Julius-Evola-Rezeption in Europa

Exportartikel Evola

Dichter, Maler, Esoteriker, »Konservativer Revolutionär«: Mit Julius Evola hat Italien der europäischen Rechten ein Vorbild gegeben.

Der »Konservative Revolutionär« hat's schwer: American Icecream triumphiert über Gelato aus einem Geburtsland europäischer Kultur. Und selbst die Pizza gibt's im Supermarkt auf amerikanische Art. Doch im Spirituellen hält Italiens Rechte noch Exportartikel bereit: Baron Giulio - alias Julius - Evola.

Die Lebensgeschichte Evolas entspricht nicht dem stereotypen Bild des intellektuell bornierten, dumpfbackigen extremen Rechten, das gegenwärtig bei vielen im Umlauf ist. Geboren am 19. Mai 1898 in Rom als Sohn eines sizilianischen Landadeligen, wurde Evola katholisch erzogen und geriet rasch unter den Einfluss der Schriften von Friedrich Nietzsche.

Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg kam Evola in Kontakt mit futuristischen und dadaistischen Künstlern. Er betätigte sich neben seinem - vor der Prüfung abgebrochenen - technischen Studium als Dichter und Maler. Ab 1924 befasste er sich mit westlichen und östlichen esoterischen Strömungen. Als Publizist beteiligte sich Evola an der politischen Debatte im faschistischen Italien. 1928 erschien seine Schrift »Imperialismo pagano«, die fünf Jahre später unter dem Titel »Heidnischer Imperialismus« auch im Deutschen Reich erscheinen konnte.

Von Mussolinis Arrangement mit dem Katholizismus war Evola enttäuscht. Er suchte Kontakte zu Faschisten in anderen europäischen Ländern. Im Nazi-Deutschland wurden zahlreiche seiner Texte publiziert, auch besuchte Evola die rumänischen Faschisten. Seine Texte über Corneliu Zelea Codreanu, den Führer der rumänischen Legion Erzengel Michael und der Eisernen Garde, erfreuen sich heute wieder einiger Beliebtheit. Mitte der neunziger Jahre hat zuerst der Nationaldemokratische Hochschulbund, dann die NPD und das faschistische Segment der Dark-Wave-Szene Codreanu als Heroen neu entdeckt.

1945 wurde Evola bei einem Bombenangriff auf Wien schwer verletzt. 1950 kehrte er nach Rom zurück. Dort wurde er ein Jahr später wegen »Verherrlichung des Faschismus« angeklagt, aber freigesprochen. Bis zu seinem Tod am 11. Juni 1974 schrieb Evola zu Fragen von Kultur, Esoterik und Magie und legte neben zahllosen Aufsätzen auch etliche Bücher vor, darunter Umarbeitungen von Texten aus der strammen Kampfzeit. Manche Titel klingen verlockend, so »Metaphysik des Sexus« oder »Den Tiger reiten«, die Texte sind indes alles andere als kurzweilige Lektüre.

Die schillernde Lebensgeschichte und das breite Themenspektrum Evolas verführen manche dazu, ehrfurchtsvoll zu ihm aufzuschauen; damit gerät man bereits in den Mechanismus, der aus Evola eine anbetungswürdige Ikone macht. Dieser Effekt wirkt nicht nur bei den rechten Evolianern, die sich davon beeindruckt zeigen, dass Evola die Religionsgeschichte der Menschheit gescannt zu haben scheint.

Auch in manchen Antifa-Texten kapitulieren die Autoren zuweilen vor Evolas demonstrativ zur Schau gestellter Gelehrsamkeit sowie vor der eitlen Selbstinszenierung des rechten Nachwuchses, der sich als wissend und eingeweiht geriert. Aber es muss gerade darum gehen, das simple Geheimnis-Versprechen der Esoterik zu durchbrechen, also etwas, das auch Evola braucht, um zu funktionieren. Das Versprechen besteht darin, dass Rechte sich elitär dünken, da ihr Meister sie in Wissen und - entscheidender - ein »Wissen jenseits des Wissens« einweiht. Der für dumm befundenen Masse, dem »Pöbel«, sei dieses Wissen nicht zugänglich.

Statt die in der Antifa-Publizistik kanonischen Stellen zu Evolas Antisemitismus und spirituellem Rassismus der späten zwanziger und der dreißiger Jahre erneut zu zitieren, ist es interessant, sich einmal Evolas Schwarte »Revolte gegen die moderne Welt« genauer anzusehen.

Die erste Fassung des Buches erschien 1934 in deutscher Übersetzung unter dem Titel »Erhebung wider die moderne Welt«. Der 1993 im Arun-Verlag von Stefan Ulbrich, einem ehemaligen Mitglied der Wiking Jugend und späteren Redakteur der Jungen Freiheit, erschienenen deutschen Übersetzung liegt die 1969 erschienene dritte Ausgabe zu Grunde.

Im ersten Teil der »Revolte« bastelt Evola aus Elementen der Religionsgeschichte eine »integrale Tradition«, die ihm im zweiten als Maßstab zur Kritik der »modernen Welt« dient. Evola ist ein Reaktionär im Wortsinne, seine Feinde sind der Humanismus seit der Renaissance, die Aufklärung, die Französische Revolution, kurz: alle Bewegungen zur Säkularisierung und Entzauberung der Welt. Was diese gemeinhin als Fortschritt sehen, kann Evola nur als Verfall interpretieren.

Das heißt, dass »die traditionstragenden abendländischen Völker schon seit Jahrhunderten im Todeskampf liegen und die steigende Vermehrung der Völker der Erde genau den gleichen Sinn hat wie das Gewimmel der Würmer, das sich bei der Zersetzung von Organismen bildet«. Der Verfall besteht im Verlust der Transzendenz, darin, dass die Ordnung nicht mehr göttlich legitimiert, also nicht mehr »Gotteskönigtum« bzw. »Reich« ist.

Die gesamte Argumentation zur völligen Delegitimierung der modernen Welt ist simpel dualistisch gestrickt. Wie die Moderne gegen die positiv bewertete Tradition steht, steht das Hohe gegen das Niedrige, das Transzendente gegen das Diesseitige, die metaphysische gegen die physische Ordnung. Das alles gibt es auch noch in mythologischer Kostümierung: Erde gegen Himmel. Oder Mann - als Ritter, asketischer Krieger oder Kshatriya - gegen Frau.

Den rechten Jungmannen kommen solche Gegensatzpaare, vor allem zu den phantasierten Traditionen von Mann und Frau, gerade recht. Die Lektüre und die Reproduktion von Schlagworten erweckt den Anschein des Eingeweihtseins. Auf die »Haltung des AUFRECHT BLEIBENS« komme es an, meinte Martin Schwarz, der rührigste deutschsprachige Evolianer, im Booklet einer CD zum 100. Geburtstag Evolas.

Dessen reflexionslose Kombination von Symbolen der Höhe liest sich wie die spirituell aufgeblasene Variante altbekannter »Männerphantasien«: »Die vertikale Dimension des Bergsteigens, des Aufsteigens zu schwindelerregenden Höhen, das sich Halten auf Gipfellinien. Die Lux Evoliana lässt in menschlichen Maßstäben das Licht des Polarsterns erstrahlen, des unbeweglichen Himmelspols. (...) ðMag auch das letzte Zeitalter (...) ein Zeitalter schrecklicher Zerstörungen sein, diejenigen, die in ihm leben und TROTZ ALLEM AUFRECHTBLEIBEN, können Früchte erlangen, die für Menschen anderer Zeitalter kaum erreichbar waren.Ð Die innere Haltung des Aufrechtbleibens ist sogar auf dem Rücken der Bestie möglich« - eine Dauer-Erektion gegen die moderne Welt, derber Sexismus für deutschsprachige Evola-Fans.

Insgesamt bleibt die Kritik der Moderne in der »Revolte« sehr oberflächlich, sie ist ressentimental und voller Klischees. Der ehemalige Führer des faschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI), Giorgio Almirante, hat Evola einmal als »Marcuse von rechts« bezeichnet. Aber ihn mit dem Autor von »Der eindimensionale Mensch« auf eine Stufe zu stellen, ist ein völlig vermessener Werbeslogan.

Während es in Italien und Frankreich eine auch akademisch verankerte lebhafte Evola-Rezeption gibt, besteht in Deutschland kaum Anlass zu dramatischen Warnungen vor einer »Evola-Renaissance«. Zu seinem 100. Geburtstag bot die extreme Rechte nicht mehr als Feuilleton-Routine auf. Und die fiel zum Teil auch noch genervt aus: Martin Schwarz stellte im NPD-Zentralorgan Deutsche Stimme fest: »Nun geht man gar daran, Evola nicht mehr aus dem Italienischen, sondern aus dem Amerikanischen zu übersetzen. Ein weiteres Zeichen für den hoffnungslosen Verfall Europas. Evola muss aus den USA importiert werden, weil es in Europa anscheinend niemanden mehr gibt, der Italienisch und Deutsch sprechen kann.«