Letzte Folge von »Deep Space Nine

bathIh Daqawlu’taH!

Milchbärte und Ex-Fotomodelle in Strampelanzügen. Eine Erinnerung an »Deep Space Nine«.

Deep Space Nine« ist - vergessen wir jetzt mal das Phänomen der »Trekkies« - die poetischste Star-Trek-Serie. Dabei fehlt dieser Welt alles, was William Gibson und Philip K. Dick zum festen Cyberpunk-Repertoire erhoben hatten: Subkultur, Klassengegensätze, hegemoniale Wirtschaftskonzerne, Zivilisation am Abgrund.

Dagegen trat vor sieben Jahren im Pilotfilm »Emissary« ein Team von Milchbärten und Ex-Fotomodellen in neuen Variationen der bewährten Strampelanzüge an, das zunächst nur die eigene Holzschnittartigkeit und das Erbe der erfolgreichen Vorgängerserie um Captain Picard zum Gegner hatte. Ein erstes Signal setzt dann Commander Sisko in der Folge »Q-less«. Statt, wie Picard bei der Konfrontation mit dem Überwesen Q, umständlich Diskursethik und Logik zu bemühen, gibt er Q eins aufs Maul und führt damit den neuen Spirit ein. Q: »Picard hat mich nie geschlagen!«

Einige Folgen später wird mit Sisko-Darsteller Avery Brooks Blackness in die Quotenwelt des Star-Trek-Humanismus importiert. Sisko rasiert sich den Schädel, legt sich einen Malcolm-X-Bart zu und erinnert daran, dass auch der erste Fernsehkuss zwischen einem Weißen und einer Schwarzen, Kirk und Uhura, auf der Brücke der Enterprise keine Selbstverständlichkeit war. Einer der wichtigsten Grundsätze in »Star Trek« ist eine pluralistische Auffassung von »Space«, ein bisweilen etwas halbherzig eingeforderter Gegenentwurf zur weißen Kolonialisierung.

In einer der schönsten Folgen, »Far Beyond the Stars«, in der Avery Brooks selbst Regie führte, erlebt Sisko eine Vision, die ihn als SF-Autoren ins New York der Dreißiger versetzt. Umgeben von zeitgenössischen Versionen seiner Crew besteht er gegen alle Widerstände auf eine SF-Story mit farbigem Captain und zelebriert damit den Gründungsmythos des Star-Trek-Universums.

»Deep Space Nine« funktioniert auf mindestens sechs Ebenen: der Spielebene auf der Station und ihrem Gegenstück, einem Paralleluniversum, in dem alles gleich und doch alles anders läuft. Ferner gibt es die jüngere Vergangenheit der Protagonisten, in die mitunter zurückgegriffen wird oder die von sich aus vorgreift, die Virtual Reality der Holosuiten, die zeitlose Existenz der von den Bajoranern verehrten Propheten, zu deren »Abgesandten« Sisko schon im Pilotfilm erklärt wird, und schließlich - im Subtext - das irdische 20. Jahrhundert.

War jedes Schiff, ob Enterprise oder Voyager immer auf dem Weg irgendwohin, macht die in Nachbarschaft zum stabilen Wurmloch ruhende Station Schluss mit den redundanden Beams auf immer neue Planetenoberflächen der Klasse B (atmen ohne Sauerstoffgerät möglich). Stattdessen taucht ein hinreißendes Ensemble von Gastcharakteren mit schöner Regelmäßigkeit auf, und ein Konflikt kann schon mal über mehrere Folgen entwickelt werden. Auch die Auswirkungen irgendwelcher Anomalien oder technischer Pannen - in der »Next Generation« manchmal die einzige Pointe einer Folge - wurden auf ein erträgliches Maß gestutzt. Gewöhnlich reicht es aus, irgendeine Phalanx zu rekalibrieren. Nicht die einzige Schwäche der Vorgängerserie, die »Deep Space Nine« überwinden konnte.

Wurde die Holosuite sowohl von Picards als auch von Captain Janeways Crew ständig zu haarsträubend konstruierten Kostümfilmchen missbraucht, ist die Holosuite auf Deep Space Nine entweder das Medium - nie der Zweck - einer sozialen Interaktion (cardassianische Sauna oder elegantes Restaurant) oder gleich Gegenstand eines Virtual-Reality-Dilemmas. Der Wiedergänger von Roy Batty heißt hier Vic Fontaine, ist Jazz-Sänger der schwer erträglichen Art und beginnt, sich seiner virtuellen Existenz bewusst zu werden. Im Bewusstsein des kriegsversehrten Ferengi Nog konkurrieren umgekehrt das Las Vegas der sechziger Jahre und der Kriegsschauplatz DS9 um den Anspruch auf finale Gültigkeit.

Überhaupt die Ferengis! Anfangs haben sie genervt. Zusammengeschustert aus Klischees und Zuschreibungen, die nicht zufällig ein wenig antisemitisch klingen - von der Fixierung auf die »Erwerbsregeln« über ihren sozialen Status als Outsider im politischen Geschehen bis hin zu Merkmalen wie Feigheit -, nutzten sie ihre Rolle bald dazu, um sie ständig zu unterwandern und die Moral der Sternenflotte zu hinterfragen. Oder um daraus Momente burlesker Komik oder Tragik zu gewinnen.

Wie z.B. Nog, der als erster Ferengi der Sternenflotte beitritt und im Nahkampf (und im Kampf um die Assimilation) sein Bein verliert. Kurz davor hat sein Onkel Quark einen hellsichtigen Monolog, in dem es sinngemäß heißt, die Menschen seien wunderbare Leute, solange ihre Bäuche voll sind und ihre Holosuiten laufen. Nimm ihnen das weg, und du hast es mit gnadenloseren und brutaleren Gegnern zu tun, als ein Klingone es je sein könnte. Gegen Ende der letzten Staffel erweist sich auch das reaktionäre Gesellschaftssystem der Ferengi als nicht genetisch determiniert, sondern - ausgerechnet auf die Initiative von Quarks eigener Mutter! - als soziales Konstrukt.

So, wie die Differenz in der Utopie des Star-Trek-Universums ohnehin auffällig durchlässig ist. Verwegene Kombinationen wie Trill und Klingonen bzw. Cardassianer und Bajoraner sind nicht nur zu Liebesbeziehungen fähig, sondern können sogar gemeinsam Nachwuchs haben. Einer der bösesten Charaktere, der Cardassianer Gul Dukat, begehrt nicht nur die Bajoranerinnen, er transformiert nach einem chirurgischen Eingriff selbst zum Bajoraner. Die Absurdität des Rassismus freizulegen, gehörte von Beginn an zu den Hauptprojekten der Produzenten Rick Berman und Michael Piller.

Am 15. März endete die letzte Folge der siebten Staffel von »Deep Space Nine«. Ab jetzt gilt: bathIh Daqawlu'taH! Klingonisch: Man wird sich deiner mit Ehrerbietung erinnern.