Iran erhöht Druck auf Israel

Kein Morgen ohne Sorgen

Manchmal geht alles ganz schnell: Kaum hatte Israels Ministerpräsident Ehud Barak angeordnet, dass der Generalstab der Armee einen Plan zum einseitigen Rückzug bis zum 1. Juli ausarbeiten soll, lag dieser schon vor. Der Plan trägt den schönen Namen »Morning Twilight«. Und er unterstreicht noch einmal die Vorbehalte, die die israelische Armeeführung gegen einen Rückzug ohne vorherige Einigung mit Syrien hegt. Demnach sollen auch nach dem Rückzug israelische Stützpunkte jenseits der Grenze bestehen bleiben. Und es wird wenigstens für die erste Zeit mit weiteren Kämpfen gerechnet.

Ob nun ein einseitiger Rückzug nach dem »Morning Twilight»-Plan oder auf der Grundlage einer Vereinbarung mit Syrien stattfinden wird: In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass es unmittelbar danach erst einmal zu einer Eskalation kommt. Denn die Hisbollah wird alles daran setzen, diesen Abzug für Israel zu einer Niederlage zu machen. Insbesondere dann, wenn sie zu der Überzeugung kommt, wegen eines drohenden Friedens ihr letztes Gefecht führen zu müssen. Schon deshalb wird Barak sein Versprechen, die militärische Präsenz im Libanon zu beenden, nicht zurücknehmen.

Ein viel größerer Unsicherheitsfaktor in diesem Zusammenhang ist aber der Iran. Nicht allein, dass der islamische Gottesstaat neben Syrien der wichtigste Unterstützer der Hisbollah ist, mehr und mehr engagiert er sich nun auch offiziell im Libanon. Vor wenigen Wochen wurden Kurzstreckenraketen in den Südlibanon geliefert, die von iranischem Personal betreut werden und dem ausdrücklichen Ziel dienen, Israel zu bedrohen. Diese Raketen stellen ein ernsthafteres Sicherheitsproblem dar als die Katjuschas der Hisbollah.

Sehr viel hängt also für den Friedensprozess von der weiteren politischen Entwicklung im Iran ab. Entscheidend wird sein, welche Konsequenzen in der iranischen Außenpolitik gezogen werden. Die derzeitigen Reform-Tendenzen bedeuten nicht unbedingt eine Entschärfung der aggressiven Haltung des Iran gegenüber Israel. Eine Erklärung von Präsident Mohammad Khatami auf dem Gipfeltreffen der islamischen Staaten in Teheran im Dezember 1997 beispielsweise wurde von einigen politischen Beobachtern als unversöhnlicher gegenüber Israel eingeschätzt als Erklärungen des religiösen Führers Ali Khamenei.

Auch die Stationierung der Kurzstreckenraketen im Libanon kann kaum gegen den Willen des Präsidenten veranlasst worden sein. Es steht also zu befürchten, dass eine aggressivere Politik gegenüber Israel zur ideologischen Absicherung des Reformprojektes gegen die konservativen Kräfte dienen soll.

Aus dieser Konstellation ergibt sich für die israelische Politik eine doppelte Notwendigkeit: Einerseits muss sie durch internationalen Druck den Iran dazu bringen, von solchen Vorstößen Abstand zu nehmen. In diesem Sinne hat Barak bereits bei der US-Regierung interveniert. Zugleich aber muss Israel seine Bemühungen um einen Ausgleich mit dem Libanon und mit Syrien verstärken, um dem Iran möglichst wenig Aktionsmöglichkeiten in seinem unmittelbaren Umfeld zu bieten.

Dass dies nicht möglich ist, ohne den Golan zurückzugeben und sich aus dem Libanon zurückzuziehen, weiß Ehud Barak genau. Noch muss er sich aber mit dieser Einsicht nicht nur gegen die Opposition, sondern auch gegen Teile seiner eigenen Regierungskoalition durchsetzen.