildungsministerin Bulmahn zwar noch angekündigt, den Sockelbetrag auf 400 Mark festzusetzen. Dagegen aber votierte Schröder, nachdem Finanzminister Hans Eichel sich geweigert hatte, die dafür nötigen zwei Milliarden Mark im Jahr zur Verfügung zu stellen. Begründung: Die Änderungen beim Bafög müssten kostenneutral sein. Die rot-grüne Strukturreform war damit gescheitert.

Dafür schlug die Stunde des Bildungspolitischen Sprechers der Grünen-Bundestagsfraktion, Matthias Berninger. In Anlehnung an seine früheren Pläne eines Bundes-Ausbildungsförderungs-Fonds - dem so genannten Baff-Modell - versucht er nun, die Stimmen der Studierenden mit Bildungsgutscheinen für sich zu gewinnen. Zu vergeben von einer neu zu schaffenden Bildungsbank: Danach hätte jeder Student Anspruch darauf, über maximal fünf Jahre hinweg 1 100 Mark monatlich vom Staat zu bekommen. Die Gesamtsumme von 66 000 Mark müsste allerdings nach Abschluss des Studiums zum großen Teil zurückbezahlt werden.

Studierende würden von dieser Bank endlich »elternunabhängige Darlehen« erhalten, so Berninger. Und die wiederum »machen es attraktiv, das Studium ohne Jobben zügig abzuschließen«. Ganz im Sinne des Kanzlers also, der sich ja »mehr Eigenverantwortung durch den aktivierenden Staat« wünscht.

Und in der Tat zeigte sich Schröder an dem Modell interessiert. Näher allerdings noch dürfte dem Kanzler aber das baden-württembergische Modell sein: Denn der Stuttgarter Wissenschaftsminister Klaus von Trotha (CDU) verlangt erst einmal pauschal landesweite Studiengebühren - die dann möglicherweise auch wieder als Förderungsmittel ausgezahlt werden. Auch in Nordrhein-Westfalen, einst Bastion der Studiengebühren-Gegner, soll nächste Woche ein neues Hochschulgesetz verabschiedet werden, in dem lediglich das Erststudium von Gebühren frei gehalten wird.

Beste Voraussetzungen für die Bildungsministerin, sich nach ihrer Schlappe bei der Bafög-Reform von weiterem Kahlschlag im Bildungssektor abzugrenzen. Als wäre nichts gewesen, präsentierte sie die Aufstockung des bisherigen Bafög-Höchstsatzes um 70 Mark auf 1 100 Mark im Monat als »Totalsanierung« und einen »echten Neuanfang«. Und das bei durchschnittlichen Lebenshaltungskosten von 1 233 Mark, wie das DSW errechnete.