Hans Peter Feldmanns »profil Nr. 6 vom 7.02.2000, ohne Worte«

Die Verbesserung von Oberösterreich, Projekt

Das Magazin profil, Nr. 6 vom 7. Februar, und Hans Peter Feldmanns »profil Nr. 6 vom 7.02.2000, ohne Worte«. Eine vergleichende Lektüre

Oswald Wiener hat einmal gesagt, selbst wenn er vollkommen besoffen sei, verstehe er immer noch problemlos den Spiegel. Das österreichische profil stellt kaum höhere Anforderungen. Man kann übrigens nicht nur, man sollte vor der Lektüre solcher Nachrichtenmagazine einige Schnäpse kippen. Besonders ratsam ist das in diesen Tagen, da man im Spiegel lesen muss, Pariser Gast-Eltern, die Wiener Austauschschüler ausladen, trieben diese direkt Haider in die Arme, oder im profil den Kommentar findet: »Wenn diese Regierung gut arbeitet, dann hat sie ihre Chance verdient.« Man wagt sich nicht vorzustellen, wie viele Menschen ihr Leben lassen müssen, wenn die FPÖ-ÖVP-Regierung gut arbeitet.

Oder greifen wir - nicht ganz grundlos - zur Ausgabe des profil vom 7. Februar: schwarz unterlegt die zweideutige Schlagzeile »Die Schande Europas«, dazu ein Bildchen von Jörg Haider und Wolfgang Schüssel, wie sie in der Hofburg am »3. Februar 2000, 13.05 Uhr« - historisch, historisch - den Koalitionsvertrag ratifizieren. Unter dem Spartentitel »Notstand« die Angabe: »Angst bei Unternehmern, Anlegern und Sparern«, unter »Widerstand»: »Sloterdijk, Streeruwitz, Jelinek, Fendrich etc.«. Diese Aufzählung ist, abgesehen von »etc.«, gar nicht lustig. Blättert man zum Wirtschaftsteil vor, folgt die Erläuterung, was mit »Notstand« gemeint ist: »Der Preis für Schwarz-Blau. Die Wirtschaft wird an den Folgen der FP-VP-Koalition jahrelang kiefeln«. Jessas, die Aktienkurse lassen bereits kräftig nach, der Export sinkt ins Bodenlose, da hammas, der einfache österreichische Rassist wird vermutlich am meisten unter Haider zu leiden haben. Dazu ein Bild von einer Mülltonne, in der u.a. Mozartkugeln, Skier, eine Dose Red Bull, ein Billett für die Wiener Staatsoper stecken.

Spätestens jetzt muss man nochmal zur Schnapsflasche greifen oder einfach Hans Peter Feldmanns »profil Nr. 6 vom 7.02.2000, ohne Worte« aufschlagen. Dort figuriert noch immer der Mozartkugel-Skier-Staatsopern-Müll, aber nicht mehr die larmoyante Klage über den Niedergang der Wirtschaft, den doch niemand gewollt habe. Das nenne ich Müll-Veredelung.

Feldmanns verbesserte Version des profil gibt sämtliche redaktionellen Bilder wieder, aber keinen Text. Auf dem Titel also schlicht das Logo des Magazins, das Bild von den Koalitionären Haider und Schüssel und sonst nichts als Schwarz. Und entsprechend im ganzen Heft: leere weiße Seiten, verloren stehen die Bilder herum. Es ist ein Gefühl wie das, nach stundenlangem Arbeiten am Computer die Kiste auszuschalten. Plötzlich hört man, dass das Gebläse nicht mehr rauscht. Man fühlt sich erleichtert und erfrischt. Der Künstler dämpft das Rauschen des Sinns.

Hans Peter Feldmann arbeitet schon seit den sechziger Jahren mit vorgefundenem Fotomaterial. Dass er seine Kunst, wenn auch nicht auf die wohlbekannte vordergründige Weise, politisch versteht, bewies zuletzt sein Band »1967-1993. Die Toten« (Düsseldorf 1998). Darin versammelt er, kommentarlos, Fotografien sämtlicher Opfer aus und von Studentenbewegung, Apo, RZ, Bewegung 2. Juni und RAF - und zwar die Staatsseite, samt Chauffeuren und zufälligen Passanten, ebenso wie die Toten (ja, auch die Ermordeten) der militanten Opposition Westdeutschlands.

Zum Gelingen von Feldmanns profil-Coup trug auch der Zufall bei: Die Zusammenarbeit mit der Redaktion der Illustrierten war seit längerem vereinbart (die Wiener Magazinmacher waren immerhin die ersten, die eine künstlerische Manipulation ihrer Arbeit gestatteten). Als der Haider-Wahn in Österreich seinem ersten Höhepunkt entgegenstrebte, erreichte Feldmann die Vorverlegung des Projekts. Seine Wahl fiel auf die Ausgabe vom 7. Februar, eine bessere hätte er kaum treffen können.

Ein paar Stichproben: Nach einem halbherzigen Editorial, die »Anständigen« müssten nun zusammenstehen usw., und ein paar Berichten steht in der vorliegenden profil-Nummer das unentbehrliche Haider-Interview: »Herr Landeshauptmann, vergangene Woche hat sich die Situation in Österreich durch teils gewalttätige Demonstrationen in Wien zugespitzt. Fühlen Sie sich mitschuldig an dieser Eskalation?« Die Lage hat sich also nicht etwa durch die große Koalition der Rassisten, Antisemiten und Faschisten zugespitzt, sondern durch »teils gewalttätige Demonstrationen«. Feldmann und seine Mitarbeiter fegen diesen kriecherischen Quatsch beiseite, zurück bleibt ein mit der flachen Hand aus der Limousine salutierender Herr Landeshauptmann, ein halber Hitler-Gruß.

In der Kultur-Abteilung geht es, wie gesagt, um den »Widerstand« von EU und Intellektuellen gegen Haider. Peter Sloterdijk darf sein Programm abspulen: Von den Formeln der Anti-PC-Front (»Hier manifestiert sich der Endsieg (!) des Moralismus über die Politik und die Psychologie. Und das ist ein Skandal«) über bemerkenswerte historische Einsichten (»Wir wissen inzwischen doch, dass Hitler das Derivat einer falschen europäischen Innenpolitik war«) bis zu offenem Abstoibern (»Im Umgang mit Gegnern wie Haider muss man eine kommunikative Strategie wählen und keine dämonisierende«) liefert der Philosoph alles, was rechten und linken Autoritären gefällt. Bei Feldmann hingegen: erfreuliche Leere, etwas abgespannt und irgendwie hilfsbedürftig schaut Obelix Sloterdijk in das Objektiv.

Neben diesen hübschen Verbesserungen durch Auslassung erhalten einige Seiten durch die Bearbeitung einen ganz eigenen Charme. Die Fotografie eines Porsche, der von einem fallenden Kran zerschmettert wurde, gewinnt doch sehr, wenn man nicht weiß oder nicht mehr sieht, dass sie bei einem Artikel über den gefährlichen »Klimawandel« steht. Am schönsten vielleicht die Wissenschaftsseite: Ohne den Krimskrams der populären Nachrichten bilden Tse-Tse-Fliege und Hirsestrauch, Jupiter samt Monden, ein DNA-Strang und eine Folie Aspirin ein anregendes Ensemble.

Die Frage ist, ob Bilder auch ohne Sprachführung ihr Ziel erreichen können. Das können sie selbstverständlich. Im Heft findet sich ein Interview mit Joseph Fischer. Dazu hat die Redaktion zwei Aufnahmen gestellt: Fischer legt sich eine Hand auf die Herzgegend der Außenministerbrust, Fischer hält sich eine Hand vors Gesicht. Die plumpe Symbolik der Fotos - Fischer, der Wackere, Fischer, der Sich-Marternde - erscheint aber gleich viel abstoßender, wenn das Auge nicht durch überflüssige Textblöcke abgelenkt wird. Die Ent-Profilierung dient der Ideologiekritik.

Ein bisschen schade, dass die Werbebilder nicht aufgenommen werden konnten, und dass, wo immer die Redaktion eigene und fremde Titelbilder zitiert, Text stehen geblieben ist. Dennoch gehört Feldmanns Arbeit, neben Jörg Schlicks Gestaltung der Camera Austria (Jungle World, 12/00), zu den gelungensten Kommentierungen des österreichischen Skandals.

Hans Peter Feldmann: »profil Nr. 6 vom 7.02.2000, ohne Worte«. Sonderdruck mit dem profil-Originalheft. museum in progress und Feldmann Verlag, Wien und Düsseldorf 2000, ca. DM 39 (Zu bestellen bei museum in progress, Fischerstiege 1, A-1010 Wien. In Berlin erhältlich in Wiens Laden & Verlag, Linienstraße 158)