Proteste gegen Benzinpreiserhöhung

Der große Zorn der kleinen Chefs

Wegen der steigenden Spritpreise organisieren französische Transportunternehmer und Bauernverbände die größten Blockaden seit Jahren.

Über hundert blockierte Raffinerien und Treibstoff-Depots, an den Tankstellen kein Benzin, Lastwagen und Traktoren, die auf vielen Straßen den Weg versperren. In Frankreich herrschten in der ersten September-Woche Zustände, die an die großen Streiks der Lkw-Fahrer und Transportarbeiter Mitte der neunziger Jahre erinnerten. Mit dem kleinen Unterschied, dass dieses Mal die Unternehmer-Verbände das Land in Atem hielten.

Der Zorn, der sich letzte Woche im ganzen Land entlud, hatte sich in den vergangenen Monaten langsam aufgebaut. Anlass für die Proteste war der Anstieg der Rohöl-Preise, für den die französische Ölindustrie die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) verantwortlich macht. Tatsächlich ist der Preis für das Barrel Rohöl seit März 1999 von zehn auf knapp 35 Dollar am Freitag voriger Woche gestiegen. Den rasanten Anstieg mit einer »Erpressung« durch die Opec-Staaten zu begründen, wie es einige Zeitungen versuchten, trifft den Sachverhalt jedoch nicht.

Die hohen Kosten, die die französischen Konsumenten deutlich spüren, haben andere Gründe. Seit einem Jahr fällt der wirtschaftliche Aufschwung in Südost-Asien und die anhaltend gute Konjunktur in den USA mit einem wirtschaftlichen Boom in Westeuropa - vor allem in Frankreich - zusammen. Dadurch ist die weltweite Nachfrage an Öl stark gestiegen, was sich wiederum auf die Preise auswirkt.

Zudem war das Rohöl seit 1985 stark unterbewertet. Die niedrigen Kosten hatten zur Folge, dass in den Erzeugerländern notwendige Investitionen zur Instandhaltung der Fördertechnologie unterblieben. Zugleich wurden in den Industrienationen kaum Anstrengungen unternommen, andere Energiequellen zu erschließen.

Doch nicht nur die Förderländer sind nun an höheren Preisen interessiert, sondern auch die großen Ölkonzerne, die bei der Weiterverarbeitung enorme Profite erzielen. Der französische Multi TotalFinaElf kündigte etwa vergangene Woche für das erste Halbjahr 2000 eine Steigerung seiner Gewinne um 165 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr an.

Von den steigenden Spritpreisen profitiert nicht zuletzt auch der Staat. Der Steueranteil beim Verkauf von Öl und Benzin beträgt heute in Frankreich bereits 70 Prozent des Endpreises und trifft vor allem die Verbraucher - unabhängig von ihrem Einkommen oder sozialen Status. Hinzu konnt der schwache Euro-Kurs der vergangenen Wochen. Da sämtliche An- und Verkäufe von Rohöl in Dollar abgewickelt werden, wirkt sich jede Kursschwankung sofort aus und wird von den Ölkonzernen an die Kunden weitergegeben.

Wegen ihrer Preispolitik hatte der französische Wirtschaftsminister Laurent Fabius bereits im Frühjahr die Ölindustrie in ungewöhnlich scharfem Ton kritisiert. Diese Konzerne sollen nicht nur die steigenden Kosten an die Kunden abgeben, sondern auch die Preisnachlässe anrechnen.

Tatsächlich machen sich beim Verbraucher nur die erhöhten Kosten bemerkbar, während von den Nachlässen in der Regel die Unternehmer profitieren. Die französische KP hat im Juli eine Kampagne unter dem Motto Baisse-moi (Senk' mich) - unter Anspielung auf den Filmtitel »Baise-moi« (Fick' mich) - lanciert. Mit der populistischen Kampagne versuchte sie, eine Sondersteuer auf die Gewinne der Ölkonzerne durchzusetzen, um damit niedrigere Verbraucherpreise zu finanzieren.

Vergangene Woche gingen dann jedoch nicht die Kommunisten, sondern die Unternehmer auf die Straße. Und zwar jene, die in erster Linie von den Öl- und Benzinpreisen betroffen sind: Die Transportbranche, die Agro-Industrie und die Taxifahrer.

Die Unternehmer-Verbände TLF, FNTR und Unostra riefen zur Blockade von Autobahnen, Raffinerien und den Zufahrten der Treibstoff-Depots auf. Die Gewerkschaften in dieser Branche rieten hingegen den Beschäftigten davon ab, an den Aktionen teilzunehmen. Den Unternehmern gehe es schließlich nur um die Verteidigung ihrer Gewinne.

Bei den Landwirten führte die große konservative Lobbyorganisation FNSEA die Aktionen an, die vor allem die Interessen der Agro-Industrie repräsentiert. Die linke Bauernorganisation Confédération paysanne hatte ihren Sympathisanten ebenfalls von einer Teilnahme an den Blockaden abgeraten.

Dem Druck der landesweiten Aktionen gab die Regierung Mitte vergangener Woche teilweise nach. Die Transport-Unternehmer können in diesem und im nächsten Jahr mit Steuersenkungen rechnen, kündigten Premierminister Lionel Jospin und der kommunistische Transportminister Jean-Claude Gayssot an. Ferner sollen künftige Preiserhöhungen durch steuerliche Maßnahmen ausgeglichen werden. Die Kostensenkung kommt allerdings nur Lkw mit einem Jahresverbrauch von mehr als 50 000 Litern zugute - und begünstigt damit vor allem die Großunternehmen. Die Landwirtschaft erhält von der Regierung zusätzlich 460 Millionen Francs (rund 70 Millionen Euro) an Subventionen, ein Teil davon soll für die Entwicklung von Biotreibstoff verwendet werden.

Die staatlichen Zugeständnisse führten zu erheblichen Spannungen bei den Unternehmern. Zunächst rief die TLF, die vor allem die Großbetriebe der Branche vertritt, bereits am 6. September zum Abbruch der Blockaden auf. Die FNTR und die Unostra hingegen, die kleinere und mittlere Betriebe repräsentieren, versuchten, den Druck aufrecht zu erhalten. Als dann auch die FNTR ein Ende der Aktionen ankündigte, widersetzte sich ein Teil der Basis lautstark dem Beschluss und verlangte den Rücktritt von FNTR-Chef René Petit.

Aber auch in der Regierungskoalition gab es wegen den Blockaden und den damit verbundenen Zugeständnissen reichlich Ärger. Für die Grünen ist ein Preisnachlass für Treibstoff umweltpolitisch unverantwortlich. Zudem machen die Konzessionen die Pläne der Umweltministerin Dominique Voynet zunichte, bis 2005 die Dieselpreise schrittweise anzuheben. Von Premierminister Jospin wird nun erwartet, dass er bei dem Klimagipfel, der in dieser Woche in Lyon beginnt, neue umweltpolitische Maßnahmen verkündet, um die Öko-Partei wieder zu versöhnen.