Die Pleite der italienischen »L'Unità«

Aus für die Einheit

L'Unità, die große kommunistische Zeitung in Italien, ist pleite. Das Ende der Kommunistischen Partei hat auch das Parteiblatt in die Krise gestürzt.

Dass sich die Zeiten ändern, merkt man immer dann, wenn etwas, das man für selbstverständlich und unumstößlich hielt, plötzlich nicht mehr da ist. In Italien fällt zwar keine Mauer, dafür aber ein anderes Monument: L'Unità, das traditionsreiche Organ der einstigen Kommunistischen Partei, wird liquidiert. Gelesen haben die Zeitung in den letzten Jahren immer weniger Italiener. Doch selbst wer nie zu den Lesern gehörte, ist jetzt unangenehm überrascht. Immerhin war L'Unità nicht nur das Parteiblatt der größten kommunistischen Partei im Westen, sondern auch ein Symbol für den Widerstand gegen den Faschismus. Eine Tag für Tag erscheinende Erinnerung an die Zeiten des politischen Kampfes.

Selbst für die Italiener, die erst in den Siebzigern auf die Welt gekommen sind, ist L'Unità eine Institution: Besonders in Norditalien war noch während der achtziger Jahre die Casa del Popolo, organisiert von der Kommunistischen Partei, in fast jedem Dorf der zentrale Freizeittreffpunkt für die Arbeiter. Und jede dieser Case del Popolo zierte an einer Außenwand die Tagesausgabe der Unità, für jedermann lesbar aufgehängt. »Wenn wir schließen, wird das psychologische Auswirkungen für unsere Leser und die Linke haben. Wir sind ein Symbol, ein Kennzeichen, an dem sich die Leute orientieren«, beschreibt Umberto De Giovannangeli, Vorsitzender des Betriebsrats, die Zeitung.

Gegründet wurde die Unità, wie sollte es anders sein, von Antonio Gramsci. Er saß zwar bereits im Wiener Exil, traf aber von dort die wichtigsten Entscheidungen. Die erste Ausgabe erschien am 12. Februar 1924, zu einer Zeit, als Mussolini seine Macht ausbaute. Die Gründung der Unità versuchte, auf die repressiven Maßnahmen gegen die Linke zu reagieren. Zwar hatte Gramsci empfohlen, die Zeitung nicht zum offiziellen Parteiblatt zu machen, doch schon ab August 1927 erschien die Unità mit dem Untertitel »Organo del Partito Comunista d'Italia« und dem Motto »Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!«

Von den Faschisten verboten, wurde L'Unità zwischen 1927 und 1944 zum Untergrundblatt, das nur noch heimlich vor allem in den Fabriken verteilt werden konnte. Auch wenn die Zeitung damals nur unregelmäßig erschien, überstand sie den Faschismus und erreichte 1944 in Rom sogar eine Auflage von acht- bis zehntausend Exemplaren. Während der deutschen Besatzung mobilisierte die kommunistische Zeitung zum Partisanenkampf und spielte eine zentrale Rolle bei der Organisation der Resistenza. So beklagte sich im Oktober 1943 die römische Zentralredaktion bei der Mailänder Lokalredaktion, die Mailänder Ausgabe widme sich allein dem Widerstand gegen die Deutschen und leiste zu wenig ideologische Arbeit. Im Juli 1945, nach der Befreiung Roms, erschien die erste legale Ausgabe in der italienischen Hauptstadt. Herausgeber war nun Palmiro Togliatti, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) in der Nachkriegszeit.

Ihren Höhepunkt erlebte die Tageszeitung in den siebziger Jahren: Damals sollen nach Angaben des Verlags 94 Millionen Exemplare pro Jahr verkauft worden sein. An Sonntagen oder am 1. Mai kletterten die Verkaufszahlen auch schon mal auf eine Million Zeitungen an einem Tag. Doch spätestens in den neunziger Jahren nahm die Nachfrage kontinuierlich ab - mit Ausnahme der kurzen Zeit nach dem Wahlsieg der rechten, postfaschistischen Koalition unter Silvio Berlusconi von 1994. Zwar befinden sich seit Mitte der neunziger Jahre so gut wie alle italienischen Tageszeitungen in der Dauerkrise, doch besonders schwer hat es die linken Zeitungen getroffen: il manifesto und L'Unità. War die Auflage der ehemals kommunistischen Parteizeitung bis 1998 auf durchschnittlich 140 000 gesunken, werden inzwischen lediglich 50 000 Zeitungen pro Tag verkauft - zu wenig, um schwarze Zahlen zu schreiben.

In den letzten Jahren konnte die Zeitung nur noch existieren, weil sie von den Linksdemokraten (DS) finanziell unterstützt wurde. Die Nachfolgepartei der PCI entschied, die Zeitung zu privatisieren, und behielt lediglich einen Anteil von 25 Prozent am Verlag. Zugleich pumpte die Partei im letzten Jahr bis zu zwei Millionen Lire monatlich in die schwer verkäufliche Zeitung. Es half nichts: L'Unità ist mit über 70 Millionen Lire verschuldet und anscheinend nicht mehr zu retten. Die Liquidierung ist beschlossene Sache. Chefredakteur Giuseppe Caldarola trat von seinem Posten zurück und stellt nur noch seinen guten Namen zur Verfügung.

Mit L'Unità geht eine linke Instanz in Italien unter. Wenn Italiener an die Kommunistische Partei dachten, so dachten sie bisher auch immer an die Unità. Doch das ist Geschichte. Die PCI gibt es seit 1991 nicht mehr. Ihre Nachfolgepartei, die heutige DS, ist nach vier Jahren als wichtigste Partei in der Mitte-Links-Koalition kaum wiederzuerkennen: Die Linksdemokraten sind auf dem sozialdemokratischen Dritten Weg in Europa angekommen. L'Unità ist tapfer mitgezogen, hat auf diesem Kurs jedoch offenbar viele Leser abgehängt.

Die Neuorientierung der Mutterpartei hat auch die Zeitung in eine Identitätskrise gestürzt. Nun wird spekuliert, ob L'Unità eine Chance gehabt hätte, wenn sie sich als von der Partei unabhängige Tageszeitung etabliert hätte, statt halbherzig einen Mittelweg zu gehen. Ex-Chefredakteur Emanuele Macaluso kritisierte im Corriere della Sera, L'Unità sei »ein bisschen wie die DS: nicht Fisch, nicht Fleisch«. Ist sie nun die Zeitung der Partei? Der Linken? Oder der Regierungskoalition?

Auch Giampaolo Pansa sieht das Problem der Unità darin, dass sie sich nicht ausreichend auf ihre Aufgabe als linke Tageszeitung konzentriert hat. Im liberalen Wochenmagazin L'Espresso ermuntert er die neuen Redakteure, sofern es welche geben wird, zu tun, was eine linke Zeitung tun muss: Ihre Feinde bekämpfen ohne Rücksicht auf Höflichkeit und politische Korrektheit.

Böse Stimmen meinen, die Linksdemokraten wollten sich mit der Liquidation der Unità einer kommunistischen Altlast entledigen, von der sie sich immer noch verfolgt fühlten. Der ehemalige Herausgeber und heutige DS-Parteisekretär Walter Veltroni versuchte vorige Woche, solchen Spekulationen entgegenzutreten und sagte gegenüber Radio anch'io, wenn es nach ihm ginge, würde er die Zeitung zu 100 Prozent als Parteiblatt behalten, so sehr liege sie ihm am Herzen, doch sie sei einfach zu teuer geworden.

Zweifellos wird der Untergang der Unità auch die DS schwächen. Denn mit der Tageszeitung wird ihr im April nächsten Jahres, vor der Wahl zum nationalen Parlament, ein wichtiges Propagandamittel fehlen. Der rechte Oppositionsführer Silvio Berlusconi hat gute Chancen, diese Wahl zu gewinnen.

Bis jetzt ist allerdings nicht klar, wie es weitergehen wird mit der Unità. Offenbar soll noch im Juli die Produktion vorerst eingestellt werden. Vertröstet werden die Redakteure derzeit mit der Aussicht, dass vielleicht schon im September die Arbeit wieder aufgenommen werden könnte, jedoch nur mit etwa der Hälfte der 125 Redakteure und unter der Voraussetzung, dass neue Geldgeber gefunden werden. Als Interessent hat sich bereits der Verlag Baldini & Castoldi gemeldet. Im Gespräch sind außerdem Marco Boglione, Inhaber von Kappa, und die Familie Benetton. Spätestens dann merkt man, dass sich etwas in der Welt verändert hat: wenn eine Modefirma die ehemalige kommunistische Zeitung aufkauft.