Internationale Frauenuniversität auf der Expo

Unlearning Privilege

Die Internationale Frauenuniversität will postcolonial studies in die feministische Debatte einführen. Bürokratie und Eurozentrismus setzen Grenzen.

Ich komme aus einem Land, das vom Tourismus lebt. Ich arbeite in einer NGO gegen Sex-Tourismus. Und Sex-Tourismus ist genau das, was Sie in ihrem Film praktiziert haben.« Die Studentin ist entsetzt. Der Film »Baby, I will make you sweat«, den sie so heftig kritisiert, ist die autobiografische Erzählung einer älteren weißen Frau, die in Jamaica erfolgreich nach Sex gesucht hat.

Die Filmemacherin sitzt selbst auf dem Podium und behauptet dagegen, dass es in ihrem Film um Liebe gehe. Sie habe schließlich für ihre sexuellen Erfahrungen nichts bezahlen müssen. Über soviel Blauäugigkeit können viele nur den Kopf schütteln. Und auch über den Umstand, dass dieser Streifen zum offiziellen Lehrinhalt der Internationalen Frauenuniversität (ifu) gehört.

Dabei hat die ifu, die zwischen Juli und Oktober in einem Pilotprojekt 900 Studentinnen aus über hundert Ländern versammelt, ihre internationale theoretische Kompetenz schon im Vorfeld massiv propagiert. Mit pompösen Hochglanzbroschüren versuchte sie sich als kosmopolitisches und service-orientiertes Eliteunternehmen aktueller feministischer Theorie-Entwicklungen auszuweisen, die in sechs Projektbereiche gefasst wurden: Körper, Stadt, Information, Migration, Arbeit und Wasser.

Ihre elitäre Image-Kampagne machte die ifu zur Zielscheibe scharfer Kritik gerade auch deutscher Feministinnen. Das Projekt, das schwerpunktmäßig in Hannover, aber auch in einigen anderen Städten stattfindet, trage durch Studiengebühren von 600 Mark zur Privatisierung der Bildung bei, sei von der Expo teilfinanziert und grenze durch ausschließlich englischen Unterricht viele Frauen aus. Sogar eine autonome FrauenLesben-Gegenuni hat mittlerweile stattgefunden.

Übersehen wird bei dieser Kritikt, dass über 60 Prozent der ifu-Studentinnen aus dem Süden kommen. Ihr Studium wird durch Stipendien finanziert. Die internationale Zusammensetzung der Lehrenden und Studierenden macht die Veranstaltung zu einem einmaliges Ereignis, vor dem die an deutschen Universitäten bestehenden Ungleichheiten frappant sichtbar werden. Im Vergleich zum Auditorium der ifu erweist sich jeder beliebige Hörsaal in der BRD als eine auf subtile Weise rassistisch homogenisierte Zone.

Viele Frauen, die an der ifu teilnehmen, sind Wissenschaftlerinnen, politische Aktivistinnen oder Mitarbeiterinnen von NGOs, die einen ungeheuren Vorrat an theoretischer Kenntnis und praktischer Erfahrung mitbringen - vor allem im Bereich einer internationalen feministischen Debatte. Gewalt gegen Frauen oder die eugenische Realität globaler Bevölkerungspolitik werden im Kontext differenter ideologischer Fundamentalismen von den USA bis Algerien ebenso diskutiert wie ethnisierter Terror.

Mit dieser Form internationaler Diskussion sind deutsche Akademikerinnen offensichtlich bislang wenig in Kontakt geraten. Deshalb bleibt der deutsche Terror als Diskussionsthema ausgeschlossen. Auch daran wird deutlich, wie provinziell und isolationistisch deutsche Universitäten funktionieren - inklusive ihrer feministischen Forschungsabteilungen. Die globale Ungleichheit eines kapitalistischen Weltsystems, das von kolonialer Geschichte geprägt ist, wird kaum zum Thema gemacht. Im dominanten Cultural Studies-Paradigma wird Ungleichheit lieber als kulturelle Identität relativiert.

Wegen solcher Herausforderungen ist die Kritik an der ifu zum Teil auch als protektionistische Rückwärtsverteidigung deutscher Feministinnen zu verstehen, die von einer globalisierten Debatte ihre akademischen Privilegien bedroht sehen. Leider tritt diese Haltung zuweilen auch auf der ifu zu Tage. So müssen sich die Studentinnen in einigen Bereichen immer wieder gegen eurozentrische Curricula und autoritäre Strukturen zur Wehr setzen. Das Programm im Bereich Arbeit konzentriert sich zum Beispiel ausschließlich auf Europa.

Obendrein scheint es einigen Teilbereichen außerordentlich schwer zu fallen, die autoritären Strukturen des deutschen Bildungswesens, wie etwa Teilnehmerinnenlisten, für die angestanden werden muss, zu Gunsten der selbst proklamierten Service-Mentalität im Dienste der Studentinnen aufzugeben. Am schwersten fällt, wie zu erwarten war, die internationale Verständigung - sogar unter den Studentinnen. Seufzend erklärte eine Studentin aus Indien, dass, um zu Ergebnissen zu kommen, das theoretische Diskussionsniveau entscheidend angehoben werden müsse: Entwicklungshilfe auf der ifu - aber umgekehrt.

Das trifft jedoch nur auf einige Fachbereiche, neudeutsch: Project Areas, zu. Das Gesamtunternehmen ist so dezentral angelegt, dass aus den ausgelagerten Bereichen Stadt und Information kaum Nachrichten nach Hannover dringen, wo sich drei der sechs Areas konzentrieren: Körper, Arbeit und Migration.

Aber auch dort ist die Stimmung sehr unterschiedlich und bemisst sich oft an der Bereitschaft, einen wirklich internationalen Dialog zu beginnen, das heißt strukturelle theoretische Verbindungslinien zwischen Kapitalismuskritik, Postkolonialität, Geschlechterverhältnissen und Rassismus zu ziehen - anstatt ihn mit Auftritten von Stars des internationalen Feminismus wie Saskia Sassen, Gayatri Chakravorty Spivak, Vandana Shiva oder Sandra Harding nur zu simulieren. Diese Simulation wird auch daran sichtbar, dass sich eine ganze Reihe von Studentinnen als Alibi-Exponate verkrampfter akademischer Globalisierungsanstrengungen fühlten. In jedem Presseartikel war zum Beispiel garantiert ein Foto von den »vielen exotischen Teilnehmerinnen« abgedruckt.

Aber dieselben Studentinnen, die den Bildungsstandort Deutschland diskursiv verbessern, konnten oft nur unter Schwierigkeiten einreisen. Und auch die internationalen Dozentinnen waren wegen der bürokratischen und eurozentrischen Strukturen zum Teil misstrauisch gegenüber der Institution ifu. Angesichts der immensen Lernbegierde ihres internationalen Auditoriums schmolzen sie jedoch reihenweise dahin.

Die Vorlesung von Jacqui Alexander, Mitherausgeberin des Bandes »Feminist Genealogies, Colonial Legacies«, der Ökonomie und Feminismus zusammendenkt, verwandelte sich in eine Art radikal-feministischer Predigt gegen Heterosexismus und andere Unterdrückungsformen im postkolonialen Kapitalismus.

Es gehört zu den unbestreitbaren Vorteilen der ifu, sowohl diese Veranstaltungen, als auch die Möglichkeit einer wirklich internationalen Diskussion feministischer Theorie anzubieten: Was bedeutet Handlungsmöglichkeit (agency) im Kontext eines globalen Kapitalismus? Was Komplizität von Frauen in Unterdrückungsverhältnissen? Und ist die obsessive Beschäftigung des westlichen Feminismus mit Repräsentationsverhältnissen nicht Ausdruck einer tiefgreifenden Depolitisierung?

Die Freiräume, diese Diskussion zu gestalten, müssen der Institution immer wieder abgetrotzt werden und entstehen oftmals in Eigeninitiative der Studentinnen. Sie haben sich z.B. selbstständig mit Vertreterinnen der autonomen Gegenuni in Verbindung gesetzt und durch ein Transnational Queer Projekt der Unterrepräsentation queerer Positionen abgeholfen.

Auch die Literaturwissenschaftlerin Gayatri Chakravorty Spivak, die dafür bekannt ist, mit rasanten dekonstruktiven Theoriekunstwerken ihr Auditorium einzuschüchtern, erlag dem Charme ihrer Hörerinnen und drosselte sogar ihr Redetempo. Ob ihre Botschaft des »Unlearning privilege« ankam, muss sich allerdings erst zeigen. Das eigene Privileg nicht nur zu erkennen, sondern auch abzubauen, ist eine Lektion, die in der Institution ifu nicht überall verstanden wird.

Weitere Infos unter: www.int-frauenuni.de