Ölförderprojekt in Kolumbien

U’wa gegen Oxy

Gegen ein Öl-Förderprojekt im Norden Kolumbiens formiert sich Widerstand von Ind'genas, Gewerkschaften und Studenten. Protestiert wird auch gegen den US-Vizepräsidenten Albert Gore.

Geld selbst hat zwar keinen Geruch, aber es bewirkt manchmal, dass alles andere stinkt. Diese Sentenz wird gerade am Beispiel von Albert Gore, dem US-Vizepräsidenten und Bewerber der Demokratischen Partei für die nächsten Präsidentschaftswahlen, besonders anschaulich.

Seit einiger Zeit wird Gore unablässig von Menschenrechtlern und Regenwaldschützern an sein väterliches Erbe erinnert. Senator Gore Senior besaß nämlich ein Aktienpaket im Wert von 500 000 Dollar der in Los Angeles ansässigen Occidental Petroleum, kurz Oxy genannt - einer Company, in der er als Ruheständler auch im Aufsichtsrat saß. Diese Geldanlage bereitet seinem Sohn heute Kopfschmerzen, der sich gerne als öffentlicher Sachwalter ökologischer Belange präsentiert und auch schon als Autor zum Umweltschutz (»Earth in the Balance: Ecology and Human Spirit«) in Erscheinung getreten ist.

Denn der Öl-Multi Oxy will in nächster Zukunft im Nordosten Kolumbiens wieder Öl fördern. Die geplante Bohrstelle liegt allerdings im Regenwald und ist noch dazu indianisches Vertragsland, das von den U'wa bewohnt wird. Und die wehren sich auch gegen das Vorhaben von Oxy, ausgerechnet in ihrem Gebiet, das Ruir'a, das schwarze »Blut der Erde«, ausbeuten zu wollen. Unterstützung in ihrem Kampf erhalten die U'wa von Landarbeitern, Gewerkschaften und Studenten, die mit Straßenblockaden und dem Bau einer Zeltstadt am künftigen Bohrloch Gibraltar 1 den Beginn der Förderarbeiten verhindern wollen.

Seit Ende Januar verbreiten Nachrichtenagenturen nun schon die alarmierende Meldung von einem angedrohten Kollektiv-Selbstmord der knapp 5 000 Menschen zählenden U'wa. Die denken jedoch keineswegs daran, selbst Hand an sich zu legen und so einer historischen Legende zu folgen: Die Vorfahren der U'wa sollen sich vor 400 Jahren an einer Stelle, die seitdem »Pen-n de los muertos« heißt, mitsamt ihren Kindern aus Verzweiflung über die Eroberer von einem Felsen in den Fluss hinabgestürzt haben.

Heute erwarten die Widerstand leistenden U'wa den Tod eher durch die kolumbianische Nationalpolizei oder ihre Todesschwadronen: Eine starke Militärpräsenz am Ort hat im vergangenen Monat immer wieder zu Übergriffen der Soldateska gegen die Protestierenden geführt. Dabei starben vier Menschen. Elf Angehörige der Guahibo, einer sich mit den U'wa solidarisierenden Ind'gena-Gruppe, wurden verschleppt. Bis heute sind zwei von ihnen nicht wieder aufgetaucht. Seit diesen Zwischenfällen wächst die Ablehnung des Öl-Förderprojekts bei immer größeren Teilen der kolumbianischen Bevölkerung - und damit die Unterstützung der U'wa. Zuletzt kam es zu einem Generalstreik in der Arauka-Region und zur Blockade der Verbindungsstraße Pamplona-Saravena durch 2 500 Landarbeiter.

Auch in den Vereinigten Staaten nimmt der Druck zu: Umweltschutzgruppen wie Rainforest Action Network, Greenaction und Amazon Watch versuchen, auf moralisierende Investmentfonds wie Fidelity (mit 500 Millionen Dollar an Oxy beteiligt) und Shareholder wie Albert Gore einzuwirken. Die Kampagne wird von zahlreichen Kleinaktionären mitgetragen. Sie drohen mit der Rücknahme ihrer Anlagen und wollen die großen Investoren dazu veranlassen, ihren Einfluss auf die Occidental Petroleum im Sinne der U'wa geltend zu machen.

Gore jedoch weigert sich bislang beharrlich, auf Fragen zu seiner familiären Einbindung in die Geschäfte der Oxy und damit der U'wa Stellung zu nehmen. Eine ganzseitige Anzeige in der Westküsten-Ausgabe der New York Times maß ihn unlängst an den sonst von ihm vertretenen ökologischen Glaubenssätzen. Dort wurde die Frage gestellt: »Wer ist Al Gore? Umweltchampion oder Öl-Politiker? Die U'wa brauchen eine Antwort«.

Die dürfte Gore allerdings schwer fallen. Wollen doch die USA durch eine 1 600-Millionen-Dollarspritze ein so genanntes Hilfsprogramm für Kolumbien aufstellen. Der subventionierte Kampf gegen die kolumbianische Drogenmafia und die beabsichtigte soziale Befriedung und Integration der Guerilla sollen für das Ende der jahrzehntelangen Gewalt sorgen. Wirtschaftlicher Aufschwung und bessere Verwertungsbedingungen locken.

Da kommen die eineinhalb Milliarden Barrel Rohöl, die unter dem Boden des Indianerlandes vermutet werden, gerade recht. Die kolumbianische Regierung, die 1995 der Oxy eine Förderlizenz erteilt hatte, wäre selbst zu einem Viertel an dem Geschäft und an den Einnahmen beteiligt.

Rechtsansprüche von Indianern auf Ländereien stehen derart glänzenden Aussichten nur im Weg. Lieber streut man das Gerücht, die U'wa seien von der kolumbianischen Guerilla gesteuert. Dass ein wild gewordener leninistischer Kommandant der Farc-Guerilla erst letztes Jahr drei nordamerikanische Unterstützer der U'wa umgebracht hat, weil er sie für CIA-Agenten hielt, ist da nur ein störendes Detail am Rande.

Was die Indianer von der Farc tatsächlich zu erwarten haben, zeigt auch die Geschichte eines anderen Mega-Projekts der Oxy - die Öl-Förderung bei Cano Lim-n in der Provinz Arauca. Seit 1983 hat die Guerilla mehr als 500 Angriffe auf die Anlagen und Pipelines des Komplexes durchgeführt. Die U'wa haben sich aus dem Guerillakrieg bisher heraus halten können. Wenn die Bohrungen beginnen, so befürchten sie nun, würde neben den zu erwartenden ökologischen Verwüstungen auch ihr Gebiet zwangsläufig zum Kriegsschauplatz.

»Die U'wa sind das jüngste Beispiel einer unaufhaltsamen Tragödie, von der die ganze Welt betroffen ist« - diese Parole fand sich, gleichsam als Replik auf Gores Bestseller »Earth in the Balance«, auf Transparenten bei Protestaktionen in Cubara, Arauca oder Bogotá.