Internet kills Fanzinekultur

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Die Achtziger in Italien waren keine tolle Zeit, vor allem nicht, wenn man das Pech hatte, jung zu sein. So leicht konnte niemand dem kulturellen Konformismus nach dem Ende der politischen Bewegungen entkommen. Ein paar Leuten gelang es natürlich doch, z.B. den aus den verschiedenen Subkulturen kommenden Fanzine-Aktivisten.

Die Phase allgemeiner Erschöpfung und politischer Desillusionierung war zugleich die Hochzeit des nach britischem Vorbild entstandenen Fanzine-Wesens in Italien. Ketzerische Blätter mit kurzer Haltbarkeit entstanden, die vom Comic beeinflusst waren und in denen sich alles um die Themen der Subkultur drehte: Musik, SF-Literatur, Cyberpunk, Skaten, postmoderne Theorie und Zukunftsprognosen. »Wie viele von Euch sind überzeugt, dass unser Antlitz in 50 Jahren noch ein menschliches sein wird?« fragten etwa die Leute von Decoder in einem Editorial.

Neben den Universitäten dienten vor allem die in dieser Zeit zahlreich entstandenen Centri Sociali als Umschlagplatz für Fanzines. Ende der achtziger Jahre, als der progressivere Teil der Öffentlichkeit die Centri Sociali allmählich akzeptierte, verfügten die Ad-hoc-Redaktionen bereits über Blattmacher-Erfahrungen und versuchten, die Grenzen des Milieus, aus dem heraus sie entstanden waren, zu überwinden. Aber nur wenige Fanzines - wie etwa Decoder oder Derrive e Approdi - konnten sich tatsächlich etablieren.

Die Ära der Fanzines war kurz und heftig und endete in den Neunzigern, denn das Fanzine war zwar ein schnelles Medium, aber das Internet war eben schneller. Und sehr bald verstanden Linke - ebenso wie die extremen Rechten - den politischen Nutzen des Netzes. Die dogmatische Linke war zwar - wie immer - skeptisch, die Aktivisten aus der Subkultur reagierten in Italien aber weniger zögerlich auf das Internet als die in anderen europäischen Ländern. Bereits 1991 schlossen sich Internet-Pioniere zu der anarchistisch und libertär ausgerichteten Gruppe BBC Cyberpunk zusammen, mit dem Ziel, alle Centri Sociali Occupati miteinander zu vernetzen. Die Gruppe organisierte auch den Mailänder Shake-Verlag, in dem der Decoder und die ersten italienischen Übersetzungen von Cyberpunk-Autoren wie Bob Cardigan, Bruce Sterling und Neal Stephenson erschienenen sind.

1994 wurde die mit den Centri Sociali verbundene Gruppe Isole nella rete (Inseln im Netz) ins Leben gerufen. Mit der Webseite dieser italienischen Sektion des European Counter Network wurden politische Organisationen aus ganz Italien miteinander verkoppelt, und inzwischen haben alle Centri Sociali ihre eigenen Websites, auf denen diverse politische Diskussionen veranstaltet werden - häufig von denselben Leuten, die noch vor zehn Jahre die Fanzines gedruckt haben, z.B. den beiden Bolognesern Bifo und Wu-Ming (einst Luther Blissett).