Die Expo 2000 und ihr Themenpark

Blödes Edutainment

Das Expo-Management verbindet coole Techno-Images mit uncooler Pädagogik für Eltern und Kinder. Die Zielgruppe ist langweilig, das Ergebnis auch. Bilder einer Ausstellung VII.

Während Veranstaltungen wie das gute alte Schützenfest in Hannovers City boomen, bleibt es auf der Expo ruhig. Seit seiner Eröffnung floppt das Zukunftslabor. Deshalb ziehen nicht die globalen Probleme von morgen das Hauptinteresse des Expo-Managements auf sich, sondern die Geldprobleme von heute: Das kalkulierte Defizit wird sich auf mindestens 1,4 Milliarden Mark vervierfachen, das Ziel von 40 Millionen BesucherInnen ist endgültig aufgegeben und der erste Pavillon für »Zero Emissions Research« wird wahrscheinlich bald geschlossen. 2 400 Arbeitsverträge wurden bereits gekündigt. Und nun soll der Karren mit einer neuen 20 Millionen Mark schweren Werbekampagne von Peter Ustinov und Verona Feldbusch aus dem Dreck gezogen werden. Ob das hilft?

Wer über das Gelände läuft, gerät in ein Setting aus Tourismusbörse und neokolonialem Jahrmarkt in den Länderpavillons und mittelmäßigen Technikshows in den Industriehallen. Von der neuen Welt, die im Themenpark, dem inhaltlichen Herzstück der Expo, entstehen sollte, ist nichts zu sehen. Untergebracht in den Hallen der Hannover Messe, von außen mit ein paar Fotowänden aufgepeppt, wirkt der Themenpark schon vor dem Betreten nicht gerade wie ein Shuttle in die Zukunft.

Und auch von innen will sich das Gefühl, in einem SciFi-Laboratorium zu sein, nicht einstellen. Statt einen spektakulären Wissenschaftstrip zu bieten, will die Ausstellung es allen BesucherInnen in der ästhetischen Spannweite von Ustinov bis Feldbusch recht machen. Dieser planerische Mittelwert drückt sich dann auch in der Zielgruppenwahl der Expo-ManagerInnen aus: die Zwei-Kind-Familie aus Nordrhein-Westfalen mit überdurchschnittlichem Einkommen und guter Bildung, von der man schon ahnt, dass sie Statt-Auto fährt und ihren Müll trennt. Auf sie sind Inszenierung und Vermarktung der Expo zugeschnitten. Das Ergebnis ist so langweilig wie die Zielgruppe. Es katapultiert uns ins Nirgendwo der ästhetischen und wissenschaftlichen Sparsamkeit eines familienkompatiblen Abendprogramms - Edutainment für Eltern und Kinder zwischen »Löwenzahn« und einer Doku über die vorletzte Entwicklung von Microsoft.

Im Prinzip sitzt die Projektleitung des Themenparks damit einem generellen Problem der Nachhaltigkeits-PR auf: Technische Innovationen und hippe Inszenierungen lassen sich nur äußerst selten umsatzträchtig mit der Diskussion politisch-ethischer Fragen verbinden. Im Themenparkbereich »Mensch« in Halle 7 bringt dieses Mischkonzept ganz besondere Stilblüten hervor. Unterschiedlichste Trends der Biowissenschaft werden in siebzig Würfeln mit je drei Meter Kantenlänge vorgestellt. Unter ihnen ist ein Würfel mit drei Milliarden Stecknadeln - entsprechend den Basen des menschlichen Genoms.

Ein anderer hat Chromosomenklingeln, die uns verraten, ob Eigenschaften wie Musikalität genetisch bedingt sind, und einer trägt eine Reihe von Postern, die erst auf den zweiten Blick als chirurgische Schnitte durch den menschlichen Körper zu erkennen sind. Weiter hinten läuft währenddessen ein Fernsehspiel, das den SciFi-Film »Gattaca« kopiert. Da wünschen sich Eltern für ihr Invitro-Kind, dass es frei ist bei der Wahl seiner Ideale, seiner Religion, seiner Sexualität und als Extra-Wunsch von Papa: die Augen von Mama.

Genannt wird das ganze Gen-Menü-Wunsch-Programm. Der eigentliche Informationsgehalt ist dabei zweitrangig. Primär geht es um die leicht kritisch gebremste Message der Machbarkeit. Selbst wer sich die Mühe macht, eine Fußschmerz verursachende Studienreise anzutreten und alle Texte der elf Themenpark-Bereiche liest, wird enttäuscht sein. Jedes einigermaßen gut recherchierte Dossier eines Magazins gibt interessantere Informationen.

Rund um das Expo-Kernthema Life Science sind zusätzlich und relativ willkürlich unter den Überschriften Toleranz, Solidarität und Menschenrechte drei Beiträge gruppiert: Erarbeitet von der Shoah Foundation, dem Verband entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen (Venro) und amnesty international (ai), sollen sie dafür sorgen, dass die BesucherInnen die Intention dieses Ausstellungsbereichs nicht falsch verstehen. Schließlich ist die Parole der Expo GmbH, »dass der Besucher selbst Thema und Haupt-Exponat der Ausstellung ist«, auch als Drohung zu interpretieren. Wer will schon gerne zum Forschungsobjekt der Biowissenschaften degradiert werden? Da geben die kritischen Beiträge von Venro oder ai das sichere Gefühl, sich in einer politisch korrekten und verantwortlichen Anordnung zu bewegen.

Mit deutlich weniger moralischer Begleitmusik kommen die Beiträge der deutschen Wirtschaft aus. Mit 26 Millionen Mark hat der Verband der Chemischen Industrie, ebenfalls in Halle 7, das »Chemidrom« aufgebaut. Während einer über 200 Meter langen Geisterbahnfahrt rund um die Würfel des Themenparks »Mensch« erfährt der Reisende, was uns die chemische Industrie schon so alles Gutes beschert hat. Nylonstrümpfe und Penicillin dürfen ebensowenig fehlen wie die gen-manipulierte Pflanze als biologische Fabrik.

Mit teuren und aufwendigen Inszenierungen dieser Machart nähern sich die Expo-Partner aus der Industrie deutlich konsequenter der Zielvorgabe, hippe Science-Popkultur zu präsentieren, als die Projektleitung der Weltausstellung. Bei dem Versuch, dem aktuellen Trend einer umfassenden Biologisierung des Sozialen eine populäre technoide Ästhetik zu geben, ist sie nicht durch zuviel didaktisch-ethische Pseudo-Verpflichtung gehindert, sondern kann fröhlich affirmativ Monitor an Monitor reihen - viele Interfaces, viele Touch Screens. Der Bevölkerung wird die Zukunft so als ein Produkt aus dem Labor vermittelt. Dass technische Entwicklung Teil eines sozialen Programms von Herrschaft ist, gerät dabei aus dem Blickfeld.

Hier ist das Zusammenspiel von Expo-Management und Wirtschaft nicht zu unterschätzen. Beide betonen die gleiche Perspektive: Metropolitane Lösungskompetenz für globale Zukunftsfragen wird heute durch Hochtechnologie vermittelt. Und im Prinzip haben sie hier ein leichtes Spiel. Sie setzen einfach am alltäglichen Bewusstseins-Setting der BesucherInnen an.

Angesichts der gerade geführten Debatten um Genmedizin und die zunehmende Unfruchtbarkeit wegen chemischer Verseuchung gehört nicht mehr viel Kreativität dazu, Invitro-Fertilisation als Zukunftstechnologie anzupreisen. Und wenn die Expo-Welt von morgen deshalb doch sehr unserer Welt von heute ähnelt, schafft sie es, den Blick auf Alternativen zu verstellen und bereits vorhandene technologische Zugriffe zu normalisieren. Nur wirklich hip ist sie nicht.