Kein Koks vom Kartell der Teufel

Eine Front mit der Mafia: Washingtons Drogenbehörde DEA rüstet sich mit den kolumbianischen Paramilitärs gegen die Opposition.

Man hätte das Schreiben für ein Konstrukt linker Verschwörungstheoretiker halten können: Drogenhändler, Paramilitärs und Mitglieder der US-amerikanischen Botschaft arbeiten eng zusammen, wenn es gilt, gegen Oppositionelle in Kolumbien vorzugehen.

So hatte es in jenem Dokument gestanden, das im Sommer 1999 auf Websites linker kolumbianischer Gruppen zirkulierte. Es handelte sich um das angeblich von einem Beteiligten weitergegebene Protokoll eines Drogenhändler-Treffens, an dem per Telefonschaltung auch der Paramilitär-Chef Carlos Casta-o teilgenommen haben soll.

Dem Papier zufolge wurde die Umstrukturierung des Drogensektors unter Führung von Casta-o und Hernando G-mez alias Rasgu-o vereinbart - G-mez kontrolliert das Heroin-Kartell Norte del Valle, Casta-o wird als Chef der Vereinigten Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens für Zehntausende von politisch motivierten Morden seit 1990 verantwortlich gemacht.

Zudem soll Casta-o auf dem Treffen den Drogenhändlern von Gesprächen mit der US-Botschaft berichtet haben. Es hieß, der Boss der Paramilitärs habe es gegenüber den US-Autoritäten akzeptiert, als Drogenhändler bezeichnet zu werden. Er sei außerdem bereit, »als Repräsentant des Drogensektors die Kommerzialisierung von Drogen innerhalb eines Jahres in den Einflussgebieten unserer Bewegung zu unterbinden«. Im Gegenzug müssten die USA die Strafverfolgung einstellen. Beschlossen worden sei auch, die linke Opposition in der Gegend um Cali mit neuen paramilitärischen Einheiten zu eliminieren. Die Truppen sollten in Kooperation mit der III. Heeres-Brigade aufgebaut werden.

Die zweite Ankündigung des Dokuments sollte sich schnell bestätigen. Seit Oktober 1999 haben Todesschwadronen in den Städten Buga und Tuluá mehrere Hundert Linke ermordet - wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch festgestellt hat, tatsächlich in Zusammenarbeit mit der III. Brigade.

Doch auch der erste Teil des Schreibens gewann in den letzten Wochen an Glaubwürdigkeit. Immer mehr Indizien tauchen auf, dass US-Sicherheitsapparate nicht nur mit der kolumbianischen Paramilitär-Mafia gesprochen, sondern auch Vereinbarungen mit ihr getroffen haben.

Die Kettenreaktion begann am 5. April, als El Nuevo Herald, die spanische Ausgabe des Miami Herald, darüber informierte, dass das FBI zwei Informanten der US-amerikanischen Drogenbehörde Drug Enforcement Agency (DEA) festgenommen hatte. Den Männern sei vorgeworfen worden, mehreren Mafiosi gegen Geldzahlungen zur Straffreiheit verholfen zu haben.

Doch einer der Festgenommen, Baruch Vega, nach eigenen Angaben schon in den sechziger Jahren als CIA-Agent gegen kolumbianische Studentengruppen tätig, stellte den Fall anders dar. Seinen Angaben zufolge habe der 54jährige im Auftrag der DEA an einem »Resozialisierungsprogramm für Drogenhändler« gearbeitet und dabei direkt den führenden DEA-Beamten David Tinsley und Larry Castillo unterstanden.

Der inzwischen gegen Kaution freigelassene Vega bekräftigt, sämtliche Zahlungen der Kokain-Bosse an die DEA gemeldet und zum Teil sogar weitergereicht zu haben. In einem Fall seien 20 Prozent der Summe nach Washington geflossen, womit die Behörden Undercover-Aktionen finanziert hätten, für die es keine offiziellen Gelder gegeben habe.

Insgesamt 114 Capos ermöglichte Vega die »Resozialisierung«. Er gilt wegen seiner Kontakte zu Paramilitärs und zu Drogenbossen wie etwa Gilberto Rodr'guez vom Cali-Kartell als hochrangiger DEA-Informant. In einem Interview mit der Wochenzeitung La Semana bestätigte er, dass die Paramilitärs von ausländischen Söldnern, meist ehemaligen Geheimdienstagenten, aufgebaut worden seien.

Im vergangenen Herbst plante die DEA einen besonders großen Coup: ein Global-Abkommen mit der Mafia. Vega und sein Führungsbeamter Tinsley organisierten in Panama ein Gipfeltreffen mit 20 führenden Drogenhändlern, um über die Einstellung von Strafverfahren zu diskutieren. Gleichzeitig trat man an den ehemaligen Capo des Medell'n-Kartells Fabio Ochoa heran, um ihn als Informanten gegen die erstarkende russische Mafia in Florida zu gewinnen. Den Aussagen der Familie Ochoa zufolge wurde die DEA dabei auch von der US-Justiz unterstützt. Die inzwischen zurückgetretene US-Staatsanwältin Theresa Van Vliet bot dem Anwalt der Ochoas ein umfassendes Abkommen zur Straffreiheit an.

Im Mittelpunkt des DEA-Interesses stand bei diesen Kontakten offensichtlich, Informationen über den kolumbianischen Polizeipräsidenten José Rosso Serrano und dessen Verbindungen zum so genannten Kartell der Teufel zu bekommen. Fabio Ochoa bestätigte in der kolumbianischen El Tiempo am 1. August entsprechende Aussagen anderer Drogenhändler. Vega habe ihm erzählt, »dass die Amerikaner sehr interessiert daran waren, etwas über die Korruptionsgeschichten von Serrano zu erfahren. Ich habe ihm gesagt, dass ich etwas gehört, aber keine Belege dafür hätte.«

Dass die DEA in Richtung Serrano ermittelte, ist schon deswegen erstaunlich, weil dieser als Polizeikommandant von US-Gnaden galt. Noch verwunderlicher ist jedoch, dass die DEA ausgerechnet gegen das Kartell der Teufel ermitteln wollte - immerhin handelt es sich hier um einen der sensibelsten Punkte im kolumbianischen Machtgefüge. So reagierte auch Vega im Juli zurückhaltend auf die Frage, wer hinter diesem Kartell stecke: »Das kann ich nicht sagen, das ist sehr delikat.« Erst über andere Kanäle sickerte durch, dass die DEA von der Existenz einer Allianz zwischen kolumbianischen Polizeioffizieren, Angestellten der US-Botschaft, Mitgliedern der Kartells Norte del Valle und Paramilitärs ausgeht.

Dieses Bündnis, über das in Kolumbien schon lange spekuliert wird, soll sich Anfang der neunziger Jahre aus jenen Gruppen formiert haben, die den Chef des Medellin-Kartells Pablo Escobar zur Strecke brachten. Allen voran einige Medelliner Capos, die sich unter Mitwirkung der DEA von Escobar losgesagt und eine Gruppe unter dem Namen Pepe (Verfolgte von Pablo Escobar) gegründet hatten. Die wichtigsten Mitglieder der Pepe waren in jenen Jahren die Gebrüder Fidel und Carlos Casta-o, die heute als Kommandanten der rechtsextremen Paramilitärs tätig sind. Auch der Ruf des Polizei-Chefs Serrano als großer Drogenbekämpfer rührt aus jener Zeit.

Bleibt die Frage warum die DEA gegen Serrano und das Kartell der Teufel ermittelte. Vorstellbar ist, dass die DEA-Abteilung um Tinsley im vergangenen Jahr zufällig auf die Verbindung stieß. Denn was weder El Nuevo Herald noch die kolumbianischen Medien erwähnen: Kurz vor der Affäre im vergangenen Sommer wurde eine Drogen-Connection in der US-Botschaft aufgedeckt.

Damals verhaftete man die Frau des US-Army-Verantwortlichen für Drogenbekämpfung in Kolumbien, James Hewitt, weil sie mit der Diplomatenpost Kokain im Wert von mehreren Hunderttausend Dollar in die USA geschmuggelt hatte. Hewitt selbst wurde inzwischen nachgewiesen, einen Teil der Gelder gewaschen zu haben. Möglicherweise erfuhren einzelne DEA-Beamte bei diesen Ermittlungen Details über die Kooperation von Polizei, US-Beratern und Drogenhandel.

Wahrscheinlicher jedoch ist, dass die DEA in höherem Auftrag Informationen gesammelt hat. Nach Berichten des kolumbianischen Radio-Senders RCN gab es direkte Kontakte zwischen DEA und Paramilitärs. Vega selbst bekräftigte, für die US-Behörde sowohl mit Hernando G-mez vom Kartell Norte del Valle, der im Website-Dokument der Oppositionellen als Militärchef des Drogenhandels bezeichnet wurde, als auch mit Casta-o verhandelt zu haben.

»Die Idee war, dass Carlos Casta-o helfen sollte, den Drogenhandel zu stoppen«, erklärte Vega Anfang August. »Mit der Einstellung des Drogenhandels hätte er keine Unterstützung mehr gehabt, weswegen ihm jemand seinen Krieg hätte finanzieren müssen. Das war es, was die nordamerikanische Regierung praktisch machen wollte: ihm den Krieg subventionieren.« Ein Treffen zwischen Casta-o und den DEA-Leuten Castillo und Tinsley sowie Regierungsgesandten habe unmittelbar bevorgestanden.

Casta-o hat diese Version inzwischen bestätigt. Zwar stellt der Rechtsextremist die Sache so dar, als habe sich seine Organisation bereit erklärt, die Drogenhändler mit Waffengewalt zum Exportstopp zu zwingen. Doch ansonsten stimmen seine Angaben mit denen von Vega überein. Sein Freund, der einst als Drogenhändler verurteilte Nicolás Bergonzoli, habe mit Tinsley und Castillo eine Vorvereinbarung getroffen, sagte Casta-o dem kolumbianischen Fernsehen.

Vor diesem Hintergrund liegt der Schluss nahe, dass die DEA das Kartell der Teufel nicht zerschlagen, sondern nur besser kennenlernen will. Unzweifelbar ist jedenfalls, dass Teile des US-Sicherheitsapparats in Drogenhandel und Paramilitarismus in Kolumbien verstrickt sind. Die Erklärung Washingtons, Kolumbien erhalte die 1,3-Milliarden Dollar-Militärhilfe für den Plan Colombia zur Drogenbekämpfung, wird damit zur puren Propaganda.

Umso treffender passt die Meldung der Geheimdienste von Costa Rica und Panama, kolumbianische Paramilitärs hätten 800 R-15-Gewehre aus den USA erhalten. Bezeichnend auch die Äußerungen Casta-os: Er begrüßte den Plan Colombia und die damit zusammenhängende Stärkung der Armee. Kurz vor dem Clinton-Besuch in Bogotá am 31. August ist deutlich geworden, dass die USA tief in den schmutzigen Krieg in Kolumbien involviert sind.