Rechnen gegen Rechts

Antifaschismus in Brandenburg ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Deswegen geht Innenminister Schönbohm nun mit Statistiken gegen Neonazis vor.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Schenkt man dem brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm Glauben, gehören rechtsextremistische Übergriffe in dem ostdeutschen Bundesland schon bald der Vergangenheit an. Schließlich, so bilanzierte der CDU-Hardliner jüngst, sei die Zahl rechtsextremistischer Straftaten deutlich gesunken: Von 184 Straftaten von Rechtsextremen 1998 auf lediglich 145 im vergangenen Jahr. Und dabei hat Schönbohm das Amt des Innenministers erst im Oktober übernommen. Welch ein Erfolg!

Da fällt die Zunahme von »fremdenfeindlichen Delikten« und Gewalttaten um 20 Prozent statistisch gesehen kaum noch ins Gewicht. Auch die Drohungen und Angriffe gegen AntifaschistInnen haben zugenommen, aber damit haben Nazis ja gewiss nichts zu tun. Schließlich sind die Schmäh-Anrufe, die der Landesgeschäftsführer der PDS Brandenburg, Olaf Balzer, seit Januar erhält, anonym. Zwar erhielt der PDS-Landesvizechef Stefan Ludwig im Januar eine Postkarte, auf der die neonazistischen United Skins ein »Neues Kampfjahr« ankündigen. Dass diese Post mit Aufklebern der militanten schwedischen Neonazigruppierung Nationalsozialistische Front (NSF) verziert wurde, deren Mitglieder auch vor Mord nicht zurückschrecken, sollte aber kein Grund zur Sorge sein - Schweden ist weit, und Brandenburg ist sicher.

Denn auch im Kampf gegen den Antisemitismus will das Brandenburger Innenministerium ganze Arbeit geleistet haben. Jüdinnen und Juden können sich jetzt in Brandenburg sicher fühlen: Lediglich 25 antisemitische Straftaten wurden für das letzte Jahr offiziell vermeldet. Was macht es schon, dass bereits wenige Tage nach der Veröffentlichung der Zahlen bislang unbekannte Täter den jüdischen Friedhof in Potsdam schändeten: Am 70. Todestag des NS-Märtyrers Horst Wessel stellte eine Gruppe mit dem Namen Nationale Bewegung dort ein Holzkreuz mit Wessels Namenszug und einem Hakenkreuz auf.

Es hat sich wohl doch nichts geändert in Brandenburg. Drei Jahre, nachdem die damalige SPD-Regierung das Landesprogramm »Tolerantes Brandenburg« ausgerufen hatte, bleibt die Zahl der rechtsextremen Angriffe insgesamt kontinuierlich hoch. Gleichzeitig wird der Bewegungsradius für MigrantInnen und Flüchtlinge immer weiter eingeschränkt.

Zum beliebten Angriffsziel marodierender Brandenburger Jungnazis werden in der jüngsten Zeit immer häufiger Imbissbuden, die von MigrantInnen betrieben werden: Allein 16 solcher Anschläge wurden im vergangenen Jahr verübt. Zuletzt wurde der Besitzer eines türkischen Imbisses in Sperenberg Mitte Februar von zwei Rechtsextremisten mit Stiefeltritten traktiert.

Eine ganze Serie von Angriffen ereignete sich seit Beginn dieses Jahres in der Kreisstadt Rathenow: Anfang Februar wurde dort ein 32jähriger Mann nach dem Besuch einer Gaststätte von fünf rechtsextremen jungen Männern verfolgt, getreten und geschlagen. Das Opfer erlitt Kopfverletzungen und Schürfwunden. Vorher schon war ein Afrikaner von 15 Neonazis so zusammengeschlagen worden, dass er mehrere Zähne verlor, und ein Pakistani hatte nach der Silvesternacht fünf Tage im Krankenhaus verbringen müssen.

Wegen der unerträglichen Situation beschwerten sich 47 Flüchtlinge, die in einem Rathenower Asylbewerberheim untergebracht sind, Anfang Februar in einem Brief bei der dortigen Ausländerbehörde; sie baten um ihre Verlegung in eine andere Stadt: »Trotz der Bedrohung für Leib und Leben haben die verantwortlichen Behörden nichts unternommen«, schrieben die Flüchtlinge. Geändert hat sich an der bedrohlichen Lage bis heute nichts.

Auch in anderen brandenburgischen Städten geht der rechtsextreme Terror weiter: Am Vorabend des Jahrestages der tödlichen Hetzjagd auf Farid Guendoul in Guben versuchten zuletzt zwei der mutmaßlichen Täter den Gedenkstein für den Flüchtling zu zertrümmern. Schon in der Silvesternacht hatten sie - beide gehören zu den Hauptangeklagten in dem Prozess gegen die elf Rechtsextremisten, die Guendoul in den Tod gehetzt hatten - versucht, Krawall zu machen. Mit von der Partie waren auch einige Kameraden, die ebenfalls in Guben vor Gericht stehen.

Von Entwarnung kann in dem Flächenstaat mit 2,5 Millionen EinwohnerInnen - davon knapp 50 000 Menschen ohne deutschen Pass - wohl kaum die Rede sein. Doch die Brandenburger Innenbehörden erklären rechtsextreme und rassistische Gewalt zu einem bloßen Polizei- und Sicherheitsproblem. In diesen Kontext gehört auch Schönbohms Versuch, das halbstaatliche Aktionsbündnis Gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auf den »Linksextremismus« ansetzen zu wollen. Der Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft in Brandenburg wird damit weiter verharmlost. Hinzu kommt, dass ganz nebenbei die Mittel für antirassistische Projekte gekürzt oder - wie im Fall der Aktion Noteingang - einfach nicht mehr bewilligt werden.

Wozu auch? Wo es keine Ausländer mehr gibt, da gibt's auch keine Ausländerfeindlichkeit, dürfte sich Schönbohm gedacht haben. Also forderte er Ende Januar gemeinsam mit der Berliner Ausländerbeauftragten Barbara John (CDU), Asylanträge nur noch zuzulassen, wenn die Betroffenen über Personaldokumente verfügen. Auch »die datentechnische Erfassung aller Asylsuchenden« sieht Schönbohm als probates Mittel, um »den Missbrauch durch Doppelanträge zu unterbinden.« Schönbohm will ein Zeichen setzen. Da reicht es kaum, dass er die Abschiebepraxis seines sozialdemokratischen Amtsvorgängers - im Jahr 1998 wurden 1 600 Flüchtlinge aus Brandenburg abgeschoben - nahtlos fortgesetzt hat.