Amtszeitverkürzung des französischen Präsidenten

Volksentscheid von oben

In diesen Tagen sind Frankreichs Straßen und Plätze wieder einmal mit Plakaten geschmückt. Anlass ist ein Referendum am 24. September, bei dem die Bevölkerung entscheidet, ob die Amtszeit des französischen Präsidenten von derzeit sieben auf fünf Jahre verkürzt werden soll.

Betrachtet man die Plakate, meint man freilich, einer surrealistischen Darbietung beizuwohnen. Denn eine Reihe politischer Kräfte hat sich dafür entschieden, entweder bewusst an der gestellten Frage vorbei zu werben - die Linksradikalen der Partei Lutte Ouvrière etwa ziehen es vor, »lieber von dem zu reden, was die Arbeiter interessiert« - oder gleich zum Boykott des Referendums aufzurufen. »Schwindel-Abstimmung: Ohne mich!« plakatieren die Kommunisten.

Dabei hat es das Thema des Referendums durchaus in sich, rührt es doch an der zentralen politischen Institution der Fünften Republik: dem Präsidenten. Das auf den Staatschef zugeschnittene System stellt fast so etwas wie eine Wahl-Monarchie dar, die jedoch schon Mitte der neunziger Jahre zum ersten Mal in Frage gestellt wurde. Damals wollten die Sozialisten die im Vergleich zu anderen bürgerlichen Demokratien überaus lange Amtsperiode verkürzen, um zu einer »demokratischen Normalisierung« zu gelangen. Jacques Chirac, heutiger Amtsinhaber, wehrte sich zunächst dagegen, um dann im Juni dieses Jahres eine viel beachtete Kehrtwende hinzulegen. Seitdem klar ist, dass Premierminister Lionel Jospin von der Sozialistischen Partei und der Neogaullist Chirac bei den Präsidentenwahlen 2002 gegeneinander antreten werden, liefern sich die beiden eine Art »Reform-Wettlauf« nach dem Motto »öfter wählen heißt mehr Demokratisierung«.

Den Urhebern der Reform geht es dabei vor allem darum, künftigen Präsidenten eine Periode der Cohabitation - der Koexistenz mit einer Parlamentsmehrheit aus dem gegnerischen Lager - zu ersparen. Sollte das Referendum durchgehen, werden sowohl Parlament als auch Präsident künftig alle fünf Jahre gewählt. Damit entfallen im Prinzip auch jene Perioden, in denen die Parlaments- und die Präsidenten-Mehrheit nicht übereinstimmen, die für das politische System Frankreichs der letzten 15 Jahre prägend waren.

Das Fernziel besteht darin, ein Parteiensystem wie in den USA zu schaffen. Rund um die Figuren der Präsidentschafts-Kandidaten würden sich dann zwei große, inhaltsleere Blöcke formieren. Kritik an dem Vorhaben kommt von links wie von rechts: Während die KP und die Linksradikalen eine verstärkte Präsidialisierung der französischen Politik befürchten, sehen die rechten Gegner in der geplanten Verfassungsänderung eine Schwächung des Staatschefs. Dessen exponierte Stellung werde gefährdet, wenn er sich künftig öfter den Wählern stellen und in die Niederungen der Wahlpolitik herabsteigen müsse, kritisieren die Rechten.

Die von der KP angekündigte »offensive und aktive Enthaltung« dürfte aber kaum notwendig sein, um das Vorhaben zu stoppen. Denn das Hauptproblem, mit dem die großen Parteien zu kämpfen haben, ist das gähnende Desinteresse der Wähler an dem Referendum. Da macht es Sinn, dass die Kommunisten ausdrücklich bekräftigten, weder Wahllokale blockieren noch Stimmzettel verbrennen zu wollen. Nutzen nämlich würde auch das nichts: Die Wahlbeteiligung kann noch so gering sein, weil die Mehrheit der Stimmen für den vorgelegten Entwurf zählt.